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Interview mit einem Gewitterjäger

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

28. Oktober 2021

Lesezeit: 3 Minute(n)

Markt Schwaben – Wenn sich dunkle Wolken am Himmel bedrohlich aufbauschen, ziehen sich die Menschen instinktiv in ihre eigenen, schützenden vier Wände zurück. Alle? Nein. Damian Warmula will ganz nah ran. Der 37-jährige aus Markt Schwaben ist Sturmjäger. Im Interview mit Rosenheim InnFormativ erzählt der 37-jährige, wie er zu diesem ungewöhnlichen Hobby kam, was ihn dabei reizt und ob er schon mal gefährliche Situationen erlebt hat.

 Dieses Foto von Damian Warmula entstand am 12. Juli 2021 in München / Beitragsfoto: Damian Warmula

Frage: Stormchasing, also die Jagd nach Gewittern, ist in den USA sehr beliebt. Dort gibt aber auch viel mehr freie Fläche als hierzulande. Bei uns stelle ich mir die Jagd nach Blitz und Co. wesentlich schwieriger vor.
Antwort: Das stimmt. Durch die dichte Bebauung, verwinkelte Straßen und häufige Staus hat man es in unserer Region viel schwieriger, den Gewittern nahe zu kommen.

Frage: Wie klappt es dann überhaupt, genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein?
Antwort: Zum Glück gibt es heute Technik und Wetterapps, die einem bei der Jagd unterstützen. Ich beobachte meine Wetterstationen und den Verlauf auf den Apps sehr genau. Schon Tage vorher weiß ich dadurch, wo sich etwas zusammenbrauen könnte und mit der Zeit werden diese Angaben dann immer genauer und man kann immer besser die Uhrzeit eingrenzen, wo etwas passiert.

Frage: Und dann lässt Du alles liegen und stehen und fährst los in Richtung Gewitter?
Antwort: Genau so ist es. Ein Gewitter ist für mich wie ein Magnet.

Frage: Dieses Jahr mit seinen vielen Unwettern in unserer Region hattest Du dann wohl besonders viel zu tun?
Antwort: Das artete tatsächlich schon in Freizeitstress aus (lacht). Von Mai bis Ende August gab es in Oberbayern 34 Gewittertage.

Frage: Was reizt dich so an Gewittern?
Antwort: Das Erleben der Naturgewalt. Diese Macht. Wenn man bei einem Donner die Druckwellen spürt, die durch den Körper jagen. Das gibt einen unglaublichen Adrenalinschub.

Frage: Kann aber auch ganz schön gefährlich sein?
Antwort: Ja natürlich. Ich habe schon viele gefährliche Situationen erlebt. Um das perfekte Foto zu bekommen, ist es schließlich am besten, unbebaute und freie Sicht zu haben, wie zum Beispiel freistehend auf einem Feldweg.

Frage: Ist Dir schon mal was passiert?
Antwort: Zum Glück nicht. Selbst mein Auto ist noch in Ordnung. Ich kenne aber auch Sturmjäger, denen es die Scheiben eingeschlagen hat. Ganz schlimm ist da natürlich der Hagel. Da hatte ich heuer Glück. Bei dem schweren Hagelunwetter in Ebersberg kam ich zu spät von der Arbeit weg. Ansonsten wäre ich wohl mitten hinein geraten.

Frage: Gerade in diesem Jahr hat man aber immer wieder erlebt, wie viel Leid ein Unwetter verursachen kann. Hast Du da kein schlechtes Gewissen mit deiner Begeisterung für die Gewalt der Natur?
Antwort: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Das ist mir bewusst. Aber ich als einzelner Mensch bin ja nicht direkt schuld an den lokal auftretenden Unwettern und Ihren Folgen, die die Natur verursacht.

Frage: Wann hat diese Leidenschaft bei Dir begonnen?
Antwort: In der 3. Klasse Grundschule bekamen wir in Erdkunde die Aufgabe, das Wetter zu beobachten und aufzuzeichnen. Damit fing es an. Das war der Impulsgeber. Ich habe mir eine Wetterstation angeschafft und hatte unglaublich viel Spaß dabei, meine Wetterbeobachtungen zu dokumentieren. Dann kam der Sturm Lothar im Jahr 1999. Die Schäden waren enorm. Der Schock über diese Naturgewalt nährte aber meine Faszination, Wetter in all seinen Ausprägungen erleben zu wollen.

Frage: Warum hast Du dein Hobby dann eigentlich nicht zum Beruf gemacht?
Antwort: Habe ich mir tatsächlich überlegt. Aber dann habe ich mich anders entschieden und heute bin ich froh darüber. Ich arbeite in der Nuklearmedizin, also etwas ganz anderes und mein Hobby ist dazu ein guter Ausgleich.

Frage: Als Sturmjäger muss man sich nicht nur sehr gut mit Meteorologie auskennen. Man muss auch ein guter Fotograf sein, um Blitze so gekonnt wie Du in Szene setzen zu können.
Antwort: 2001 habe ich mit der analogen Fotografie begonnen und mich dafür auch in diese Materie tief eingearbeitet. Seit 2004 fotografiere ich digital. Da ist natürlich der Vorteil, dass man damit unzählige Fotos machen kann, ohne dass es hohe Kosten verursacht.

Frage: Kennen sich die Sturmjäger hierzulande untereinander?
Antwort: Ja natürlich. Das ist eine richtige Community. Man trifft sich und tauscht sich über Erlebnisse aus. Manche fahren zum Stormchasing auch viel weiter als ich, oder reisen ins Ausland, um einem Gewitter nahe zu kommen.

Frage: Gibt es noch etwas, was Du noch unbedingt fotografieren willst?
Antwort: Ein Tornado wäre natürlich schon eine tolle Sache. Aber unsere Region ist einfach zu dicht bebaut, um welche zu erspähen und zu fotografieren. Da tut man sich hoch im Norden einfacher. Aber wer weiß, vielleicht klappt auch das irgendwann.

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