Traunstein – Unter dem Titel „Verfolgung und Widerstrand in der NS-Zeit im Chiemgau“ wurde im Vereinshaus eine Ausstellung eröffnet, die den Schwerpunkt auf die lokalen und politischen Geschehnisse in den 20er, 30er und 40er Jahre des letzten Jahrhundert legt.
Friedrich Mühldorfer führte die Gäste bei der Eröffnung durch die regionale Zeitgeschichte der NS-Zeit. Fotos: Hubert Hobmaier
„Es schaudert mich, wenn ich daran denke, dass das NS-Regime auch in unserer Heimat für Furcht und Schrecken gesorgt hat und viele Menschen unter darunter leiden mussten und zu Tode kamen“, betont die treibende Kraft Svetlana Teterja-Pater. Bis zum 3.6. sind im Vereinshaus Traunstein an der Trauner Straße zahlreiche eindrückliche Schautafeln mit Bild- und Textnachweisen ausgestellt. Bei freiem Eintritt ist sie Montag bis Freitag in der Zeit von 14 Uhr bis 18 Uhr sowie am Samstag zwischen 10 Uhr und 14 Uhr geöffnet. Die ursprüngliche Ausstellung wurde bereits vor 30 Jahren durch den Kreisjugendring Traunstein konzeptioniert und nun anlässlich der bevorstehenden Europawahl sowie den weltweiten politischen Entwicklungen „auf aktuellen Stand gebracht“.
Sieben Schulklassen nutzten das Angebot
Im Rahmen des Eröffnungsabends betonte der stellvertretende Vorsitzende Andreas Hunglinger, „dass wir uns im Rahmen einer Vorstandssitzung darauf geeinigt haben, die Ausstellung vom Dachboden zu holen, um sie erneut der Öffentlichkeit zu präsentieren“ und gab weiter an, „dass wir hier im Vereinshaus Traunstein Dank unseres Vorstandsmitgliedes Svetlana Teterja-Pater schnell fündig geworden sind“. Bereits im Vorfeld besuchten sieben Schulklassen aus Traunstein die Ausstellung und wurden durch Friedbert Mühldorfer fachlich begleitet.
Svetlana Teterja-Pater war die treibende Kraft, dass die Ausstellung wieder gezeigt wird – sie lebt ganz in der Nähe des Traunsteiner Viadukts.
Der ehemalige Lehrer und Mitgestalter der Ausstellung betonte in seiner kurzen Ansprache, „gerade der lokale Bezug spricht die Menschen an und es gäbe zahlreiche Möglichkeiten, sich im Rahmen von Seminararbeiten in Schulen mit dem Thema auseinander zu setzen“. Gleichzeitig betonte er, „eigentlich hätte dieses Werk eine dauerhafte Ausstellung im Landkreis Traunstein verdient, damit sich gerade die junge Generation mit der Geschichte kritisch auseinandersetzen kann“.
„Aus der Geschichte lernen“
In seinem Grußwort zitierte Eduard Niederlöhner, der ehemalige Vorstand des Kreisjugendrings und Initiator der Ausstellung den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker, „Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man gar nicht. Sie lässt sich nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“, so Eduard Niederlöhner, der gleichzeitig seine Freude zum Ausdruck brachte, dass die Ausstellung nun erneut der Öffentlichkeit präsentiert wird und bei den Schulklassen regen Zuspruch fand.
Stellvertretender Vorsitzender des KJR, Andreas Hunglinger bei der Eröffnung.
„Aus der Geschichte lernen war damals unser Antrieb“, so Eduard Niederlöhner und gab an, von dem jüdischen Sprichwort „Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“ geleitet worden zu sein. Die damaligen Verantwortlichen waren zudem „von der Hoffnung getragen, dass sich der Nazi-Terror in der NS-Zeit niemals wiederholt“.
NS-Regime war auch im Chiemgau aktiv
Durch die Ausstellung am Eröffnungsabend führte Friedbert Mühldorfer. Diese spannt einen Bogen beginnend vom verlorenen 1. Weltkrieg über die zunehmende Polarisierung und Radikalisierung in den zwanziger Jahren. Zahlreiche Bildzeugnisse wie ein Auftritt Adolf Hitlers in der vollbesetzten Traunsteiner TVT-Halle oder in Schleching sind Zeugnisse dafür, dass das NS-Regime auch im Chiemgau und Rupertiwinkel sehr aktiv war. Weiter widmet sich die die Ausstellung der Machtübernahme 1933 und präsentiert wiederum zahlreiche „Zeitzeugnisse“ aus Traunstein und dem gesamten Landkreis.
