Gastkommentar zum Thema „Leerstand“ in Rosenheim: von Günther A. Gerhager

Gastkommentar zum Thema „Leerstand“ in Rosenheim: von Günther A. Gerhager

Rosenheim – Zum Thema „Leerstand“ wurde in den vergangenen Monaten viel diskutiert und geschrieben. Nun bezieht Günther A. Gerhager zum Thema mit einem Gastbeitrag Stellung. Der Rosenheimer ist heute Schriftsteller und hat vor Jahren mit seiner Immobilienfirma mindestens 100 Läden in Rosenheim neu vermietet. 

Portrait Günther A. Gerhager. Foto re

Günther A. Gerhager. Foto: re

Der Gastbeitrag von Günther A. Gerhager hier im Wortlaut:
„Selten habe ich soviel Unsinn zu einer wirtschaftlichen Problematik gelesen, wie in den letzten Wochen zu dem Thema „Leerstand von Läden“ in Deutschland, insbesondere in Rosenheim.
Es fühlen sich plötzlich alle Wichtigmacher aufgerufen, ihren Senf dazu abzugeben, die selber keinen Laden, kein Geschäftshaus, ja oftmals überhaupt keine Immobilie besitzen. Meistens Menschen, die nicht mal selbständig resp. Geschäftsinhaber sind. Die wissen jetzt alle auf einmal wie es funktioniert einen Ladenmieter zu bekommen, der eine langfristige Ladenmiete monatlich in der Höhe bezahlt, die es dem Besitzer eines Geschäftshauses ermöglicht, ein solches mit meist
kostenintensiver historischer Bausubstanz zu erhalten.

„Rosenheim hat dramatisch an Eleganz und Niveau verloren“

Rosenheim hat die letzten Jahre dramatisch an Eleganz und Niveau verloren. Wenn ein Dr. Berentzen schreibt, „wenn man die Entwicklung jetzt dem freien Markt überlässt, wird eine daraus folgende Anhäufung von Ein – Euroläden, Nagelstudios und Barbiere, der Sargnagel für die Innenstadt “. Dabei hat er offensichtlich komplett übersehen, dass den bereits vorhandenen Sargnagel nicht der freie Markt geliefert hat, sondern die Politik resp. die Wähler, die diese Politiker wählten.
Mir sagten die letzten Jahre mindestens zwei Dutzend Leute aus dem Landkreis und sogar aus Kitzbühel, sie würden nicht mehr in die Stadt nach Rosenheim fahren, da sie sich in der Innenstadt vorkommen, als befänden sie sich nicht mehr in Oberbayern. Es fehlt nur noch ein Basar, um dieses Umfeld zu komplettieren. Das wird auch kein Kasperltheater oder irgendein anderer Hokuspokus ändern. Auch kein mit Steuergeldern bezahlter Theoretiker von Leerstandsmanager, der dann eine sinnlose Standortanalyse macht, die Filialisten in der Vergangenheit schon hundertfach erstellt haben.
Dieser soll dem „Leerstand entgegenwirken“, meinen Rosenheimer Stadträte. MdB Ates Gürpinar von den Linken sieht die Lage sogar kämpferisch und möchte dem Leerstand den Kampf ansagen. Faktisch eine Kriegserklärung, aber alles ohne Euro.

Zusammen entwickeln sie dann dazu viele Konzepte, aber keine wirklichen Euro an Miete. Da weit über die Hälfte der zu erhaltenden Miete an Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Grundsteuer abzuführen sind, werde ich an das Finanzamt schreiben, dass es von mir zukünftig Konzepte statt Euro bekommt.
Ein teures und sinnloses Gutachten dazu von 150 Seiten, ( wo man aber jetzt endlich weiß, dass ein Karstadt Leerstand auch andere Geschäfte tangiert ) wird letztendlich den einzigen Schluss zulassen, dass die Hausbesitzer zu viel Miete verlangen. Wobei viele Hausbesitzer ihren Laden halt nicht verramschen wollen.

