Rosenheim – Elisabeth Block gehört zu den Rosenheimer Juden, die während der NS-Zeit ermordet wurden. Ihre Tagebücher sind jetzt online frei zugänglich beim Stadtarchiv Rosenheim.
Das Stadtarchiv Rosenheim bekennt sich zur Idee des „Open Access“, die für eine kosten- und barrierefreie Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Veröffentlichungen steht. Dies trägt idealerweise zur Förderung einer demokratischen Wissenskultur bei. „Open Access“ bezeichnet im erweiterten Sinne auch den möglichst niederschwelligen Zugang zum Kulturerbe allgemein.
Diesem Ideal folgend hat das Stadtarchiv Rosenheim kürzlich eine der bekanntesten zeithistorischen Überlieferungen aus Rosenheim und Umgebung im Internet veröffentlicht, nämlich die Tagebücher der jüdischen NS-Verfolgten Elisabeth Block.
Sie wurde als erstes von drei Kindern der Eheleute Fritz und Mirjam Block in Niederburg bei Rosenheim geboren. Der Vater kaufte dort 1921 ein Anwesen und gründete eine Gärtnerei. Im Alter von acht Jahren begann das Mädchen Tagebuch zu schreiben und darin schildert sie zunächst ein harmonisches Familienleben in einer scheinbar ungestörten Idylle.
Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschwindet der Frohsinn aus ihrem Tagebuch. Ab November 1938 beschreibt sie die immer schlimmer werdende Lage der Juden in Deutschland und damit auch für sie selbst und ihrer Familie. Reichsprogromnacht ermordet, das Wandern in den Bergen wird ihnen als Juden verboten, an der Kleidung müssen sie den gelben Davidstern tragen, der Vater wird zur Zwangsarbeit verpflichtet und sie und ihre Geschwister dürfen nicht mehr zur Schule gehen sondern müssen auf Bauernhöfen in der Umgebung arbeiten.
Im Oktober 1941 spiegelt das Tagebuch die Angst der 18-jährigen wider. Elisabeth ist tief erschüttert, als sie von der Deportation norddeutscher Verwandter erfährt und blickt verzweifelt in die Zukunft: „Entsetzlich diese Ungewisse, diese Angst um sein bisschen Leben und beinah kein Ausweg, grauenhaft; nur noch an Gott kann man sich klammern und immer wieder bitten und nicht verzagen Es kann doch nicht mehr ewig dauern diese Zeit“.
Im Frühjahr 1942 wurde die Familie Block über das Sammellager Milbertshofen in das Lager Piaski deportiert und in einem der nationalsozialistischen Vernichtungslager ermordet.
Großes Potential für historisch-politische Bildungsarbeit
Die Bereitstellung der Tagebücher von Elisabeth Block erfolgt in zwei Formaten:
Erstens sind nun Scans der Original-Tagebücher, die seit 2012 im Stadtarchiv Rosenheim aufbewahrt werden, über dessen Website in einer Online-Datenbank frei zugänglich. Dadurch können Interessierte jederzeit und überall auf das Material zugreifen. Das Stadtarchiv erkennt in den Tagebüchern vor allem ein großes Potential für die historisch-politische Bildungsarbeit.
Zweitens steht unter www.stadtarchiv.de jetzt auch die Publikation „Erinnerungszeichen: Die Tagebücher der Elisabeth Block“ in digitalisierter Form frei zur Verfügung. Dabei handelt es sich um eine editierte Version der Tagebücher, die 1993 gemeinsam vom Haus der Bayerischen Geschichte und dem Historischen Verein Rosenheim veröffentlicht wurde. Die Edition ist der zwölfte Band der Reihe „Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Stadt und des Landkreises Rosenheim“. Sie enthält Transkripte der Tagebücher, Briefe aus dem Umfeld der Familie Block, Fotografien und zusätzliche historische Dokumente.
Wissenschaftliche Beiträge ergänzen die Edition: Sie befassen sich mit der Biografie und Verfolgung der Familie Block in der NS-Zeit, den in den Tagebüchern von Elisabeth Block behandelten Themen sowie der Wiederentdeckung der Tagebücher ab Mitte der 1980er Jahre. Die Edition wurde damals von Manfred Treml, Peter Miesbeck und Evamaria Brockhoff redigiert.
(Quelle: Pressemitteilung Stadt Rosenheim und Artikel Innpuls.me / Beitragsbild: Archiv Innpuls.me)
0 Kommentare