Rosenheim – Tradition oder Tierquälerei? Das Ponyreiten polarisiert. Familie Kaiser – seit 1950 mit Ponys auf dem Rosenheimer Herbstfest vertreten – hat gelernt, mit Kritik zu leben. Aber Hass und Hetze nehmen immer mehr zu. Jetzt wurde sogar das Kassenhäuschen und die Reitmanege mutwillig beschädigt. „Das geht dann deutlich zu weit“, ärgert sich Ronny Kaiser. Am heutigen Vormittag hat sich Innpuls.me zusammen mit Klaus Hertreiter vom Wirtschaftlichen Verband, SPD-Stadtrat Abuzar Erdogan und anderen Pressevertretern vor Ort ein Bild von der Lage gemacht.
Nach wie vor ist das Ponyreiten bei vielen Besuchern des Rosenheimer Herbstfestes sehr beliebt.
Es ist kurz vor Mittag und beim Ponyreiten ist schon ganz schön viel los. Den Kindern, die auf den Rücken der Tiere ihre Runden in der Manege drehen, sieht man die Begeisterung deutlich an. Und ihren Eltern und Großeltern, die sie dabei beobachten, ebenfalls. „Ich erinnere mich, wie sehr ich mich selbst als Kind immer darauf gefreut habe, auf dem Herbstfest einmal reiten zu dürfen“, erzählt uns eine 63-jährige Rosenheimerin, stolze Oma der fünfjährigen Sophia. Dass der Trott in der Runde den Pferden weit weniger gefallen könnte als den Menschen, darüber hat sich die 63-jährige bisher noch nie Gedanken gemacht, gesteht sie. „Das ist halt Tradition“, meint sie und fügt im Gespräch mit Innpuls.me an: „Und unglücklich sehen die Pferde für mich auch nicht aus.“
Viele Tierschützer und Tieraktivisten sehen das aber ganz anders. Auch heuer haben sie deshalb wieder Demonstrationen organisiert. Ihre Forderung: Ponykarussells generell abschaffen (wir berichteten).
Rony Kaiser kann schon mit dem Begriff „Ponykarussell“ überhaupt nichts anfangen. „Meine Pferde haben keine Räder unter den Hufen“, ärgert er sich. Er selbst spricht deshalb von einer Pferdereitbahn, die von seinem Großvater auf seinem Vater übergegangen ist und dann an ihn. Und mit seinen beiden Töchtern Janine (18 Jahre) und Josephine (10 Jahre) steht auch schon die nächste Generation in den Startlöchern.
Ronny Kaiser zeigt SPD-Stadtrat Abuzar Erdogan die Pferdetränke im Stall, die sich selbständig nachfüllt. Fotos: Josefa Staudhammer
Für beide junge Damen steht bereits fest, dass sie den Betrieb unbedingt weiterführen wollen. „Für uns sind die Pferde Familienmitglieder. Ein Leben ohne sie kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Janine. Ihre jüngere Schwester sieht das ebenso. Die Anfeindungen von Seiten der Tierschutzaktivisten kann Josephine überhaupt nicht verstehen. „Das ist schlimm“, meint sie traurig und zeigt Innpuls.me die zerkratzte Scheibe am Kassenhäuschen. „Fuck you“ wurde mit einem scharfen Gegenstand dort eingeritzt. Für Familie Kaiser ganz klar die Tat von Tierschutzaktivisten, ebenso die herausgerissenen Bolzen an der Reitbahn. „Wir waren hinten im Stall, da hat es plötzlich vorne laut gescheppert. Wir sind schnell nach vorne und dann war es passiert“, erzählt uns Josephine.
Josephine Kaiser zeigt auf die zerkratzte Scheibe am Kassenhaus des Ponyreitens. „Fuck you“ wurde mit einem scharfen Gegenstand eingekratzt.
Nach ihrem Einsatz in der Manege dürfen sich die Pferde auf einer Koppel dahinter frei bewegen.
SPD-Stadtrat Abuzar Erdogan gehört zu denjenigen, die sich für ein Ende des Ponyreitens auf dem Herbstfest einsetzen. Derartige Taten verurteilt er aber scharf: „Das geht natürlich überhaupt nicht“.
Rony Kaiser lässt nichts unversucht, um auch ihn davon zu überzeugen, dass es seinen Tieren gut geht. Er zeigt die Tränken, die sich selbständig nachfüllen, dann die mit Gummimatten und Stroh weich ausgepolsterten Stallungen und danach geht es zur Koppel hinter der Manege. Die Ponys traben sofort neugierig auf die Besucher zu. Besonders spannend finden sie die Filmkamera.
Was ist denn das? So eine Filmkamera ist für ein Pferd eine ganz schön spannende Angelegenheit.
von links Klaus Hertreiter vom Wirtschaftlichen Verband Rosenheim, Josephine Kaiser, Papa Ronny Kaiser und SPD-Stadtrat Abuzar Erdogan auf der Koppel hinter dem Ponyreiten.
Neugierige Kontaktaufnahme auf beiden Seiten: Josefa und eines der Kaiser-Pferde.
30 Pferde besitzt Familie Kaiser insgesamt. „Die werden auf Veranstaltungen regelmäßig ausgewechselt“, erklärt Ronny Kaiser. Generell sei seine Pferdereitbahn pro Jahr nur noch auf sechs Veranstaltungen in Bayern zu finden: „Das bedeutet zehn Monate sind die Pferde eh daheim bei unserem Ponyhof und machen Urlaub.“
Watte in den Ohren käme bei seinen Tieren ebenso wenig zum Einsatz wie ein durch Klappen eingeschränktes Sichtfeld. „Das ist alles nur böse Hetze gegen uns“, meint Kaiser.
Ob es das Ponyreiten auf dem Rosenheimer Herbstfest in Zukunft weiter geben wird? Bei dieser Frage wollte sich Klaus Hertreiter vom Wirtschaftlichen Verband nicht festlegen: „Das entscheiden wir jedes Jahr neu und zwar für jeden Schausteller.“
Familie Kaiser hofft, dass sie noch lange weitermachen dürfen. Ronny Kaiser betont aber auch: „Wenn es das Ponyreiten nicht mehr geben sollte, muss ich mir eben eine andere Tätigkeit suchen. Aber die Pferde bleiben bei uns. Die meisten habe ich selbst aufgezogen. Sie sind wie Kinder für mich.“
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild, Fotos: Josefa Staudhammer)
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