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Mut zur Wildnis im Garten zahlt sich aus

Haussperling

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

27. Mai 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Hilpoltstein / Bayern – Die Ergebnisse zur 19. Stunde der Gartenvögel liegen vor: Der Spatz flatterte an die Spitze. Insgesamt wurden aber so wenig Vögel pro Garten wie noch nie gezählt. Und: Mut zur Wildnis im Garten zahlt sich aus.

Mehr als 11.900 Naturfreunde in ganz Bayern haben vom 12. bis zum 14. Mai eifrig für das bürgerwissenschaftliche Projekt Vögel gezählt. Im Rahmen der großen Mitmachaktion des bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und seinem bundesweiten Partner NABU meldeten sie über 258.000 Vögel aus etwa 9.000 Gärten, Balkonen und Parks. „Wir sind begeistert, dass sich so viele Menschen trotz des wechselhaften Wetters nicht davon haben abhalten lassen, eine Stunde lang die Vögel vor der eigenen Haustür zu beobachten und zu zählen. Jeder Teilnehmende hat wichtige Daten über die Vogelwelt im Siedlungsraum geliefert“, erklärt die LBV-Biologin Dr. Angelika Nelson. So können die Naturschützer des LBV langfristige Trends im Bestand der bayerischen Gartenvögel erkennen. Mit durchschnittlich nur etwa 28 Vögeln beobachteten die Teilnehmenden in ihren Gärten dieses Jahr so wenige Vögel, wie noch nie seit Beginn der Aktion im Jahr 2006.

Hier die Zahlen für den Landkreis Rosenheim:

Im Landkreis Rosenheim wurden für die Stunde der Gartenvögel 263 Teilnehmer registriert, die ihre Beobachtungen aus 210 Gärten meldeten. Insgesamt wurden 6336 Vögel gezählt – das ergibt im Durschnitt 30,17 Vögel pro Garten.
Oben an der Spitze auch hier der Haussperling. Er wurde in 70 Prozent der teilnehmenden Gärten gesichtet, gefolgt vom Star und dem Feldsperling – bei dem es übrigens einen leichten Aufwärtstrend gibt.
Abwärts ging es dagegen bei Blaumeise, Buchfink, Mauersegler und Mehlschwalbe und einer Vielzahl anderer Vogelarten.

Drastische Abnahme von Vogelarten

In diesem Jahr wurden bei der Stunde der Gartenvögel acht Vögel pro Zählort weniger als noch vor 10 Jahren gemeldet. Den Naturschützern des LBV stellt sich die Frage, ob sich die wissenschaftlich belegte, drastische Abnahme vieler Vogelarten auf Wiesen und Feldern nun bei Vogelarten in Bayerns Städten und Dörfern fortsetzt. Die Gründe dafür können vielfältig sein: „Ökologisch wertvolle Lebensräume im Übergangsbereich zwischen Siedlung und Kulturland werden zunehmend bebaut. Dort verschwinden Vogelarten, wie Wendehals, Gartenrotschwanz und Grauschnäpper. Einst häufige Arten, wie Haussperling oder Mehlschwalbe, finden an glatten Hausfassaden zu wenig Nistmöglichkeiten“, erklärt Angelika Nelson. Im Siedlungsraum gehen naturnahe, unversiegelte Grünflächen mit alten Baumbeständen und Hecken verloren. Das Nahrungsangebot, vor allem an Insekten, wird knapp für Bachstelze, Bluthänfling und Gartengrasmücke.
Hinzu kommt die Klimakrise, deren konkrete Auswirkungen noch nicht absehbar sind. „Manche Standvögel, wie Zaunkönig und Türkentaube, mögen von den wärmeren Wintern profitieren. Auch Kurzstreckenzieher, wie Hausrotschwanz und Mönchsgrasmücke können sich vielleicht ein längeres Frühjahr und damit eine verlängerte Brutzeit zunutze machen“, so die LBV-Ornithologin. Doch Starkwetter-Ereignisse und Trockenperioden, wie sie auch in Bayern immer häufiger vorkommen, werden sich wohl überwiegend negativ auf die Vogelwelt auswirken.

