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Kiebitz wird in Bruckmühl wieder heimisch

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

14. März 2022

Lesezeit: 4 Minute(n)

Bruckmühl / Landkreis Rosenheim  – Ohne die Hilfe des Menschen wäre der Kiebitz laut Naturschutzbehörde im Landkreis Rosenheim schon ausgestorben. So steht er zwar noch auf der roten Artenliste, aber die ersten Erfolge des Bayern-Projektes „Netzwerke für den Kiebitz“ sind sicht- und zählbar. 2021 gab es im Bereich von Bruckmühl drei Nester auf den Höglinger und Weihenlindener Feldern, sechs Jungtiere gingen – bestätigt – daraus hervor. Denn vom Schlüpfen bis zum Flügge werden lauern zahlreiche Gefahren auf die jungen Vögel.

Bruckmühls Bürgermeister Richard Richter (Weiter von rechts) und Margit Böhm vom Landratsamt Rosenheim, Abteilung Naturschutz (dritte von links) bei den Ehrungen rund um den Kiebitz. Foto: Mischi

Der Kiebitz bevorzugt offenes, flaches und feuchtes Dauergrünland, Wiesen, Weiden und Überschwemmungsflächen. Sein Lebensraum – das Feuchtgrünland – ist in Deutschland jedoch selten geworden. Wo Grünland umgebrochen wurde, kann man den brutplatztreuen Kiebitz auch auf Äckern antreffen. Meist brütet er dort aber ohne oder nur mit geringerem Erfolg. Zudem lauern dort auch für den Bodenbrüter Gefahren in Gestalt von Dachs, Fuchs und Marder. Überdies können Bussarde und Krähen den Tod für den Kiebitz-Nachwuchs bedeuten.

Besonders für den Schutz des
Kiebitz eingesetzt

Gleich vier Bruckmühler Landwirte – Georg Auer, Richard Fössmeier, Georg Pritzl und Georg Baumann – wurden jetzt vom Landkreis Rosenheim und dem Markt Bruckmühl ausgezeichnet und haben jeweils einen Bonus in Höhe von 50 Euro erhalten. „Sie haben sich für den Kiebitz besonders eingesetzt. Nester auf ihren Feldern entdeckt, gemeldet und sich um das Wohlergehen der gefiederten Gäste gekümmert“, würdigte Bürgermeister Richard Richter. Margit Böhm von der unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Rosenheim schilderte dazu, dass fünf Nester auf einem Areal von 28,46 Hektar markiert worden waren, Landwirte ihre Bewirtschaftung der Felder entsprechend ausrichten würden und Nester per Zaun vor Beutegreifern geschützt würden. „Diese Zäune sind 30 auf 30 Meter groß, da der Kiebitz eine Lande- und Abflugfläche benötigt und dann die restlichen Meter zum Nest laufen will. Zudem hat der Zaun vier Litzen“, so Böhm. Elf erwachsene Kiebitze sind – aktuell in der Gemeinde ansässig beziehungsweise haben hier ihre „Zweitwohnung“, da sie in anderen Gefilden überwintern.

