Hilpoltstein / Bayern – Mit Blick auf den Naturschutz im Freistaat im Jahr 2022 freut sich der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) über Erfolge, sorgt sich aber wegen des trockenen Sommers gleichzeitig um einige Arten. Für seine Jahresbilanz hat der LBV beispielhaft drei Gewinner und drei Verlierer des Artenschutzes ausgewählt. „Mit Freude sehen wir die Erfolge, die wir vergangenes Jahr in Bayern beim Kleinspecht, Weißstorch und der stark gefährdeten Fledermausart Große Hufeisennase feiern konnten. Dagegen geraten Amphibienarten wie Alpensalamander und Grasfrosch, aber auch der Schwarzstorch im Freistaat immer stärker in Bedrängnis“, sagt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer.
Nicht leicht zu entdecken ist der charismatische Kleinspecht. Fotos: re
Ein Erfolg im Naturschutz 2022 war das LBV-Bürgerforschungs-Projekt für den Kleinspecht. Rund 160 Ehrenamtliche haben sich in ganz Bayern auf die Suche nach dem kleinsten unter den heimischen Spechten gemacht. „Der Kleinspecht und seine Lebensräume, allen voran Auwälder und alte Streuobstbestände, sind bayernweit gefährdet. Die Streuobstwiesen im Freistaat werden in Zukunft vom Bayerischen Streuobstpakt profitieren“, so Norbert Schäffer. Im Zuge der Kartierungen fanden drei Teilnehmende sogar jeweils eine sehr gut versteckte Bruthöhle des Kleinspechts. Im kommenden Jahr werden weitere Daten zum Kleinspecht gesammelt, um aus diesen ein Schutzkonzept zu erarbeiten. Die charismatische, jedoch nicht leicht zu entdeckende Vogelart eignet sich perfekt für fortgeschrittene Naturbegeisterte, die etwas tiefer in das Thema Vogelbeobachtung einsteigen und die wissenschaftliche Arbeit des LBV unterstützen wollen.
Der Weißstorch zählt zu den Gewinnern.
Ein weiterer Gewinner im bayerischen Naturschutz ist der Weißstorch. Im Jahr 2022 meldeten die ehrenamtlichen Horstbetreuer des LBV über 1.070 Storchenpaare im Freistaat. Das sind knapp 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Brutbestand im vergangenen Jahr stellt somit erneut einen Bestandsrekord seit Beginn der regelmäßigen Erfassung 1980 auf. Dafür verantwortlich sind Artenschutz-Maßnahmen im Brutgebiet und die Zunahme des Gesamtbestandes in Europa dank günstiger Überwinterungsbedingungen. „Die Koloniebildung der Weißstörche wird vermutlich auch in den nächsten Jahren anhalten. Dieser Ansiedlungsdruck führt allerdings auch zu Neuansiedlungen auf eher ungeeigneten Standorten, wie zum Beispiel beheizten Kaminen, dadurch erhöht sich der Beratungsaufwand des LBV deutlich über den Rahmen des Weißstorch-Monitorings hinaus“, erklärt Norbert Schäffer.
Die stark gefährdete Große Hufeisennase ist ebenfalls eine der Gewinnerarten im Jahr 2022. In der einzigen Wochenstube dieser Fledermausart in Deutschland, im LBV-Fledermaushaus im oberpfälzischen Hohenburg, dokumentiert der LBV erneut einen Geburtenrekord sowie einen weiteren Zuwachs an erwachsenen Tieren. In diesem Jahr fanden sich 405 geschlechtsreife Tiere in der Wochenstube ein und brachten 160 Jungtiere zur Welt. „Diese erfreuliche Entwicklung der Großen Hufeisennase zeigt, wie wichtig die Betreuung der einzigen Wochenstube ist. Da die Fledermausart nach wie vor stark gefährdet ist und deutschlandweit nur in dieser letzten Kolonie vorkommt, arbeitet der LBV daran, den ‚Hufis‘ weitere Wochenstubenquartiere anzubieten“, so der LBV-Vorsitzende
Zunehmender Tourismus gefährdet den schwarzen Alpensalamander.
Der komplett schwarz gefärbte Alpensalamander zählt zu den Arten, die der Naturschutz im Auge behalten muss. Für den unter europäischem Schutz stehenden Salamander hat Bayern eine besondere Verantwortung, da sich der deutsche Bestand – bis auf einzelne Vorkommen in Baden-Württemberg – hauptsächlich auf den bayerischen Alpenraum beschränkt. Die überwiegend dämmerungsaktiven Tiere sind bei Regen auch tagsüber unterwegs. LBV-Erfassungen im Alpenraum stellten fest, dass Alm-, Forst- und Wanderwege für Alpensalamander tödlich sein können, weil sie dort von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern überfahren oder von Fußgängern zertreten werden. Die Zunahme des Tourismus im Alpenraum erhöht somit auch die Gefahren für den Alpensalamander. Zusätzlich können Salamander- und Molcharten von dem tödlichen Hautpilz Bsal infiziert werden. LBV-Untersuchungen des Alpensalamanders zeigten bislang keine Nachweise auf den Pilz. „Zum Schutz des Alpensalamanders werden im kommenden Jahr weitere Tiere beprobt und auch die Erfassung auf Wegen wird fortgesetzt, um rechtzeitig Schutzmaßnahmen umsetzen zu können“, sagt Schäffer.
Trockenheit machte der Gelbbauchunke 2022 zu schaffen.
Frühjahr und Sommer im Freistaat waren geprägt von Hitze und wenigen Niederschlägen. Flache und kleine Gewässer, die für Amphibienarten extrem wichtig sind, trockneten deshalb aus. So fielen Laich und Larven von Arten wie Gelbbauchunke, Kreuz- und Wechselkröte, Laubfrosch sowie Moor- und Grasfrosch der Trockenheit zum Opfer. Selbst beim weit verbreiteten und noch relativ häufigen Grasfrosch haben die Betreuer*innen von Amphibienzäunen vielerorts festgestellt, dass die Zahlen rapide zurückgehen. „In solchen Jahren finden die Frösche nur wenig Nahrung, sind in schlechter körperlicher Kondition und pflanzen sich deshalb in der kommenden Laichzeit weniger fort. Umso wichtiger ist es, Feuchtlebensräume, wie Wiesen in Talauen und Laubwälder, nicht zu entwässern und im Sinne der Amphibien zu bewirtschaften“, betont der LBV-Vorsitzende.
Der Schwarzstorch zählt zu den Verlierern des Jahres 2022.
Ein Verlierer des Jahres ist auch der Schwarzstorch. Auch bei ihm sorgte die Trockenheit im Sommer für eine erheblich schlechtere Situation in wichtigen Nahrungslebensräumen, wie Waldbächen und angrenzenden, feuchten Wiesen. Außerdem wurde er von der Bundesregierung im Zuge der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes von der Liste windkraftsensibler Arten gestrichen. „Auch wenn es bislang nur wenige dokumentierte Kollisionen mit Windkraftanlagen gegeben hat, wird er doch durch deren Bau und Betrieb in den Wäldern, in denen er brütet, stark beeinträchtigt. Hinzu kommen Störungen durch forstliche Arbeiten im Umfeld der Brutplätze, die insbesondere aus kommunalen Wäldern berichtet wurden“, sagt Norbert Schäffer. Die beim Schwarzstorch in den letzten Jahren festgestellte positive Bestandsentwicklung droht deshalb in Gefahr zu geraten.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild, Fotos: Symbolfotos re)
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