Der Experte Dr. Berentzen, sieht als Lösung sogar dirigistische Maßnahmen vor und meint, „dafür muss man die Vermieter kennen, im Austausch stehen, Wackelkandidaten identifizieren und bei der Nachbesetzung mitwirken“. So hat es in der ehemaligen DDR auch begonnen. Da hat der Staat und alle Theoretiker derartig viel „mitgewirkt“, bis Staat und Bürger endgültig bankrott waren.
Deswegen haben sich die Rosenheimer Stadträte schon bereits vor einiger Zeit mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass Rosenheim diesen sogenannten Flächenmanager bekommt. Zudem sollen die leerstehenden Gewerbeimmobilien in den Erdgeschosslagen digital erfasst werden, mit dem Ziel, die Entwicklungen am Immobilienmarkt zu dokumentieren, freie Immobilien zu bewerben und die Vermittlung an Interessenten zu unterstützen.
Denen ist scheinbar gänzlich unbekannt, dass z.B. im größten Immobilienportal, Immobilienscout 24, die Präsentation eines Ladens in Deutschland und Rosenheim von 839 Millionen Menschen in Europa gesehen werden kann. Dies mit 2 Dutzend Fotos vom Handy gemacht, alles kinderleicht zu bewerkstelligen. Kostet für 14 Tage € 119.-.
Man braucht die Innenstadt auch nicht noch mehr beleben, da die Menge der Menschen in der Innenstadt absolut reicht. Nur es erübrigen sich elegante Geschäfte, da die Mehrheit dieser Menschen kein Geld in der Tasche hat, um in hochwertigen Boutiquen und Geschäften zu shoppen.

Ideen eines Stadtrates, bei einem evtl. Leerstand von Karstadt dort einen „Seniorentreff“ zu etablieren, gehen da schon in die neue innovative Richtung. Und ein junger Redakteur fordert sogar flehend in den lokalen Medien, „ bitte habt mehr Mut beim Kampf gegen den Leerstand in Rosenheim“. Um diesem Flehen noch mehr Nachdruck zu verleihen, sollte dieser junge Mann beim nächsten Artikel mit Foto vielleicht mit Tränen in den Augen um mehr Mut bitten.
Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob dieser überhaupt die leiseste Ahnung von der Thematik hat, über die er hier belehren möchte.
Peter Rutz von den Grünen kommt da der Wirklichkeit am nächsten, in dem er sagt, „ihm sei es wichtig, positiv zu bleiben.“ Mehr kann man nämlich auch nicht tun.

Außer man stellt wieder ab, dass tausende Kleinlaster die Innenstädte zusätzlich zum übrigen Verkehr belasten, ständig nervend vor Ausfahrten und Halteverboten parken und täglich Millionen Kartons und Pakete im ganzen Land herumfahren. Von den Bergen von Packmaterial und dem anfallenden Müll gar nicht zu reden. Dieser Internethandel hat eine völlig neue Kultur geschaffen. Eine Kultur, die zur Verödung der Innenstädte führt, mit all den dramatischen Folgen. Existenzen werden zerstört, hunderttausende Verkäuferinnen werden arbeitslos usw..

„Historische Bausubstanz der Innenstadt wird veröden“

Veröden wird auch die historische Bausubstanz der Innenstädte, wenn den Hausbesitzern die Ladenmieten zur Erhaltung dieser nicht mehr zur Verfügung stehen. Dafür machen jetzt die Onlinedienste wie Amazon, Otto Group, Zalando usw. Milliarden Umsätze. Wenn man dies alles nicht mehr will, könnten z.B. sehr hohe Steuern auf die
Transportgebühren ( oder Ähnliches ), die Situation wieder umkehren.
(Quelle: Gastkommentar von Günther A. Gerhager / Beitragsbild: Symbolfoto re / Foto: re)