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Interview: Constantin Hundhammer von Fridays for Future

Constantin Hundhammer von Fridays for Future Rosenheim in einer Wiese

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

13. Juni 2022

Lesezeit: 6 Minute(n)

RosenheimDie ersten Unwetter gab es bereits wieder in diesem Jahr. Sogar Tornados wurden gemeldet. Wie reagieren auf die klimatischen Veränderungen? Die Stadt Rosenheim setzt aktuell auf ein Klimawandel-Anpassungskonzept, mit dem Maßnahmen und Strategien erarbeitete werden sollen, um für die Folgen des Klimawandels gerüstet zu sein. Reicht das? Darüber hat Innpuls.me mit Constantin Hundhammer von Fridays For Future Rosenheim gesprochen.

Frage: Was sagst Du zu dem Klimawandel-Anpassungskonzept, dass derzeit für die Stadt Rosenheim erarbeitet wird?
Antwort: Erstmal bin ich erfreut darüber, dass die Gefahren die auf uns zukommen wahrgenommen werden. Ausreichende Überschwemmungsgebiete bei Starkregen und freie Windkorridore bei Hitzewellen werden bei jedem zukünftigen Bauprojekt berücksichtigt werden müssen. Das und einiges anderes wird bereits berücksichtigt. Ein umfassendes Energiekonzept fehlt aber noch.

Frage: Wie gut siehst Du Rosenheim aufgestellt, wenn es um das Thema Klimawandel geht?
Antwort: Da gibt es noch viel Nachholbedarf. Viel zu viele öffentliche Gebäude haben noch keine Solaranlagen und die Stadtwerke setzen aus mir unverständlichen Gründen auf Blockheizkraftwerke, statt tatsächlich emissionsfreie Technologien zu verwenden. Und vom Verkehr ganz zu schweigen. Wir können nur hoffen, dass in Zukunft effizienter ÖPNV und nicht das Auto im Zentrum der Verkehrsplanung steht.

Frage: Eigentlich geht es ja um zwei Bereiche: Eindämmung des Klimawandels auf der einen Seite und die Erarbeitung von Strategien, um mit den Auswirkungen leben zu können. Was ist Deiner Meinung nach wichtiger?
Antwort: Es geht hier nicht um ein „entweder oder“. Der Klimawandel ist da. Die vergangenen 50 Jahre wurde nichts getan. Wir müssen uns an Ernteausfälle, Hitzewellen, starke und häufige Unwetter und an Wassermangel anpassen. Doch gleichzeitig gilt es alles in unserer Macht Stehende zu tun, um eine weitere Erwärmung weitestgehend zu vermeiden.

Frage: Gerade auf Social-Media werden immer wieder Zweifel geäußert, dass es den menschengemachten Klimawandel überhaupt gibt?
Antwort: Mein Rat ist: Nicht alles glauben, was so auf Facebook geteilt wird. Der IPCC-Bericht der seit 1990 von über 1000 Wissenschaftler*innen regelmäßig vorgelegt wird und von über 100 Staaten ratifiziert ist, zeichnet ein eindeutiges Bild: Seit Beginn der Industrialisierung ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre angestiegen. Der Anstieg verlief so schnell wie noch nie zuvor in der Geschichte des Planeten Erde. Dazu gibt es eine eindeutige Korrelation des Anstieges der Durchschnittstemperatur. Auch so schnell wie noch nie zuvor in der Geschichte des Planeten Erde. Jede Person, die sich die Daten ansieht, kann nur zu dem Schluss kommen, dass der Klimawandel existiert und vom Menschen hervorgerufen ist. Alles andere dient den Profiten der Öl-, Kohle-, Gas- und Autoindustrie.

Frage: Wenn dem so ist, was kann da dann ein Einzelner tun? Ist unsere CO2-Einsparung nicht irrelevant im Vergleich zu großen Industriebetrieben und dem Rest der Welt?
Antwort: Persönliches Einsparen von CO2 ist tatsächlich in Relation zur Welt quasi irrelevant. Doch wo sonst sollen wir beginnen? Unsere Gesellschaftsstruktur sorgt dafür, dass Geld Macht ist. Und wer Öl, Gas, Kohle und Autos verkauft, hat sehr viel Geld. Wenn Deine Leser*innen tatsächlich, wirklich, aktiv etwas gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlage tun wollen,  dann müssen sie in eine Kohlegrube steigen und verhindern, dass Braunkohle gefördert wird. Sie müssten Pipelines abdrehen und Fossile Kraftwerke besetzen. Doch wer hat schon den Mut dazu? Ich nicht. Doch viele andere Aktivisten haben diesen Mut. Diese zu unterstützen ist etwas leichter und weniger gefährlich. Wenn Du also das nächste Mal von einer Klimademo hörst, geh hin. Spendet an Klimaschutzorganisationen. Spendet Kleidung und Lebensmittel an Waldbesetzungen. Zeigt offene Solidarität für Lützerath – ein Dorf, welches für den Abbau von Braunkohle abgerissen werden soll.