Sie befasst sich aber auch mit dem Konzentrationslager in Dachau und beleuchtet, wie Andersdenkende und politische Gegner gezielt und mitunter gewaltsam „ausgeschaltet wurden“. Sehr eindrücklich schilderte Mühldorfer beispielsweise, dass im Jahr 1933 erstmals 27 Gefangene aus Traunstein nach Dachau transportiert wurden und der bekannte KPD-Stadtrat Hans Braxenthaler als erstes Todesopfer des NS-Regimes in der Region gilt. „Dieser hat sich in seinem Versteck am Hochberg auf Grund seines Auffindens durch die Suchmannschaften der Gestapo sowie nach schwerer Misshandlung das Leben genommen“, so Mühldorfer.
„Traunsteiner Glockenstreick“ sorgte für Unruhe‘
Die Ausstellung zeigt darüber hinaus weitere persönliche Geschichten wie die des späteren Traunsteiner Oberbürgermeisters Rupert Berger oder die des ehemaligen Stadtpfarrers Josef Stelzle, der für eine Aussage in einer Predigt in die Missgunst der NSDAP gefallen war und in Haft genommen wurde. „Mit einem Glockenstreick sorgte er für so viel Aufsehen, dass es ihm gelang, seine Stelle als Pfarrer wiederzuerlangen“, betonte Mühldorfer und verwies darauf, dass sich die Ausstellung mit dem Widerstand in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen beschäftige. Die Tafeln zeigen aber auch, wie Zwangsarbeiter in der Region beschäftigt waren und welche Rolle die Religionsgemeinschaften gespielt haben.
Die letzten Schautafeln widmen sich „widerstandslosen Übergabe Traunsteins, die einer kleinen Gruppe Traunsteiner Bürger zu verdanken ist. Sie haben unter anderem verhindern können, dass das Traunsteiner Viadukt von den amerikanischen Truppen gesprengt wurde“, hieß es in der Führung. Ausgestellt ist auch eine Aufnahme mit 61 Särgen. Es handelte sich um Kriegsgefangene die in den letzten Kriegstagen als Kolonnen durch Traunstein „getrieben wurden“ und auf Befehl von Heinrich Himmler nahe Surberg durch SS-Leute erschossen wurden.
Die Sinnlosigkeit des Krieges veranschaulicht eine weitere Grafik sehr deutlich. 55 Millionen Menschen haben während des 2. Weltkrieges ihr Leben verloren, darunter mehr als 20 Millionen Sowjetbürger, fast sieben Millionen Deutsche und rund sechs Millionen Polen. Der 2. Weltkrieg hat in weiten Teilen der Erde für Tod und Schrecken gesorgt.
Am 4.6. die eigene Geschichte erzählen
„Ich habe selbst sowjetische Wurzeln und lebe mit meiner Familie unweit des Traunsteiner Viaduktes“, sagt Svetlana Teterja-Pater und ergänzt, „wenn ich die Geschichten höre dann bekomme ich Gänsehaut, weil ich durch die persönliche Nähe zu den Orten und den Hintergründen einen Bezug herstellen kann. Es ist nicht irgendwo, sondern hier bei uns zuhause passiert und die Geschichte darf sich keinesfalls wiederholen“, sagte die junge Frau mit bewegter Stimme.
Gleichzeitig freut sie sich, dass sie in den Nachwuchsreihen des Vereinshauses so viele Freiwillige gefunden hat, dass die Ausstellung bis zum 3.6. präsentiert werden kann und hofft, dass sich viele Besucher mit dem Thema „Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit im Chiemgau“ auseinandersetzen werden. Am 4.6. ist um 19 Uhr die Veranstaltung „Vorbeikommen und Erzählen“ als Abschluss geplant. „Alt und Jung sind eingeladen, ihre persönliche Geschichte oder Erzählungen der Eltern beziehungsweise Großeltern vorzutragen“, so die Hauptorganisatorin abschließend.
(Quelle. Artikel Hubert Hobmaier / Beitragsbild, Fotos: Hubert Hobmaier)
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