Wohlfühlort: wilder Garten

Um dem vermeintlich negativen Trend und Wandel im Siedlungsraum entgegenzuwirken kann jede und jeder etwas beitragen. Von strukturreichen Gärten, mit samentragenden Wildblumen, Beerensträuchern, Hecken und Totholz profitieren viele Arten, so auch zum Beispiel der Stieglitz. Ihn beobachteten die Teilnehmenden in diesem Jahr in 16 Prozent der Gärten und damit weitaus häufiger als im vergangenen Jahr. „Eine ähnliche Entwicklung fiel uns bereits bei der Stunde der Wintervögel im Januar auf. Es könnte ein Indiz dafür sein, dass mehr Menschen den Mut zur kleinen Wildnis vor der Haustür finden und dem Stieglitz als Samenfresser somit ein passendes Buffet bieten“, sagt Angelika Nelson.

Die Top 10 der Gartenvögel

Der Haussperling bleibt 2023 die Nummer 1 der bayerischen Gartenvögel. „Auffällig ist aber, wie bereits seit vielen Jahren, dass der Spatz aus der Stadt und dem Landkreis München kaum gemeldet wird. Der kleine Vogel sucht dort oft vergeblich nach Nahrung, geeigneten Brutplätzen oder Versteckmöglichkeiten, wie Büschen und Hecken“, erklärt LBV-Ornithologin Angelika Nelson. Hinter dem Haussperling auf Rang 2 landet die Amsel, den letzten Platz auf dem Siegertreppchen sichert sich der Star. Hinter ihnen auf Rang 4 flattert in diesem Jahr die Kohlmeise. Ihr folgt der Feldsperling, der ihr bis zum Ende des Meldezeitraums dicht auf den Fersen war.

Die Blaumeise landet auf Platz 6 und verzeichnet im Gegensatz zum vergangenen Jahr einen leicht positiven Trend. Ihren Stammplatz sichert sich bereits das zwölfte Jahr in Folge die Elster (7.) Deutlich zulegen konnte in diesem Jahr der Grünfink. Reichte es vergangenes Jahr nur für Platz 10, landet der gelb-grüne Finkenvogel dieses Jahr auf Rang 8. Er reiht sich damit noch vor Mehlschwalbe (9.) und Mauersegler (10.) ein.

Die insektenfressenden Flugakrobaten, wie Mehlschwalbe, Mauersegler aber auch Rauchschwalbe (23.) verzeichnen heuer einen negativen Trend, der bereits am Zählwochenende sichtbar war. Ein Grund dafür sind vermutlich die vielen Regenschauer, die den Freistaat am Wochenende überquerten. „Schwalben und Mauersegler jagen Insekten in der Luft. Weil ihre Beute bei Regen nicht durch die Gärten und Parks summt und brummt, weichen sie, wenn möglich, der Schlechtwetterfront aus und jagen in sonnigen Gegenden nach Insekten“, so die LBV-Vogelexpertin.

Amsel flattert durch die meisten Gärten

Wenn es darum geht, welcher Vogel die meisten Gärten besucht, hat in diesem Jahr einmal mehr die Amsel den Schnabel vorne: Auch wenn sie nach absoluten Zahlen auf Rang 2 landet, konnte sie am Zählwochenende in 93 Prozent der Gärten beobachtet werden. In der Stadt Memmingen (Schwaben) sowie in den Städten Weiden in der Oberpfalz und Coburg (Oberfranken) und im Landkreis Dingolfing-Landau (Niederbayern) ist die Amsel sogar in jedem Garten zu Hause. In der kreisfreien Stadt Ingolstadt ließ sie sich hingegen nur in 78 Prozent der Gärten blicken.

Die meisten Vögel pro Garten in Niederbayern

Bayernweit haben die Teilnehmer  etwas mehr als 28 Vögeln pro Garten gesehen und damit deutlicher weniger als das langjährige Mittel von 32. Über die meisten Vögel pro Garten konnten sich Naturfreunde und Naturfreundinnen in Niederbayern (35,2) freuen, gefolgt von den Beobachtenden in der Oberpfalz (31,7) und Oberfranken (31). In Oberbayern sahen die Teilnehmenden mit 25,1 am wenigsten Vögel pro Garten. Mittelfranken (28), Schwaben (29,6) und Unterfranken (29,9) reihen sich dazwischen ein.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Symbolfoto re)

1 Kommentar

  1. Die Stadtverwaltung hat ja mehr Interesse an Nachverdichtung und Bäume fällen als am Erhalt grüner Oasen die die Stadt auch ein bisschen abkühlen. Und der Natur Lebensraum bieten.

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