Rosenheim – Gewaltige Umbrüche stehen in der katholischen Kirche in der Stadt Rosenheim an. Die drei Stadtteilkirchen verschmelzen zu einer Stadtkirche (wir berichteten). Der Gründungsprozess soll am 1. Adventssonntag 2023 starten. Doch schon jetzt wird die Veränderung mehr und mehr spürbar: das Journal der Stadtteilkirche Rosenheim-Inn erschien nun zum letzten Mal, zumindest vorübergehend.
12 Jahre erreichte das Journal der Stadtteilkirche Rosenheim einmal jährlich die Gläubigen in diesem Gebiet und informierte über alles, was im Kirchenleben in den vergangenen 12 Monaten alles passiert ist und welche wichtigen Termine in den kommenden Monaten anstehen.
Dabei machte das Journal auch vor kontroversen Themen keinen Halt. Auch über den Missbrauchsskandal und den synodalen Weg wurde berichtet.
Nun ist damit Schluss. „In diesem Jahr erscheint das Journal der Stadtteilkirche Rosenheim-Inn in seiner letzten Ausgabe. Aufgrund privater und beruflicher Veränderungen sowie personeller Umbrüche im Kreis der Hauptamtlichen bleibt uns, dem Redaktionsteam, keine andere Wahl, als uns mit dieser letzten Ausgabe zu verabschieden und Pfia `God zu sagen“, schreibt das Redaktionsteam dazu, dass sich aus hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kräften der Stadtteilkirche Rosenheim-Inn zusammensetzte.
Auf den knapp 50 Seiten spürbar wird die Unsicherheit wohl vieler katholischen Gläubigen in Rosenheim aber auch die feste Absicht, das Kirchenleben in der Stadt möglichst bunt und vielfältig am Leben zu erhalten.
Einfach wird dies aber sicherlich nicht werden. Denn die geplanten Umbrüche sind tatsächlich gewaltig. Statt bisher je einen eigenen Pfarrer für die drei Stadtteilkirchen wird zukünftig der Pfarrer von St. Nikolaus für die gesamte Seelsorge der katholischen Kirche Rosenheim letztverantwortlich sein. Zwei Pfarrvikare sollen ihm zur Seite gestellt werden. „Der Stellenplan für die Jahre 2030 sieht dann lediglich 1,5 weitere Mitarbeiter für das gesamte Stadtgebiet vor“, schreibt Pfarrer Andreas Maria Zach dazu.
Einschnitte in seelsorgerische Bereiche unumgänglich
Natürlich werde es daneben noch Seelsorger geben, die für bestimmte Bereich zuständig sind, bspw. Kinder, Jugend, Senioren, Kranke, Notfall. Aber: „Die gute Ausstattung, die wir in unseren Pastoralteam jetzt noch haben, wird es wohl nicht mehr geben“. Bedeutet, einige Bereiche werden zukünftig also nicht mehr in dem Umfang gestaltet werden können, wie bisher gewohnt. Dazu schreibt Pfarrer Andreas Maria Zach: „Da der Stellenabbau schrittweise erfolgt, ist es jetzt an der Zeit zu überlegen welche seelsorgerischen Bereiche für unsere Stadt wesentlich sind und welche wir nicht mehr im üblichen Umfang gestalten können.“
Auch zu den Kirchenaustritten bezieht Pfarrer Andreas Maria Zach in dem aktuellen Kirchen-Journal ausführlich Stellung. Fakt ist: Die Hälfte der Bundesbürger gehört nun nicht mehr der römisch-katholischen oder evangelischen Kirche an. Diese Entwicklung macht auch in der Stadt Rosenheim nicht Halt.
Das höchste Austrittsalter liegt nach Erfahrung von Pfarrer Andreas Maria Zach zwischen 20 und 30 Jahren und die zweithöchste Altersgruppe zwischen 50 und 60 Jahren. Oftmals äußere sich mit diesem Schritt die Enttäusch über eine Person. „Dann trät i hoit aus!“ höre er immer öfter.
Generell würden Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene immer seltener mit Kirchen in Berührung kommen. Dementsprechend stelle sich Entfremdung ein und Ältere würden bei einer Art Lebensbilanz feststellen, dass ihre Kirche zu den Gruppierungen gehört, denen sie sich nicht mehr zugehörig fühlen.
„Entkirchlichungsprozess seit 40 Jahren unaufhaltsam“
Letztendlich würden dann aber natürlich auch die Missbrauchsfälle in der römisch-katholischen Kirche bei den Austritten eine große Rolle spielen.
Die Zahlen zu den Kirchenaustritten für das Jahr 2022 liegen derzeit noch nicht vor. Pfarrer Andreas Maria Zach befürchtet, dass sie noch heftiger ausfallen als 2021. Und die evangelische Kirche könne davon nicht profitieren, obwohl es dort keine Zöllibat gibt und auch Frauen Priesterinnen und Bischöfinnen werden können. Pfarrer Andreas Maria Zach schließt daraus, dass der Entkirchlichungsprozess unaufhaltsam ist. „Im Jahr 1986 hielten in Mitteleuropa noch 44 Prozent der Bevölkerung Religion für wichtig, 2020 waren es nur noch 19 Prozent. Glaube und Kirche scheinen damit in eine gewisse gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit zu rutschen“, so Zach.
Doch trotzdem ist sich der Rosenheimer Pfarrer sicher, dass es die großen Kirchen weiterhin geben wird: „Das steht außer Frage. Aber wie werden sie aussehen?“
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Info: Journal Stadtteilkirche Rosenheim-Inn / Beitragsbild: Innpuls.me)
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