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Bilanz 2021 der Hagelflieger

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

29. Oktober 2021

Lesezeit: 3 Minute(n)

Rosenheim / Landkreis – Verhindern Hagelflieger wirklich Hagel? In der Wissenschaft sieht man das skeptisch. In Deutschland betreiben die bayerischen Landkreise Rosenheim, Traunstein und Miesbach dennoch gemeinsam Hagelflugzeuge. In der Saison 2021 hatten die Hagelflieger extrem viel zu tun – das geht aus einem Bericht des Landratsamtes Rosenheim hervor.

Zur Geschichte der Rosenheimer Hagelflieger: im Landkreis Rosenheim wurden bereits in den 1930 Jahren erste Experimente zur Hagelabwehr durchgeführt. Zunächst kamen Hagelraketen zum Einsatz, die vom Boden aus in die Wolken geschossen wurden und dort Silberjodid freisetzten.
1958 startete dann auf Initiative des damaligen Landrats Georg Knott ein 10-jähriger Feldversuch mit Analyse. Diese soll laut Aufzeichnungen von damals einen Rückgang der Hagelschläge von fast 30 Prozent verzeichnet haben.
Seit den 1970er Jahren wird die Hagelbekämpfung in den Landkreisen Rosenheim, Miesbach und Traunstein vom Flugzeug aus durchgeführt. Hermann Selbertinger, flugbegeisterter Bauingenieur aus Rosenheim, konstruierte die Spezialgeneratoren und flog das erste Einsatzflugzeug der Hagelabwehr, eine „Piaggio P 149 D.“

Und so funktioniert die Impfung der Wolken mit Silberjodid: hat der Pilot die richtige Flugposition erreicht, setzt er die Mischung aus Silber- und Jodteilchen frei. Aufwinde befördern diese in die Wolken. Dort bilden sie kleine Kondensationskeime, um die sich die Wassermoleküle gruppieren. Je mehr, desto besser. Denn dann bleibt es bei Regen oder Graupelschauern.
So weit die Theorie. In der Wissenschaft ist diese Methode aber umstritten. „Während ein Effekt theoretisch denkbar und begründbar ist, bestehen in der Praxis bei allen verwendeten Methoden große Probleme bei der tatsächlichen Einbringung von Silberjodid in geeignete Wolkenschichten zum richtigen Zeitpunkt, da die lokalen Wetterbedingungen stark schwanken. Wissenschaftliche Studien zur Erfolgsmessung existieren bislang nicht, aus Betriebsuntersuchungen ließen sich keine klaren Ergebnisse ableiten“, heißt es auf Wikipedia.
In der Region Rosenheim bleibt man seinen mittlerweile zwei Hagelfliegern aber treu. Und bei aufziehenden Gewittern wandert der Blick vieler Bewohner schon fast automatisch hinauf zum Himmel, um zu sehen, ob denn die Hagelflieger schon im Einsatz sind. „Man fühlt sich dann irgendwie gleich etwas sicherer“, meint eine 63-jährige Rosenheimerin und ihr Nachbar, ein 42-jähriger, fügt hinzu: „Auch wenn es die Wissenschaftler vielleicht anders sehen, ich bin überzeugt, dass unsere Hagelflieger was bringen.“

„Seit 40 Jahren noch
nicht erlebt“

Die Saison 2021 war für die Rosenheimer Hagelflieger auf alle Fälle außergewöhnlich und das in vielerlei Hinsicht. „Es war ein Hageljahr, wie ich es in den vergangenen 40 Jahren noch nicht erlebt habe“, so Georg Vogl, Chef der Rosenheimer Hagelflieger. Begonnen hat die Hagelsaison bereits vor dem eigentlichen Saisonstart am 1. Mai. Am 30. April gab es im südlichen Landkreis Rosenheim ein Hagelgewitter mit Hagelkörnern von bis zu drei Zentimetern Durchmesser. Die Flugzeuge standen einsatzbereit am Flughafen in Vogtareuth, aber es gab an diesem Freitag noch keine Hagelpiloten in Bereitschaft. Dieses Ereignis hat dazu geführt, dass die Hagelabwehr zukünftig bereits ab 15. April einsatzbereit sein wird, so das Landratsamt Rosenheim.

Im Mai gab es dann aber keinen einzigen Einsatz. Dann kam der Juni. In keinem anderen Monat waren die Hagelflieger so oft und so lange in der Luft. Von den insgesamt 16 Einsatztagen im Jahr 2021 fielen neun Einsatztage auf Juni. Die Einsätze dauerten nach den Worten von Vogl zwischen 30 Minuten und dreieinhalb Stunden – so lange bis die Silberjodid-Generatoren leer waren. An manchen Tagen seien die Piloten sogar zweimal am Tag gestartet.
Am 15. August hoben die Rosenheimer Hagelpiloten dann zu ihrem letzten Einsatz 2021 ab und dann war die Saison abrupt vorbei. Normalerweise gäbe es oft bis Ende August noch Einsätze.

Trotz hoher Unwetterdichte in diesem Jahr fällt die Bilanz von Georg Vogl positiv aus. „Vor allem wenn man sieht, welche Schäden in den umliegenden Landkreisen, vor allem im Juni durch den Hagel entstanden sind. Da gab es einige Hagelzüge, die um uns herum gekreist sind. Sie haben sich im Tölzer- oder Garmischer Raum aufgebaut, sind am südlichen Rand von München vorbeizogen und dann weiter über die Landkreise Ebersberg, Mühldorf und Altötting. An vier Tagen nahm das Gewitter nahezu die gleiche Route, das ist sehr ungewöhnlich“, sagt er.

Trotz sehr intensiven Einsatzjahres habe es keine technischen Probleme gegeben. „Die Generatoren haben ohne Ausfälle funktioniert“, so Vogl.   Bei einem Einsatz beschädigten Hagelkörner die Abdeckung der Landescheinwerfer eines der beiden Flugzeuge. „Die Maschine vom Typ „Partenavia P68“ wurde repariert, außerplanmäßig in Stuttgart gewartet und war am nächsten Tag wieder einsatzbereit“, erklärt der Chef der Rosenheimer Hagelflieger.

Hier geht es zu einem Video über die Rosenheimer Hagelflieger auf Youtube:

 

 

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Beitragsfoto wurde während eines Einsatzes am 25. Juli 2021 aufgenommen. Unter dem Flugzeug sieht man den südlichen Rand von Kolbermoor, im Hintergrund die Stadt Bad Aibling. Foto: Landratsamt Rosenheim.

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