Landkreis Traunstein – Erstmals in der Geschichte des Landkreises Rosenheim wagten die Verantwortlichen des Kreisfeuerwehrverbandes Traunstein die Durchführung einer zweitätigen Großübung: 600 Einsatzkräfte probten 35 Stunden den Ernstfall.
Eines der Szenarien: Aufgrund von Starkregen gelangt eine große Menge Öl in die Tiroler Ache. Ölsperren werden errichtet. Fotos: Kreisfeuerwehrverband Traunstein
Neben den heimischen Feuerwehren wurde sogar ein aus drei Zügen bestehendes Hilfeleistungskontingent aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen in die Übung eingebunden. Ein großflächiger Stromausfall im östlichen Landkreis, Öl in der Alz und der Traun sowie ein Waldbrand im Truppenübungsplatz Kammer waren die Folge von „Wetterkapriolen“ mit Stark- und Dauerregen sowie einer vorangegangen längeren Trockenheit, die in einem heftigen Gewitter endete. Ein Ziel bestand darin die Schichtfähigkeit der Einheiten zu testen, deshalb wurden viele Übungen im „Dreischichtsystem“ mit einer Gesamtbeteiligung von etwa 600 Helfern durchgeführt.
„Wir müssen uns mit dieser Dimension an Schadenslagen vertraut machen und uns auch darauf vorbereiten, dass Einsätze in der Größenordnung nicht mehr wie gewöhnliche Feuerwehreinsätze abgewickelt werden können“, betont Kreisbrandrat Christof Grundner am Rande der 35-Stundenübung. Die Feuerwehren hatten sich im Vorfeld mehrere Ziele gesteckt, die sie verfolgt und geprobt hatten. Dabei standen insbesondere die „Katastrophenszenarien“ großer Waldbrand, Öl auf Gewässer und das Blackout Thema im Zentrum des Testes. „Wenn sich Schadenslagen auf einen derart großen Bereich ziehen rückt auch unweigerlich die Versorgungs- und Logistikaufgabe für Helfer und Material in den Blickpunkt des Geschehens“, so der Kreisbrandrat.
Helfer aus dem nördlichen Oberbayern vor Ort
Nachdem im Landkreis Traunstein bereits im Rahmen des schneereichen Winters im Jahr 2019 externe Kräfte von Hilfeleistungskontingenten in der Region waren, wollte man dies auch in die diesjährige Katastrophenschutzübung einbauen. Dazu hatte man im Vorfeld Kontakt zum Landkreis Neustadt-Schrobenhausen aufgenommen und mit dem dortigen Kreisbrandrat Stefan Kreitmeier diesen überregionalen „Langstreckentest“ vereinbart. Mit rund einhundert Einsatzkräften traten die Gäste aus der Donauregion am Freitag in den frühen Morgenstunden die Anreise an und trafen gegen Mittag im zugeteilten Quartier am Chiemgaugymnasium ein. Angefordert war ein Pumpenzug sowie eine Einheit zur Waldbrandbekämpfung und die Ausrüstung zum Errichten von Ölsperren.
„Damit man ein Hilfeleistungskontingent anfordern kann muss man den Katastrophenfall festgestellt haben. Diesen formellen Akt hat das Landratsamt Traunstein zu Übungszwecken bereits am Donnerstagnachmittag durchgeführt, was uns diese Anfrage erlaubte“, informiert Christof Grundner. Gleichzeitig mit den Ausrufen des Katastrophenfalls wurde auch der gesamtverantwortliche Örtliche Einsatzleiter Günter Wambach bestellt und der aus Mitgliedern der Kreisbrandinspektion sowie von Personal aus Feuerwehr-Führungsstellen besetzte Krisenstab im Landratsamt aktiviert. Dort liefen die Fäden zusammen und die Mitglieder kümmerten sich um sämtliche Anforderungen und Anfragen aus den jeweiligen Schadensorten. In zahlreichen Besprechungen wurde die Gesamtlage zusammengetragen und Entscheidungen über die weitere Vorgehensweise getroffen. Gleichzeitig waren die Feuerwehr-Führungsstellen eingebunden oder in „Alarmbereitschaft“ versetzt.
