Die Geschichte im Wortlaut:
Es gibt sie noch, diese Tage – oder besser gesagt Momente, die dich durch den ganzen Tag tragen – an denen du den üblichen, profanen Ärger, der normalerweise aus Umwelt, Nachrichten und Medien auf dich einprasselt, einfach vergisst. Zur Erklärung gestattet mir, etwas weiter auszuholen:
Wir (Eva und ich) bekommen oft von mitfühlenden Menschen Greifvögel und Eulen gebracht, die verunglückt oder aus dem Nest gefallen sind. Die werden dann von uns (falls erforderlich) mit allem, was nötig ist, versorgt, gefüttert und zum Tierarzt gebracht. Sind sie wieder gesund oder (bei Nestlingen / Ästlingen) alt genug, dann werden sie schnellstmöglich ausgewildert. Ältere Vögel werden möglichst dort hingebracht, wo sie aufgefunden wurden – aus guten Gründen, wie ihr am Ende des Beitrags erfahren werdet.
Sperber wurde verletzt in Rohrdorf gefunden
Das bringt uns nämlich zu unserem letzten Gast, einem Sperber (Accipiter nisus). Der wurde in Rohrdorf (das liegt etwa 60 km von uns entfernt am anderen Ende unseres Landkreises) flugunfähig aufgegriffen. Das ist deshalb erwähnenswert, weil die Finder ihn bringen wollten. Nach langer Wartezeit war dann ein Geräusch wie von einem Traktor zu hören, es war aber keiner. Was da auftauchte, war eine dieser Nuckelpinnen, die Jugendliche mit Führerscheinklasse S ab 16 Jahren fahren dürfen. Das Gefährt war ebenfalls in pflegebedürftigem Zustand, der Auspuff hing herunter. Zwei Burschen hangelten sich mühsam, aber dennoch guter Dinge aus dem Fahrzeug, in dessen „Kofferraum“ sogar noch ein Karton mit besagtem Sperber Platz gefunden hatte.
Nach kurzer (und schmerzhafter) Untersuchung – Sperber sind sehr wehrhafte kleine Greifvögel – kam das Tier dann mit dem Befund „Aufpralltrauma“ in eine unserer für Gäste reservierten Volieren.
Innerhalb kürzester Zeit fraß unser Patient selbstständig (und nicht wenig 🙂 und erholte sich in den folgenden Tagen recht schnell.
Nach einer Woche war es schon so weit, das Tier konnte wieder ausgewildert werden. Wir setzten uns also in unser Auto (eine weitere Fahrt in der Nuckelpinne wollte ich sowohl dem Sperber als auch den jungen Burschen ersparen) und fuhren zum Fundort nach Rohrdorf zum Feuerwehrhaus, wo wir uns mit den Findern verabredet hatten.
Nach kurzem Smalltalk brachte Eva die Transportbox auf eine nahegelegene Wiese und öffnete den Deckel. Der Sperber merkte sofort, dass jetzt sein Moment gekommen war und startete durch, zunächst in die Sicherheit eines Baums am Wiesenrand. Da blieb er aber nur ganz kurz. Als er so richtig begriffen hatte, dass er nicht nur in Freiheit war, sondern auch wieder voll flugfähig, da stieg er kreisend und laut rufend höher, als wollte er uns seine Freude darüber zeigen, wie gut es ihm in seiner gewohnten Umgebung geht.
Aber ich glaube, das war nur der eine Teil seiner Absichten. Der andere Teil sollte sich bald zeigen – und ist der Grund, warum ich diesen Beitrag verfasst habe und es mir für den Rest des Tages verdammt gut ging.
Sperber-Pärchen hat nach einer Woche wieder zusammengefunden
Denn bald, nach einigen Runden am Himmel, hatte ich plötzlich den Eindruck, als würde ich aus weiter Ferne einen ganz ähnlichen Ruf hören Es hat noch eine ganze Weile gedauert, bis ich mir sicher war. Zwei Rufe – und im nächsten Moment auch zwei Vögel, die beiden Partner waren nach einer Woche Trennung wieder zusammen.
Wo die Freude größer war, in der Luft, wo die Sperber jetzt laut rufend umeinander kreisten oder am Boden, wo wir zu viert fasziniert und gerührt zusahen, ist schwer zu sagen.
Nicht alle Vögel, die wir zur Pflege bekommen, schaffen es auch. Manche sind zu schwer verletzt, manche werden zu spät aufgefunden. So ein Verlust ist immer traurig.
Aber ein Erfolgserlebnis wie das, das uns dieser kleine Sperber beschert hat, das bestärkt uns darin weiterzumachen, und entschädigt für alle damit verbundene Mühe.
(Quelle: Artikel: Eva und Björn C. / Beitragsbild, Foto: B.C )