Rosenheim / Mecklenburg-Vorpommern – „Stell Dich nicht so an. Du musst Dir einfach ein dickeres Fell zulegen“. Leicht gesagt für Menschen, die ihre Umwelt sehr viel intensiver wahrnehmen und Eindrücke anders verarbeiten. 15 bis 20 Prozent der Menschen gelten als hochsensibel. Längst nicht alle wissen davon. Sie sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen quasi ohne Filter und nehmen auch die Launen und Stimmungen ihrer Mitmenschen auf. Weil sie Reize anders verarbeiten, brauchen sie auch mehr Ruhe. Tom aus Mecklenburg-Vorpommern ist so ein Mensch. Im Interview mit Innpuls.me spricht er darüber, wann er bemerkt hat, dass er hochsensibel ist und wie es ihm damit geht.
Frage: Tom, wenn jemand zu Dir sagt, Du wärst ein „Sensibelchen“, was löst das in Dir aus?
Antwort: Früher war ich deshalb beleidigt. Aber heute löst es nichts mehr in mir aus.
Frage: Wie macht sich Hochsensibilität bei einem Menschen überhaupt bemerkbar?
Antwort: Eine Frage, die man sehr ausführlich beantworten müsste. Das würde den Rahmen eines Interviews sprengen. Grob könnte man für das erste Verständnis sagen, dass man eine gewisse Überempfindlichkeit bei den Sinneswahrnehmungen und Gefühlen hat.
Frage: Wann hast Du bemekrt, dass Du hochsensibel bist?
Antwort: Bemerkt in gewisserweise schon von Kindesbeinen an. Nur hatte das anders sein als Andere da noch keinen Namen. Den bekam ich durch Zufall erst, als ich im Internet auf das Thema aufmerksam wurde. Da war ich ungefähr 30 Jahre alt.
Frage: Definierst Du Hochsensibilität als Krankheit?
Antwort: Nein, definitiv nicht. Auch wenn es Ähnlichkeiten mit dem Asperger Syndrom gibt.
Frage: Wenn Du deinen Mitmenschen erzählst, dass Du hochsensibel bist, wie reagieren sie im Allgemeinen darauf?
Antwort: Die meisten haben noch nie etwas davon gehört. Sie sind mir gegenüber sehr aufgeschlossen und wollen meist mehr darüber erfahren.
Frage: Du bist auch blind. Von Geburt an?
Antwort: Nein, ich bin erst mit Mitte 30 an Retinitis Pigmentosa erblindet.
Frage: Blind und hochsensibel. Gute oder schlechte Kombi?
Antwort: Für mich eine wunderbare Kombi. Die Hochsensibilität gleicht quasi manche Defizite aus, die durch die Blindheit entstehen.
Frage: Wie sieht Dein Alltag aus?
Antwort: Wie die jedes Anderen auch.
Frage: Wie nimmst Du Deine Mitmenschen wahr?
Antwort: Über die verbliebenen Sinne, den Verstand und emotionale Schwingungen, die ich empfange.
Frage: Was tust Du, wenn Du merkst, dass es jemanden nicht gut geht?
Antwort: Entweder ich spreche ihn direkt darauf an oder eher durch die Blume. Ich versuche dann, meine Hilfe anzubieten, insofern es möglich ist und man es zulässt.
Frage: Wie verarbeitest Du die vielen Eindrücke, die auf Dich einprasseln?
Antwort: In dem ich am Ende des Tages die Erlebnissse und Gefühle noch eine ganze Weile nachklingen lasse, um sie nicht mit in den Schlaf zu nehmen.
Frage: Du bist auf der Social-Media-Plattform Twitter sehr aktiv. Was gefällt Dir daran?
Antwort. Twitter ist für mich eine Art Tagebuch, indem ich Fragmente meiner Gedanken hinterlasse.
Frage: Aber auch auf Twitter sind unglückliche Menschen unterwegs, oder?
Antwort: Ja, wesentlich mehr als Glückliche. Es ist eine Vielfalt an verschiedenen Menschen mit den verschiedensten Lebensgeschichten und Problemen.
Frage: Haderst Du manchmal mit Deinem Schicksal?
Antwort: Früher sehr oft. Heute, wenn überhaupt, dann mal fünf Minuten alle paar Monate in bestimmten Situationen.
Frage: Was wünscht Du Dir von deinen Mitmenschen?
Antwort: Sehr viel mehr Mitmenschlichkeit und Zusammenhalt.
Frage: Was wünscht Du Dir für Dich selbst?
Antwort: Gesundheit und dass ich noch vielen Menschen helfen darf und kann.
(Quelle: Interview Karin Wunsam / Beitragsfoto: re)
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