Beste Übungsbedingungen im Truppenübungsplatz Kammer
Der Truppenübungsplatz der Bundeswehr in Kammer bildete einen der Übungsschwerpunkte. „Wir wollten herausfinden, ob wir mit unseren Hochleistungspumpen in der Lage sind, über einen längeren Zeitraum große Mengen Wasser zu fördern“, sagte der Fach-Kreisbrandmeister für „Sondereinheiten“ Matthias Seidenfuß. Dazu waren alle vier Pumpenzüge des Landkreises sowie die Pumpe aus dem Landkreis Schrobenhausen eingesetzt, um über eine Förderstecke von 1,1 Kilometer Wasser aus der Traun bei Leiderting in das Bundeswehrgelände zu fördern. Über einen Zeitraum von 15 Stunden schafften es die Beteiligten eine durchschnittliche Minutenförderleistung von knapp 8.000 Litern zu transportieren. „Über die gesamte Übungszeit haben wir rund 7,6 Millionen Liter Wasser gefördert, eine Menge, die mit herkömmlichen Feuerlöschkreiselpumpen nicht zustande gekommen wäre“, freute sich Matthias Seidenfuß.
Einem Waldbrand mit einer Ausdehnung von mehr als 1.000 Quadratmetern sowie rund zehn verletzten Personen standen die örtlich zuständige Feuerwehr Kammer rund um den Kommandanten Alois Wimmer, der als Abschnittsleiter eingesetzt war, sowie die Waldbrandeinheiten des Landkreises Traunstein mit der Unterstützung des Hilfeleistungskontingentes gegenüber. Sie waren mehrere Stunden lang damit beschäftigt, eine Riegelstellung aufzubauen und die Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Gleichzeitig mussten zahlreiche Bewohner eines angrenzenden „Dorfes“ in Sicherheit gebracht und medizinisch erstversorgt werden. „Es war für uns eine extrem lehrreiche Übung, die gerade im Hinblick der Strukturen im Katastrophenfall viele wertvolle Erkenntnis gebracht hat“, sagte Alois Wimmer.
Übungsschwerpunkt Öl auf dem Gewässer an Traun und Alz
Abschnittsleiter Alexander Heide und die Einheiten der sogenannten „Ölwehr“ waren unterdessen mit einem ganz anderen Problem beschäftigt. Eine große Menge Öl gelangte über die Tiroler Ache aus den benachbarten österreichischen Bundesländern Salzburg und Tirol in Folge von Starkregenfällen in den Chiemsee. An dessen Hauptabfluss, der Alz, mussten deshalb im Bereich Altenmarkt, Trostberg und Tacherting Ölsperren eingezogen werden. Darüber hinaus wurde am Tachertinger Wehr eine sogenannte Ölseparationsstelle aufgebaut, damit man den Gefahrenstoff aus dem Wasser entfernen konnte. Innerhalb weniger Stunden ist es den Teilnehmern gelungen, die Schutzmaßnahmen durchzuführen und die gesamte Nacht durch, das Öl bestmöglich aus dem Gewässer zu entfernen. Dazu wurde von den Teilnehmern ein 50.000 Liter fassender Spezialtank zur Lagerung aufgebaut. „Es war schon eine Herausforderung, aber alle Helfer vor Ort haben wirklich alle an einem Strang gezogen, damit die Übungsziele erreicht wurden“, betonte Alexander Heide.