Frage: Hat die Bundesregierung in Sachen Klimawandel Eurer Meinung nach schon genug getan?
Antwort: Nein. 2015 unterschrieb die Bundesregierung das Pariser Abkommen. Darin hat sie sich verpflichtet ihren Beitrag zu einer Welt zu leisten, die maximal um 1,5 Grad wärmer ist, als zu vorindustriellen Zeiten. 7 Jahre später lässt sich sagen: Es ist nichts geschehen. Tatsächlich ist der Ausbau von Windkraft in vielen Regionen Deutschlands rückläufig. Während fossiles Gas und Kernkraft für „Grün“ erklärt werden. Es werden weiter Dörfer für Braunkohle abgebaggert und solcher Irrsinn wie die 10-H Regel in Bayern werden geduldet. Es fehlt an allen Ecken massiv.

Frage: Und wie sieht es mit der Stadt Rosenheim aus?
Antwort: Hier gibt es auch starke Defizite zu beklagen. Das Verkehrs-Konzept beispielswese ist noch viel zu stark auf das persönliche Auto zugeschnitten. Das ist nicht nur schlecht fürs Klima, sondern sorgt auch für Stress durch Staus, ist laut und stinkt. Außerdem müssen die Stadtwerke endlich weg von ihren Gasturbinen. Und das Heizkonzept muss dringend überarbeitet werden. Wenn Du durch ein Wohngebiet gehst, dann gehst Du alle 6 Meter an einem 4000 Liter Öl-Tank vorbei. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

Frage: Wie müsste Rosenheim aussehen, um klimaneutral zu sein?
Antwort: Wir bräuchten endlich mal eine Straßenbahn. Die natürlich gut getaktet fährt und für alle kostenlos ist. Die Fußgängerzone müsste großzügig erweitert werden. Alle Dächer müssen eine Solaranlage bekommen. Es braucht ausreichend Energiespeicher. Gut ausgebaute Stromnetzverbindungen um überflüssigen Strom anderswo einzusetzen, bzw. um genug Strom andernorts her zu bekommen, falls wir eine Dunkelflaute haben und die Speicher leer sind. Sämtliche Häuser müssten mindestens Passivhausstandart haben. Und es dürfte keine einzige Öl- oder Gasheizung mehr geben. Stattdessen braucht es ein zentral organisiertes Wärmenetz, dass alle Häuser miteinander verbindet.

Frage: Aktuell gibt es im Stadtgebiet Rosenheim ein einziges Windrad und das dreht sich seit Jahren nach Auskunft des Besitzers nicht so, wie es wünschenswert wäre. Experten sagen eh, dass der Wind in unserer Gegend für diese Art der Energiegewinnung nicht ausreicht. Wie seht Ihr das?
Antwort: Grundsätzlich befürworten wir den Ausbau von Windkraftanlagen. Nicht zuletzt deswegen, weil er in Deutschland rückläufig ist. Doch wenn Windräder gebaut werden, dann müssen sie natürlich auch Strom liefern. Ein Blick auf den Energie-Atlas von Bayern zeigt, dass der Landkreis Rosenheim sich nicht für Windkraft eignet. Doch nördlich von München und Wasserburg gibt es viel Potential für Windkraft in Bayern. Es müssten nur endlich mal vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen werden und nicht dieser Irrsinn mit der 10-H Regel.

Frage: Generell gibt es auch viel Gegenwind für die Windräder. Kritiker empfinden sie als irritierend und störend für die Landschaft. Tierfreunde befürchten dadurch speziell für die Vogelwelt Gefahren.
Antwort: Eigenartigerweise werden bei Windrädern alle auf einmal zu Landschafts- und Tierschützer*innen. Doch wenn Vögel durch Autoabgase ersticken oder ganze Landstriche Durch Kohlegruben vernichtet werden interessiert das Niemanden. Ein Blick auf die Statistiken verrät, dass Windenergie weit weniger Schädlich ist als jede fossile Energieform. Wer also Flora und Fauna schützen will, sollte gegen Kohle, Öl und Gas und für Solar und Wind sein.

Frage: Mal weg vom Wind hin zur Sonne. Solarplatten auf dem Dach, gut und schön, aber das ist natürlich auch eine Frage des Geldbeutels, oder?
Antwort: Selbstverständlich. Meine Oma kann sich von ihre mickrigen Rente keine Solaranlage leisten. Hier braucht es einen Staat, der seine Pflichten den Bürger*innen gegenüber ernst nimmt und eine entsprechende Förderung zur Verfügung stellt. In Belgien gibt es beispielsweise bereits umfassende Zuschüsse für persönliche Solaranlagen. Genau das brauchen wir auch.