Kiebitze brauchen weichen
Boden für Aufzucht des Nachwuchses

Kiebitze können sich Vielem anpassen, brauchen aber ihre eigene Struktur. Neben der „Start- und Landebahn“ zum Fliegen wird ein weicher Boden zur Aufzucht des Nachwuchses benötigt. Drei Gelege gab es 2021, 16 Küken sind daraus geschlüpft, „überlebt haben sechs Kiebitze“, so Böhm. Dabei habe „dankeswerter Weise“ beispielsweise Georg Auer Wasser ausgefahren, damit die Kleinen mit den Schnäbeln besser nach Insekten picken können.“
Bei hartem Boden haben sie keine Chance und verhungern, schildert Bruckmühls Kiebitzbetreuerin Katharina Schlegl-Kofler. Dafür sowie auch für das Ruhen eines Ackers gebe es staatliche Fördergelder. Beispiel: Wasser für Küken werde mit neun Euro pro Kubikmeter beziehungsweise 25 Euro pro Fahrt bezuschusst.
Die Bruckmühler Landwirte seien hier vorbildlich. So habe beispielsweise Richard Fössmeier seine Wintergetreide später angesät, da Jungtiere noch nicht flügge waren. Zusammen mit Naturschutzwächter Dr. Jochen Seydel ist Schlegl-Kofler auf Anruf zur Stelle, hilft, vermittelt Zaunbauer und steht mit Rat und Tat zur Seite. Denn eines sei den Kiebitzen wichtig: ein guter Überblick, um nahende Feinde rechtzeitig zu sehen. Dann bräuchte es blühende Säume (Böschung/Einfassung), flache Seigen und Feuchtflächen zur Nahrungssuche und Deckung. Dies hatte sich gerade in Weihenlinden mit einer Wiese, die erst später gemäht wurde, „toll ergeben und es war schön zu sehen, wie dieser Schutz von den Küken angenommen wurde“, so Schlegl-Kofler. Auch eine Freie Zone vor Spaziergängern mit und ohne Hunde sowie Wanderern und Radfahrern sei ein wichtiger Indikator.

Auch die gefährdeten Feldlerchen
und Wachteln profitieren vom Netzwerk-Projekt

Überhaupt komme diese Fürsorge nicht nur dem Kiebitz zu Gute. Auch die gefährdeten Feldlerchen und Wachteln profitieren von dem Netzwerk-Projekt. Laut Margit Böhm dient das Artenschutz-Projekt der Förderung des Kiebitzes in der Agrarlandschaft. Projektbeginn war im Landkreis Rosenheim 2009 mit dem Titel „Schutz der Kiebitze im nördlichen Landkreis Rosenheim“. Seit 2019 heißt das Programm BayernNetzNatur-Projekt „Netzwerke für den Kiebitz“ und erstreckt sich über die drei Landkreise Altötting, Rosenheim und Traunstein.

Region um Wasserburg ist
aktuell Kiebitz-Hochburg

Dabei hat sich die Region um Wasserburg aktuell als Kiebitz-Hochburg entwickelt. „Dort gibt es momentan wieder das größte Vorkommen. Doch auch im Mangfalltal wird der Vogel wieder heimisch. Und: Der Kiebitz ist standorttreu. Er kommt wieder dorthin zurück, wo er selbst geboren und aufgezogen worden ist sowie gute Bedingungen vorgefunden hat“, erklärt Böhm. Dass das Netzwerk den kontinuierlichen richtigen Wege gehe, untermauerte die Behördenmitarbeiterin anhand der stetig steigenden Zahlen seit 2019: von 245 auf 271 ausgewachsene Kiebitze. Dabei müsste aber die ehrenamtliche (Betreuerin und Naturschutzwächter), wie die amtliche (Naturschutzbehörde im Landkreis) und die berufliche (Landwirte) Ebene so gut ineinander greifen und sich unterstützen – wie in Bruckmühl der Fall.
Für das aktuelle Jahr arbeiten die Ehrenamtlichen und das Landratsamt daran, Drohnen mit Wärmebildkamera einzusetzen, um Gelege und Jungvögel zu entdecken. Hier werde unter anderem mit dem Landesamt für Umwelt und der Wildtierhilfe Amerang zusammengearbeitet. Zudem soll der Lebensraum des Kiebitzes kontinuierlich weiter verbessert werden. In den kommenden Jahren ist dazu beispielsweise angedacht, eine Bachaufweitung in Bruckmühl sowie das Prüfen von Grundstücken im Eigentum von Gemeinden, Bezirk Oberbayern, Landkreis, Kirchen, anderen Behörden. „Denn auch Ausgleichsflächen könnte man für Kiebitze und Co. attraktiv gestalten. Denn eines ist nachweisbar: Kleingewässer für Lebewesen nehmen mehr und mehr ab.
(Quelle: Öffentlichkeitsarbeit Bruckmühl / Beitragsbild: Landratsamt Rosenheim – zeigt ein markiertes Kiebitznest innerhalb eines Gelegezauns / Foto: Mischi)

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