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Interview mit einem jungen Mediziner

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

2. Februar 2022

Lesezeit: 5 Minute(n)

Rosenheim – Nico Hanny ist Doktorand der Medizin und Initiator des Teddybär-Krankenhaus Rosenheim, das Kindern die Angst vor dem Arzt und Krankenhäusern nehmen will. Im Gespräch mit Innpuls.me erzählt der 30-jährige Rosenheimer, warum er Arzt werden will, wie er sein Studium bisher erlebt hat und was sich seiner Meinung nach in der Medizin ändern muss.

War Mediziner immer schon dein Traumberuf?
Nein, nicht direkt. Nach der Realschule habe ich eine Ausbildung als Elektroniker begonnen und auch abgeschlossen. Aber in meinem zweiten Ausbildungsjahr habe ich bemerkt, dass das nichts ist, was mich auf Dauer begeistern kann oder glücklich macht.


Warum?

Weil man wenige eigene Entscheidungen treffen kann und ich nicht das Gefühl hatte, nach Hause zu kommen und sagen zu können: Dafür brenne ich und dafür möchte ich meine Zeit aufbringen.

 Wie kamst Du vom Elektroniker zum Mediziner?
Eine Freundin hatte mich im zweiten Ausbildungsjahr spontan gefragt, ob ich nicht einmal bei ihrem Vater zu einer OP mitkommen möchte. Dieses Angebot habe ich sofort angenommen und ich habe gesehen, wie viel Vertrauen Arzt und Patient gegenseitig hatten und was es bedeutet mit Leidenschaft bei einer Sache zu sein.

Aber Medizin ist schon ganz was anderes als Elektrotechnik?
Teilweise gibt es schon Parallelen, wenn man mal das Zwischenmenschliche außer Acht lässt. Zumindest in der Chirurgie geht es ebenfalls um ein Handwerk. Tatsächlich kommen bei einer OP auch teilweise genau die gleichen Werkzeuge zum Einsatz, beispielsweise Akkuschrauber, Schraubenzieher oder eine Art „Lötkolben“ mit dem man Blutungen stillt. Aber das Zwischenmenschliche und die Individualität der Patienten ist es, was die Arbeit als Arzt für mich interessant macht.

Einen Platz bei einem Medizinstudium zu bekommen, ist aber gar nicht so einfach, oder wie lief es bei dir?
Ja, das stimmt. Entscheidend ist leider immer noch vor allem die Abiturnote. Mit meinem Schnitt von 1,4 hatte es damals für einen Medizinstudienplatz im Wintersemester, also den normalen Studienstart im September im Anschluss an die Schule, nicht gereicht. Da meine besten Fächer Mathematik und Physik waren, und mir diese auch Spaß machten, entschied ich mich zunächst für ein Studium der Mathematik mit Nebenfach Wirtschaft in meiner damaligen Wunschheimat München. Im zweiten Semester bekam ich dann einen Medizinstudienplatz in Erlangen, aber das Studium in München lief gut und ich entschied mich erst einmal dagegen. Als ich zum Ende des Mathematik-Studiums kam und mir Gedanken machen musste, wo und was man damit später arbeiten möchte, tat ich mir schwer diese Frage zu beantworten. Auch ein Praktikum in einer Unternehmungsberatung brachte keine zufriedenstellende Antwort und ich merkte, dass ich immer weiter weg vom direkten „Kundenkontakt“ war.

Und wie ging es dann weiter?
Erst einmal war ich in so einer Art Selbstfindungskrise, da ich ja bis dahin 5 Semester in das Wirtschaftsmathematikstudium investiert hatte und in meinen damaligen Augen auch nicht mehr der Jüngste mit 24 Jahren war. Außerdem hatte ich zuvor immer alles abgeschlossen und hatte herausgefunden, wenn man das Mathestudium abschließt und dann Medizin studieren möchte, fällt man in eine andere Quote beim Zulassungsverfahren. Meine Abiturnote hätte dann keine Relevanz mehr gehabt und es wäre fast unmöglich geworden, noch einmal einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Ich hatte dann die Entscheidung getroffen, das Studium erst einmal zu „pausieren“ und erneut zu versuchen einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Da in diesem Moment die Bewerbungsfrist für das kommende Semester knapp verpasste, entschied ich mich dazu einen Bundesfreiwilligendienst bei der Familien- und Jugendhilfe Startklar und dem ESV-Rosenheim zu absolvieren. Dort lernte ich die Arbeit mit benachteiligten Menschen, insbesondere Kinder, kennen und schätzen.