Frage: Man hört immer wieder, dass sich diese Art der Energiegewinnung persönlich nicht rechnet. Denn an dem Punkt, an dem dies der Fall wäre, seien die Solarplatten längst kaputt?
Antwort: Das stimmt nicht. Solaranlagen haben eine sehr hohe Lebensdauer. Warum sonst denkst Du funktioniert Voiager 2 noch und konnte uns vor ein paar Jahren Bilder von Pluto schicken? Hersteller garantieren nach 10 Jahren noch 90 Prozent des Wirkungsgrades. Darüber hinaus sind 80 Prozent noch lange verfügbar. Grundsätzlich gilt: Mit dem Kauf einer Solaranlage sind die Stromrechnungen der nächsten 10 Jahre gezahlt und danach macht man Plus.

Frage: Generell bleibt aber die Frage, wer soll den ganzen Umbau hin zu einer klimaneutralen Stadt bezahlen?
Antwort: Der Staat. Wir leben ja glücklicherweise in höchst modernen Zeiten. Unser Geldsystem ist ein „Fiat-Geld“ System. Das bedeutet, dass der Wert unserer Währung nicht an Gold gebunden ist, sondern durch institutionelle Macht garantiert ist. Das bedeutet, dass es sich dabei um eine Form von Infrastruktur handelt, die dazu da ist um Arbeitskraft zu Mobilisierten. Der Aberglaube an die Schuldenbremse und die Ideologisch verblendete Idee, dass der Staat wie ein Haushalt funktioniert blockieren diese Erkenntnis. Alles was wir tatsächlich tun können, können wir uns leisten. Denn Geld ist nur ein Mittel zum Zweck. Zumindest für den Staat der das Währungsmonopol innehält. Es geht nicht darum, ob wir genug Geld haben, sondern darum ob wir die Ressourcen, das Personal und das Knowhow haben. Und die haben wir alle. Es braucht nur noch den Willen, doch die fossile Lobby leistet leider seit Jahrzehnten ganze Arbeit.

Frage: Aktuell ist es rund um die Fridays For Future-Bewegung wieder ruhiger. Täuscht der Eindruck?
Antwort: Intern gibt es derzeit einiges zu klären. Das Nichthandeln der Bundesregierung lässt viele an den bisherigen Protestformen zweifeln. Andere wollen mehr intersektionale Ansätze. Wieder andere wollen alles so lassen wie es ist. Egal auf welche Strategie sich geeinigt wird, eins steht fest: Wir werden immer mehr, und die Zahl der Menschen die erkennen, dass die Uhr tickt.

Frage: Habt Ihr Angst vor der Zukunft?
Antwort: Ja. Bis jetzt steuern wir geradewegs auf eine 3 Grad wärmere Welt zu. Das bedeutet den Kollaps großer Teile des Ökosystems. Unvorstellbare Hungernöte, die alle bisherigen Hungerkatastrophen in den Schatten stellen. Wasserknappheit, wie wir sie noch nie erlebt haben. Ganze Landstriche, die absolut unbewohnbar werden. Ganze Agrarregionen, die unfruchtbar werden. Milliarden an Klimaflüchtlingen, die nicht wissen wohin. Kriege, um noch bewohnbares Land. Kriege, um noch fruchtbares Land. Krieg um Wasser. Für Faschisten wird es leichter, die angespannten Situationen für sich zu nutzen um den letzten Rest an Demokratie zu verdrängen. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht und alle an einem Strang ziehen, sehe ich schwarz für die Menschheit.

Frage: Was plant Ihr für Aktionen für Rosenheim in der kommenden Zeit?
Antwort: Für Ende Juli überlegen wir, ein Klima-Camp zu machen. Allerdings gibt es da noch viel zu organisieren. Deshalb kann ich keine Versprechungen machen. Ansonsten machen wir mit Sicherheit demnächst nochmal eine Demo. Dazu können sich Deine Leser*innen auf unserer Homepage www.fff-rosenheim.de/aktionen/ informieren. Außerdem posten wir regelmäßig auf Instagram: www.instagram.com/fridaysforfuturerosenheim/

Frage: Was wünscht Ihr Euch am meisten?
Antwort: Dass die arbeitenden Massen endlich erkennen, dass sie sich auf dem Weg ins Verderben befinden und jetzt aktiv werden müssen um den fossilen Wahnsinn zu stoppen, um für eine Zukunft zu sorgen, die es wert ist, erlebt zu werden.

 

1 Kommentar

  1. Schade, dass auch Aktivisti vin fridays for future solche Aussagen tatigrbz, wir könnten nicht viel dazu beitragen. Deutschland trägt überproportional viel zum CO2 Ausstoß bei. Jeden Konsum hinterfragen ob er wirklich nötig ist, upcycling, Autofahrten und Urlaubsflüge reduzieren und auf pflanzenbasierte Ernährung umstellen. Damit kann jeder Mensch seinen ökologischen Fußabdruck um bis zu 50% reduzieren. Jede einzelne Person zählt!

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