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Schrecksekunde in der Bartgeiernische

Bartgeier

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

13. Juni 2024

Lesezeit: 2 Minute(n)

Berchtesgaden / Hilpoltstein – Schrecksekunde in der Bartgeiernische in Berchtesgaden: Jungvogel Wiggerl fiel rückwärts über die Felskante aus der Nische und 30 Meter hinab in steiles Gelände. Fliegen kann er derzeit noch nicht.

Zu dem Vorfall kam es am vergangenen Montag (10.6.2024). Am späten Nachmittag kam es zwischen den beiden Ende Mai ausgewilderten Jungvögeln Vinzenz und Wiggerl in in ihrer Felsnische zu einer kleinen aber völlig normalen Auseinandersetzung. Als Wiggerl ausweichen wollte, passiert es. Er fiel aus der Nische und stürzte ab. Sich abzufangen war dem Junggeier nicht möglich, da diese Vögel in diesem Alter noch nicht fliegen können.
Schnell konnte aber aufgeatmet werden. Nur kurze Zeit nach dem Sturz barg das Projektteam von LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und Nationalpark Berchtesgaden den Vogel unverletzt und brachten in sicher zurück in die eingezäunte Nische.

„Da Projektmitarbeitende tagsüber die Nische von einem Beobachtungsplatz durchgehend überwachen, konnten sie nach Wiggerls Sturz sofort ein Expertenteam von LBV und Nationalpark informieren, das bereits kurze Zeit später für eine erste Einschätzung der Situation vor Ort sein konnten“, erklärt LBV-Bartgeierexperte Toni Wegscheider. Aus der Ferne analysierten die Fachleute die Position des Vogels und sein Verhalten. Dabei wurde schnell klar, dass sein Sitzplatz in einer stark durch Steinschlag gefährdeten Felsrinne lag, was sofortiges Handeln erforderte.

Wiggerl sollte deshalb umgehend seinen Standort wechseln, indem der Geier entweder vorsichtig in sichereres Gelände getrieben oder eingefangen und in die Felsnische zurück transportiert wird. „Auch bei anderen Auswilderungsprojekten im Alpenraum und bei natürlichen Bruten ist es schon vorgekommen, dass junge Bartgeier mal aus dem Horst fallen. Dank des intensiven Austausches mit internationalen Experten waren wir auf ein solches Ereignis vorbereitet“, so Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.

Wiggerl war nach dem Sturz sichtlich geschockt

Während ein kleines, alpinerfahrenes Team zur Rettung Wiggerls in den Steilhang unterhalb der Nische aufstieg, informierten es die weiter entfernten Beobachter per Funk über das Verhalten des Geiers und das unübersichtliche Gelände. „Immerhin hat uns Wiggerl den Gefallen getan, dass er in einer Regenpause, bei noch ausreichend Tageslicht und in eine einigermaßen zugängliche Felsumgebung abgestürzt ist“, scherzt Toni Wegscheider im Nachhinein. Als sich das Kletter-Team näherte, machte der junge Geier keine Anstalten zur Flucht. Er saß sichtlich geschockt über den Vorfall zusammenkauert auf einem Felsvorsprung. So konnten ihn die Experten ohne große Gegenwehr mit einer übergeworfenen Decke einfangen. In einer Transportkiste ging es dann wieder hinauf in die Nische, in der Artgenosse Vinzenz die Rückkehr von Wiggerl reglos beobachtete. Nach einem kurzen Gesundheitscheck zog sich das Expertenteam sofort wieder zurück und beobachtete aus größerer Distanz die Wiedereingewöhnung des Geiers in seine vertraute Umgebung ohne weitere Auffälligkeiten.

„Dieser Vorfall zeigt wieder einmal, wie wichtig unser großer Betreuungsaufwand für die Bartgeier ist. Jeder einzelne Vogel hat eine enorme Bedeutung für die erfolgreiche Rückkehr der Art in die Alpen, sodass wir mit hohem Personal- und Technikeinsatz für eine größtmögliche Sicherheit der Jungtiere sorgen wollen“, so Ulrich Brendel. Die Überwachung durch mehrere Livekameras in der Nische und die ständige Beobachtung der Vögel vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung durch Nationalpark-Praktikanten und LBV-Mitglieder in einem Unterstand vor Ort, sorgten bislang stets für einen glücklichen Ausgang kritischer Situationen. Brendel weiter: „Das Faszinierende am Bartgeier ist, dass Jungvögel mit nur 90 Lebenstagen ausgewildert werden können und dabei ihr lebenswichtiges biologisches Programm für ihr künftiges Leben bereits vollkommen gespeichert haben. Dennoch ist in dieser ersten Lebensphase, vom Besetzen der Felsnische, über die ersten Flugversuche bis hin zum Verlassen des Gebietes eine intensive Betreuung durch Projektmitarbeitende unerlässlich“.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Symbolfoto re)

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