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Kommentar zum Tag der Pressefreiheit

Freedom of the Press - Schriftzug gehalten von links und rechts durch Hände. Hintergrund Tageszeitung

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

3. Mai 2022

Lesezeit: 3 Minute(n)

Rosenheim – Die „Reporter-ohne-Grenzen“ haben zum heutigen Welttag der Pressefreiheit eine neue Rangliste veröffentlicht. Demnach hat sich die Situation hierzulande weiter verschlechtert. Deutschland rutschte noch drei Plätze tiefer als 2021: auf Rang 16 – hinter Länder wie Jamaika, Seychellen oder Costa-Rica. Die Organisation begründet ihre Beurteilung mit folgenden Faktoren: abnehmende Medienvielfalt, Gewalt gegen Journalisten und eine Gesetzgebung, die Journalisten und deren Quellen gefährdet. Zeit für mich, Euch Einblick auf das Leben einer regionalen Journalistin zu ermöglichen. Wie schaut es bei mir persönlich mit der vielgepriesenen Pressefreiheit aus?

 

Eins mal vorweg: Männern in schwarzen Anzügen, gesandt von Regierung, Medienmogulen oder Wirtschaftsbossen, die hinter mir stehen und mir diktieren, was ich schreiben darf oder nicht, habe ich in den über 30 Jahren in denen ich nun schon als Journalistin tätig bin, nie erlebt.
Nein, die Realität sieht anders aus. Aber das heißt nicht, dass die Pressefreiheit hierzulande noch so gegeben ist, wie zu Beginn meines Berufslebens.
Ich erinnere mich noch gut, wie damals bei wichtigen Fragen wichtige Menschen  buchstäblich, auch noch spät am Abend, aus der Badewanne heraus mit mir telefoniert haben, um ihre Sicht der Dinge persönlich mit mir zu besprechen. Heute ein Ding der Unmöglichkeit. Fast jedes Unternehmen, jede Stadt, jede Organisation, ja jeder Verein hat mittlerweile einen Pressesprecher. Zwischengeschaltete Profis, die genau wissen, wie sie mit ihren Kollegen umzugehen haben und wie man die Antworten auf unangenehme Fragen glattbügelt. Die kommen dann druckreif ausformuliert schriftlich zurück. Zwischenfragen, Nachhaken, der Wahrheit auf den Grund gehen – leider kaum mehr möglich.
Früher war es auch noch praktisch ausgeschlossen, dass sich ein Befragter den Text vor Veröffentlichung zeigen hat lassen, um noch schnell eine Änderung zu seinen Gunsten zu erreichen. Heutzutage leider häufig der Fall und wer da nicht mitspielt, hat schnell eine Klage am Hals.
Hinzu kommt, dass es immer weniger Menschen gibt, die in dieser Branche arbeiten wollen. Zum einen ist dieser Job längst nicht mehr so gut angesehen, wie noch vor 10, 20 Jahren.  Zum anderen ist die Bezahlung vor allem bei freien Journalisten ein großes Problem. Alleine vom Schreiben seinen Lebensunterhalt zu erzielen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit geworden.
Große Verlage greifen heute gerne auf die Texte der Presseagenturen zurück. Das spart Personal. Die Medienlandschaft wird damit zum Einheitsbrei. Pressevielfalt ade!
Natürlich hat dann auch noch das Social-Media-Zeitalter den Pressealltag enorm verändert. Vor allem in Großstädten kenne ich einige Kollegen, die persönlich überhaupt keinen Termin mehr wahrnehmen können oder dürfen. Statt sich selbst ein Bild von den Dingen zu machen, die da draußen so passieren, besteht ihre tägliche Arbeit darin, die Klicks und Likes zu analysieren und danach ihre Artikel auszurichten. Die Gefahr: nur zu schreiben, was gerne gelesen und oft gedrückt wird, ist nicht unbedingt das, was wirklich wichtig oder wahr ist.
Die für mich wichtigsten Lehren, die ich zu Beginn meiner Berufslaufbahn von erfahrenen Kollegen vermittelt bekommen habe, sind: Niemals einfach so den Mainstream folgen. Wenn die Mehrheit nach oben schaut, dann den Blick nach unten wenden. Zweifeln!  Immer! Dieses Zweifeln bleibt zunehmend auf der Strecke, ist mein persönlicher Eindruck. Das bedauere ich sehr. Denn auch ich bin ja nicht nur Schreiber, sondern auch Leser, der sich Vielfalt wünscht.
Natürlich geht es dem Journalismus hierzulande im Vergleich mit vielen anderen Teilen auf der Welt noch sehr, sehr  gut. Das zeigt dann doch auch der Blick auf die aktuellen Rangliste der „Reporter-ohne-Grenzen“ – sie reicht hinunter bis Platz 180″ Schlusslicht ist Nord-Korea vor Eritrea und dem Iran. So gesehen ist Platz 16 dann doch noch super. Auch die Tatsache, dass ich diesen Kommentar hier, wie alle anderen Artikel auf meinem Blog, völlig frei und ohne Angst auf Zensur veröffentlichen kann, zeigt, dass es mit unserem Journalismus noch längst nicht so schlecht bestellt ist, wie dann doch viele vermuten. Keine schwarzen Männer in schwarzen Anzügen. Nein. Aber eine Tendenz zum Schlechteren und dieser Entwicklung gilt es vehement Einhalt zu gebieten.

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