Bayern – In Bayern sind durch die Einschleppung gebietsfremder Krebsarten nach Einschätzung des LfU (Landesamt für Umwelt) bereits gut die Hälfe aller heimischer Flusskrebsbestände verschwunden. Mit einem Artenhilfsprojekt stemmt man sich dagegen. Aber es ist ein schweres Ringen.
„Wieder mal ein Signaler.“ So lautet das ernüchternde Fazit des Krebsexperten Christoph Graf vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) angesichts seines Fangs in einer Krebsreuse. Zusammen mit dem lokalen Fischereibrechtigten hatte er diesen früh morgens aus einem kleinen Bach in Oberbayern gefischt. Der „Signaler“ ist der ursprünglich aus Amerika stammende Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus). Diese invasive Flusskrebsart macht gut 70 Prozent der Meldungen nicht-heimischer Krebse in Bayern aus und ist ein ernstzunehmendes Problem.
Invasive Flusskrebsarten sind Träger der Krebspest
Ursprünglich gab es in Bayern nur zwei Flusskrebsarten: den Edelkrebs (Astacus astacus) und den Steinkrebs (Austropotamobius torrentium). Leider werden beide Arten immer seltener. Die Gründe sind vielfältig: steigende Wassertemperaturen, Stoffeinträge, aber vor allem die stetige Ausbreitung invasiver Flusskrebsarten. Um die Arten besser schützen zu können sind beide heimischen Krebsarten in der sogenannten Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie aufgeführt. Hier werden Tiere, Pflanzen und Lebensräume gelistet, die europaweit besonderen Schutz benötigen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem zusammenhängenden Schutzgebietsnetz „Natura 2000“. Aktuell gibt es bei uns vier gebietsfremde, aus Nordamerika eingeführte Arten: den Signalkrebs, den Kamberkrebs (Faxonius limosus), den Roten Amerikanischen Sumpfkrebs (Procambarus clarkii) und den Marmorkrebs (Procambarus fallax f. virginalis). Diese Arten sind meist konkurrenzstärker als unsere hiesigen Krebse: sie pflanzen sich beispielsweise öfter oder effizienter fort oder sind aggressiver und kommen in höheren Dichten vor.
Das Hauptproblem liegt jedoch in ihrem gefährlichen „Reisegepäck“: die invasiven Krebsarten sind Träger der sogenannten Krebspest. Gegen diese von einem Pilz ausgelöste Tierseuche sind die amerikanischen Arten in der Regel immun, während eine Ansteckung für die heimischen Krebse immer tödlich verläuft. Im Umgang mit den amerikanischen Krebsen oder beim Einsatz am mit invasiven Krebsen bewohnten Gewässern sind daher höchste Vorsicht und im Anschluss gewissenhaftes Desinfizieren der Ausrüstung geboten. Denn ein einziger infizierter Krebs oder sogar nur die Pilzsporen, angehaftet an einem nassen Keschernetz, an Gummistiefeln oder im Restwasser eines Eimers oder Bootes, reichen aus, um einen ganzen lokalen Bestand heimischer Krebse auszulöschen.
Auch in immer mehr Seen finden sich invasive Krebse
Daher können die invasiven Krebsarten auch ohne große Verdrängungskämpfe in neue Gebiete einfallen und verbreiten sich bisher schnell und stetig weiter. So sind mittlerweile nicht nur in den großen Flüssen, wie Donau, Main oder Isar invasive Krebse beheimatet, sondern auch in vielen Seen, wie im Ammersee oder dem Starnberger See. „Wir müssen die Verbreitung der invasiven Arten so schnell wie möglich stoppen, um unsere heimischen Arten zu schützen,“ sagt Jeremy Hübner. Auch er arbeitet beim LfU und kümmert sich im Zuge des Artenhilfsprogramms um den Schutz des heimischen Steinkrebses. „Gezielter Fang, Besatz mit Raubfischen oder andere Methoden funktionieren nicht oder nur bedingt. So lange es keine effektive Formen der Bekämpfung gegen die Krebspest gibt, kann man nur mit Krebssperren arbeiten.“ Diese Vorrichtungen im Gewässer verhindern, dass invasive Krebse flussaufwärts in neue Regionen vordringen können und berücksichtigen auch, dass Flusskrebse kurze Strecken über Land gehen. Ziel der beiden Biologen ist es 50 solcher Installationen in den nächsten Jahren zu schaffen.
Verwechslungsgefahr mit heimischen Arten ist groß
Leider dringen dennoch invasive Flusskrebse immer wieder in Gewässer ein, die sie aus eigener Kraft eigentlich gar nicht erreichen können. Grund hierfür ist, dass einheimische und invasive Arten oft verwechselt und dadurch versehentlich die „falschen Krebse“ in Gewässer eingebracht werden. So kann beispielsweise die Körperfärbung stark variieren (es gibt sogar komplett blaue Exemplare), was die Bestimmung erschweren kann. So geschah es an dem Bächlein Urtel in Grafing. Die lokale Zeitung berichtete hier von der erfolgreichen Wiederansiedelung von Flusskrebsen, die Tiere seien vor über 20 Jahren besetzt worden und hätten nun wieder einen stabilen Bestand aufgebaut. Allerdings handelte es sich bei den „wiederangesiedelten Ureinwohnern Grafings“ (Quelle: Müncher Merkur, 31.08.2023) um den invasiven Signalkrebs. Problematisch ist das nicht nur für die heimischen Krebse. Auch andere Bachbewohner, wie Fische, Muscheln oder Kleinlebewesen am Gewässergrund leiden unter den gefräßigeren Amerikanern.
Zurück am Bach packt Christoph Graf den Reusen-Fang vorsichtig in einen Transporteimer. Er achtet penibel darauf kein Bachwasser auf die sonstige Ausrüstung zu tropfen, alles wird anschließend desinfiziert. „Wenn wir die Krebspest aus Versehen mit auf unsere Anlage in Wielenbach bringen würden, wäre das eine absolute Katastrophe.“ In der Teich- und Fischzuchtanlage des LfU in Wielenbach werden seit einiger Zeit Edelkrebse und der noch viel anspruchsvollere Steinkrebs für Wiederansiedelungszwecke vermehrt. Dieses in Bayern einmalige Programm soll vor allem dem Steinkrebs in den Bachoberläufen wieder auf die Beine helfen.
Mithelfen können übrigens alle! Jegliche Sichtung von Flusskrebsen in Bayern hilft den Experten am LfU, mehr Wissen über die Verbreitung der Arten zu generieren und dieses möglichst aktuell zu halten. Über die Mailadresse flusskrebs@lfu.bayern.de können Sichtungen gemeldet werden. Dazu ist auf der Homepage des LfU ein Meldeformular hinterlegt. Außerdem gibt es nützliche Steckbriefe zu allen in Bayern verbreiteten Krebsarten.
(Quelle: Pressemitteilung Bayerisches Landesamt für Umwelt / Beitragsbild: Copyright LFU)
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