Hilpoltstein / Bayern – Kraniche überqueren Bayern auf neuer Zugroute: Die laut trompetenden Zugvögel zogen am vergangenen Wochenende (20.10.2024) in Rekordzahlen entlang des Alpenrands.
Deutschland- und europaweit ist der Zug der Kraniche in vollem Gange. An vielen Orten in Bayern wurden am Wochenende große Trupps, teilweise mit mehreren tausend Individuen der ruffreudigen Zugvögel, beobachtet beziehungsweise gehört. So beispielsweise in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Mühldorf und Pfaffenhofen.
„Außergewöhnliches Herbstschauspiel über Bayern“
Der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) erwartet bis Mitte November weitere ziehende Kraniche am Himmel. „Heuer erleben wir ein außergewöhnliches Herbstschauspiel über Bayern – so viele Kraniche wie nie in jüngster Zeit scheinen die erst seit rund 15 Jahren wieder etablierte Zugroute entlang des Alpennordrandes zu nutzen“, erklärt Dr. Miriam Hansbauer, LBV-Aktive und Sprecherin des Fachvorstands der Arbeitsgemeinschaft Kranichschutz Deutschland. Wer in den Genuss dieses Spektakels kommen will, dem empfehlen die Naturschützer*innen: Kopf hoch und Ohren auf. Die Großvögel ziehen mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 70 Kilometern pro Stunde und sind aufgrund ihrer V-förmigen Formation und der trompetenartigen Rufen leicht zu erkennen.
Hundertausende Kraniche machen sich derzeit auf den Weg in ihre Winterquartiere in Südwesteuropa und Nordafrika. Dabei überfliegen viele von ihnen seit wenigen Jahren auch Bayern. „Vor allem entlang der großen Flüsse, wie Isar oder Lech, stehen die Chancen für Kranichbeobachtungen in den nächsten Wochen gut“, erklärt die Expertin. Diese noch junge südliche Alpenzugroute entlang der Donau nutzen osteuropäische Kraniche, die vom größten europäischen Rastplatz im Nationalpark Hortobágy in Ungarn kommen. Heuer scheint die Strecke besonders stark frequentiert zu sein. So berichteten LBV-Aktive aus dem Landkreis Mühldorf beispielsweise von etwa 10.000 Vögeln, die das Thalhamer Moos überquerten. Auch im Landkreis Pfaffenhofen beobachteten Ehrenamtliche rund 2.500 Kraniche.
Im Süden Frankreich wird Rast eingelegt
„Die Kraniche, die derzeit über Südbayern zu beobachten sind, kommen über den baltisch-ungarischen Zugweg von Ungarn über Österreich, queren Südbayern in west-südwestlicher Richtung und fliegen weiter entlang der Alpen, um schließlich in der Camargue im Süden Frankreichs zu rasten“, weiß Miriam Hansbauer. Warum sich diese neue Zugroute so etabliert hat, ist nicht eindeutig zu erklären und hängt mit vielen Faktoren zusammen. Kraniche haben keine genetisch fixierten Zugwege. Erfahrene Altvögel können Informationen über Zugrouten weitergeben und somit andere Kraniche dazu veranlassen, mit ihnen auf neuen Wegen zu ziehen. Wahrscheinlich haben die allgemeine Ausdehnung des Brutareals sowie der Klimawandel mit zu den neuen Zugrouten beigetragen.
Ebenso lassen sich auch in Nordbayern Kraniche entdecken. So erreichten den LBV auch Meldungen kleinerer Trupps über Mittel- und Unterfranken. „Über Thüringen gelangen manche Abzweiger nach Franken und ziehen dann weiter Richtung Baden-Württemberg“, so die Kranichexpertin. Traditionell verlaufen die Hauptzugrouten eigentlich quer durch Mitteldeutschland. Bei entsprechender Wetterlage driften aber immer wieder Kranichtrupps nach Süden in das nördliche Bayern ab.
Kraniche orientieren sich bei ihrem Zug an Landmarken wie Flüssen und Berggipfeln. Sie ziehen bevorzugt bei Hochdruckwetter, da sie dann von günstigen Winden mitgetragen werden und dadurch Kraft sparen. Die kräftigen und erfahrenen Tiere fliegen an der Spitze, gefolgt von Familien mit durchschnittlich zwei Jungtieren. Bei guten Flugbedingungen können die bis 1,30 Meter großen Tiere ohne Halt bis nach Südeuropa fliegen. „Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass dabei zwischen Mitte Oktober und Mitte November die meisten Kraniche durch Bayern ziehen. Am vergangenen Wochenende waren die Wetterbedingungen besonders günstig für die Vögel“, sagt die Ornithologin.
Dass es wieder Kraniche über Bayern zu sehen gibt, ist jahrzehntelangen Schutzbemühungen zu verdanken, durch die sich die Bestände in ganz Europa erholt haben. So ist der in vielen Ländern als „Glücksvogel“ verehrte Vogel heute auch in Bayern wieder mit gut 50 Revierpaaren vertreten, die meisten davon in der Oberpfalz. Um den Kranich auch langfristig zu unterstützen, ist der Schutz von Feuchtgebieten essenziell.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Frank Derer_LBV Bildarchiv)
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