Und dieser Weg führte Dich letztendlich doch zum Medizinstudium nach Erlangen. Warum hast Du eigentlich nicht die Landarztquote für Dich genutzt, dann hätte es doch auch sofort mit einem Platz in München geklappt?
Zu dieser Zeit gab es die Landarztquote noch nicht und ich halte ehrlich gesagt wenig von ihr. Denn dann muss man sich ja schon vor seinem Medizinstudium auf eine Fachrichtung, in diesem Fall „Allgemeinmedizin“ festlegen. Man lernt aber erst innerhalb des Medizinstudiums und auch dort eher später als früh die verschiedenen Spezialisierungen besser kennen. Oft hat man viele romantische Vorstellungen von den verschiedenen Disziplinen, welche sich aber in der Praxis dann doch schnell in Luft auflösen. Durch Praktika und Famulaturen sollte man herausfinden, was wirklich in Frage kommen könnte. Und diese kann man meiner Meinung nach auch erst richtig beurteilen, wenn man in die Welt der Medizin eingetaucht ist und nicht nach seinem Abitur mit fast keinem Vorwissen. Außerdem ändert die Landarztquote meiner Meinung nach nicht viel an der Situation, dass wir auf eine Zukunft mit zu wenig in Deutschland ausgebildeten Ärzte zusteuern bzw. ein Arzt immer mehr Patienten betreuen muss. Es gibt einfach zu wenig Studienplätze, egal wie man die Zulassungsverfahren ändert. Und um auf deine Frage zurückzukommen. Mein Ziel war nicht von Anfang an die Allgemeinmedizin, sondern es hat sich erst im Studium ergeben, dass Allgemeinmedizin in die engere Auswahl gerückt ist und dann auch eher für Kinder als für Erwachsene. Und für Kinderheilkunde gibt es meines Wissens keine Landarztquote.

Warum Kinderheilkunde?
Weil man präventiv noch sehr viel erreichen kann und seine Patienten im besten Fall über viele Jahre hinweg begleiten darf, von der Geburt bis zur Volljährigkeit. Außerdem ist der Umgang mit Kindern ein ganz anderer, man darf sich selbst nicht zu ernst nehmen und kann den Kindern und Eltern besser helfen, in ein gesundes Leben zu starten.

Was hat Dir an deinem Medizinstudium bisher besonders gut gefallen?
Die Vielfalt der einzelnen Module. Man bekommt ein sehr breit gefächertes Wissen. Von physikalisch-biologischen Prozessen auf Zellebene bis zur Psychologie und Psychosomatik. Außerdem waren mir Fitness und Ernährung immer schon wichtig und durch das Studium kam ich sozusagen näher an die Wahrheit, fernab von den vielen Mythen, die im Internet und in Büchern verbreitet werden. Ich weiß jetzt, wie mein Körper funktioniert und was ich tun kann, um positiv auf ihn einzuwirken und auch wie es auf molekularer Ebene abläuft.

Läuft in der Medizin aktuell alles rund?
Nein, sie ist meiner Meinung nach zu sehr auf Behandlung von bereits kranken Menschen ausgelegt. Man handelt meistens erst, wenn es schon Beschwerden gibt. Und diese sind oft auch schon chronisch. Zusätzlich ist der Ärztemangel ein Problem welches uns in naher Zukunft einholen wird oder sich auch schon in Kliniken abzeichnet. Durch unsere alternde Gesellschaft müssen immer mehr Patienten pro Arzt versorgt werden. Außerdem arbeitet das Klinikpersonal permanent am Limit. Und da es immer wieder Menschen gibt, die auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit, ausfallende oder abgehende Kollegen kompensieren, macht es nach außen hin, nicht den Eindruck, dass die Grenzen bereits überschritten wurden.

Was wäre deiner Meinung nach besser?
Die Medizin muss präventiver werden, dass chronische Krankheiten erst später oder im besten Falle gar nicht entstehen. Dadurch gewinnt der Patient Lebensqualität und die Ärzte würden entlastet werden. Zusätzlich sollten in Deutschland mehr Medizinstudienplätze geschaffen werden und das Zulassungsverfahren verbessert werden. Um die Belastung in den Kliniken zu reduzieren, sollte der Staat, mehr ins Gesundheitswesen investieren und Arbeitsbedingungen verbessert werden, aber ganz so einfach ist es natürlich nicht.

Was willst Du als zukünftiger Kinderarzt dagegen unternehmen?
Gerade bei Kindern kann man schon durch kleine Veränderungen der Lebensgewohnheiten viel erreichen. Ich denke da beispielsweise an Kinder mit Übergewicht, ein Thema das mir sehr am Herzen liegt. Ich bin auch bereits bei einem Programm für adipöse, also stark übergewichtige Kinder dabei. Aber soweit sollte es erst gar nicht kommen und deshalb möchte ich ein Programm in Rosenheim für Kinder, welche auf dem Weg ins Übergewicht sind, ins Leben rufen. Es ist viel einfacher so ein Kind wieder in die „richtige“ Spur zu bekommen, als ein Kind das bereits in den Brunnen gefallen ist. Natürlich hängt der Erfolg auch, je jünger das Kind ist, vor allem von den Eltern ab. Und diese muss man ebenso abholen. Aber diese enge Zusammenarbeit mit Kindern und Eltern macht mir extrem viel Spaß und um diese noch weiter zu verbessern mache ich gerade eine Weiterbildung zum Ernährungsberater und Adipositastrainer. Ich glaube damit kann ich einen Teil für eine bessere Medizin in der Zukunft beitragen.
(Beitragsbild: Nico Hanny)

Hier geht es zur Website von Nico Hanny:

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