Testlauf für Blackout Einsatzkonzept
Ein flächiger Stromausfall im Östlichen Landkreis beschäftigte die Feuerwehren insbesondere am Samstagvormittag. „Nichts geht mehr“, so die Übungsannahme. Kein Strom, kein Telefon und keine Funkverbindung, so sah es das Szenario vor. Deshalb wurde die Feuerwehr-Führungsstelle Salzach im Feuerwehrhaus Fridolfing mit Aktiven de Feuerwehren Fridolfing und Pietling besetzt, die als Ansprechpartner zur Verfügung standen. Gleichzeitig wurden sogenannte Kurierfahrzeuge aktiviert, die von Feuerwehrhaus zu Feuerwehrhaus gefahren sind und „Lagemeldungen“ sowie „Anforderungen“ überbracht haben. Fiktiv wurden dann noch unzählige Stromaggregate, Lichtmasten und rettungsdienstliche Kräfte angefordert, die vor Ort benötigt wurden. Nachdem am Samstagmorgen Kreisbrandrat Christof Grundner die Örtliche Einsatzleitung übernommen hatte, fungierte Kreisbrandinspektor Günter Wambach als Abschnittsleiter.
„Machen was wirklich zählt? Unbezahlbar!“
Gerade bei Einsätzen, die über einen längeren Zeitraum laufen kommt dem Einsatzabschnitt „Logistik und Versorgung“ eine Schlüsselrolle zu. Helferinnen und Helfer müssen Essen und Trinken versorgt werden, Gerätschaften benötigen Betriebsmittel und Ausrüstungsgegenstände müssen von einem zum anderen Ort gebracht werden. Diese und weitere Aufträge musste das Logistikteam rund um Abschnittsleiter Martin Schupfner und seine Stellvertreter bewerkstelligen. Die Versorgung der Einsatzkräfte wurde von der Bundeswehr übernommen, die mit mehreren Soldaten die Speisen und Getränke zum Truppenübungsplatz gebracht haben und dort eine Essensausgabe eingerichtet hatten. „Es gibt fast nichts, was es nicht gibt“, schmunzelte der Abschnittsleiter im Nachgang an die Übung und stellte fest, „dass gerade dieser Bereich schwer zu planen ist und wir immer wieder vor Herausforderungen standen“.
Erstmals in der Geschichte wurde im Landkreis Traunstein eine mehrtägige Übung im „Dreischichtbetrieb“ durchgeführt. Daran waren in den beiden Übungstagen rund 600 Frauen und Männer beteiligt.
„Viele Dinge sind wirklich gut gelaufen aber bei manchen Aufgabenstellungen haben wir noch Hausaufgaben zu machen“, so die erste Einschätzung von Christof Grundner am Ende des Übungsmarathons. Gleichzeitig betont er aber auch, „dass wir ja Übungen ansetzen, um Stolperstellen bei echten Einsätzen zu vermeiden und um Handlungsbedarf zu erkennen“. Seiner Meinung nach sind die Feuerwehren und Hilfsorganisationen im Landkreis Traunstein gut aufgestellt, „diese Flächenlagenübung trägt aber einmal mehr dazu bei, dass man Optimierungen und Verbesserungen in Angriff nehmen kann, damit man das Schutzniveau für die Menschen in der Region und die Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, kontinuierlich zu verbessern“.
Seinen Dank bei der offiziellen Verabschiedung des Hilfeleistungskontingents richtete er an alle Beteiligen, die viele Stunden ihrer Freizeit aufgebracht und sich den Herausforderungen gestellt haben. Darin eingeschlossen die Frauen und Männer im Hintergrund, die mit Vorbereitungen beschäftigt waren oder als Übungsbeobachter die Abläufe festgehalten haben. Die diesjährige Katastrophenschutzübung ist unter dem Motto „„Machen was wirklich zählt? Unbezahlbar!““ gelaufen, die Kernbotschaft der in der kommenden Woche startenden „Feuerwehr Aktionswoche“. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Feuerwehr bayernweit von ehrenamtlichen Schultern getragen wird.
(Quelle: Pressemitteilung Kreisfeuerwehrverband Traunstein – hob / Beitragsbild, Fotos: Kreisfeuerwehrverband Traunstein)
0 Kommentare