München / Bayern – Mit dem Gehirn Computer direkt steuern – Früher Stoff für Science Fiction, heute Realität. Ende Oktober 2024 startet der Cybathlon. Ein Studententeam der TU München schickt Leon Lucas Joonatan Jokinen ins Rennen, der nach einem Badeunfall vor sieben Jahren Arme und Beine nicht mehr bewegen kann.
Als Pilot muss Leon Lucas Joonatan Jokinen allein mit der Kraft seiner Gedanken verschiedene virtuelle Aufgaben bewältigen. Es geht beispielsweise darum, einen Rollstuhl-Avatar durch einen Raum zu steuern, einen virtuellen Roboterarm für eine Eismaschine optimal zu positionieren und eine Zeitlang zu halten sowie auf einem Bildschirm ein Icon zu finden und darauf zu klicken. „Für diese Aufgaben braucht es eine mentale Strategie“, sagt Jokinen. „Sich fokussieren auf eine Bewegung, die man selbst nicht ausführen kann“, benennt der 25-jährige die Anforderung, dem es Spaß macht, die ungenutzten Areale seines Gehirns wieder zu aktivieren.
„Cool, bei einem solchen Zukunftsprojekt dabei zu sein“
Als Medizinstudent kennt er sich aus mit den Fähigkeiten des menschlichen Körpers, und auch mit der Neuroplastizität des menschlichen Gehirns. So nennt man die Fähigkeit der Hirnzellen, sich ständig anzupassen und ein Stück weit neu zu erfinden, je nach Anforderung. Bis zum Wettbewerb trainiert der Student wöchentlich mehrere Stunden: „Es ist cool, bei einem solchen Zukunftsprojekt dabei zu sein.“
Er trägt dafür ein Netz über dem Kopf, an dem 24 Sensoren angebracht sind. Über ein Elektroenzephalogramm (EEG) kann damit die Aktivität von Gehirnarealen gemessen werden. Ein Computer empfängt diese Informationen, erkennt Muster und leitet daraus Aktionen ab. Bewegt ein Mensch etwa die rechte Hand, zeigt sich ein bestimmtes Muster im EEG, das der Rechner in eine Bewegung auf dem Bildschirm übersetzt. Selbst, wenn die Hand gelähmt ist, können diese Hirnregionen noch aktiviert werden. Ein Brain-Computer-Interface ist geschaffen.
EEG-Geräte gespendet und durch Freunde der TUM unterstützt
2022 entstand im neuroTUM-Team die Idee dafür. „Wir haben geschaut, an welchen Themen wir arbeiten wollen und an welchen Wettbewerben wir teilnehmen könnten“, erläutert Elektrotechnik-Studentin Isabel Tscherniak. „Beim Cybathlon klang der Wettbewerb mit der Hirn-Computer-Schnittstelle sehr spannend.“ Inzwischen ist die anfänglich vage Idee sehr konkret geworden. Eine Herstellerfirma spendete ein portables EEG-Gerät und die „Freunde der TUM“, ein Zusammenschluss von Emeriti, Professoren und Alumni, unterstützen die Studierenden finanziell.
Im Rahmen von neuroTUM arbeiten aktuell etwa zwanzig Studierende aus diversen Lehrstühlen daran, Signale sauber zu verarbeiten, Muster mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen zu klassifizieren, zu experimentieren und das System nicht nur echtzeitfähig zu machen, sondern immer wieder zu testen und zu verbessern. „Die Systeme robust und lauffähig zu machen, ist sehr komplex“, sagt Informatik-Student Iustin Curcean. „Wir sind oft stundenlang dran, Fehler zu finden zu beheben.“
Für den Cybathlon 2024: Wöchentliche Trainings mit dem Piloten
Vor allem aber bedeutet die Vorbereitung auf den Wettbewerb für die Studierenden, dass sie ihre Zeit in ein Projekt investieren, das sie neben den anstehenden Klausuren stemmen müssen. „Wir haben alle zwei Wochen Meetings, in denen wir die nächsten Schritte und To-Dos besprechen“, erläutert Isabel Tscherniak. Hinzu kommen, so kurz vor dem Wettbewerb, wöchentliche Trainings mit dem Piloten Leon Lucas Joonatan Jokinen. Wichtig ist, dass das Team funktioniert. „Es muss auch eine gute Zusammenarbeit sein, denn für uns ist es ja eine Freizeitaktivität“, sagt Iustin Curcean. „Nur wenn wir an einem Strang ziehen und wenn‘s sein muss auch mal bis Mitternacht dran bleiben, sind wir am Ende auch erfolgreich.“
(Quelle: Pressemitteilung TUM / Beitragsbild: Copyright Andreas Schmitz/TUM)
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