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„Recka“ und „Dagmar“ in Freiheit entlassen

Bartgeier

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

12. Juni 2022

Lesezeit: 4 Minute(n)

Berchtesgaden/ Hilpoltstein / Bayern – Über 140 Jahre nach ihrer Ausrottung durch den Menschen fliegt seit 2021 wieder der Bartgeier durch die Lüfte der deutschen Alpen. Der bayerische Naturschutzverband LBV und der Nationalpark Berchtesgaden haben heute bereits zum zweiten Mal junge, noch nicht flugfähige Bartgeier in einer Felsnische im Klausbachtal erfolgreich ausgewildert. Das auf zehn Jahre angelegte Projekt soll die zentraleuropäische, alpine Population dieser seltenen Vogelart stärken und mit den Beständen auf dem Balkan und in Kleinasien verbinden. Die Rückkehr des völlig harmlosen Greifvogels in die deutschen Alpen bildet so einen wichtigen geografischen Lückenschluss für die Art. Vor ihrer Auswilderung wurden die beiden jungen Bartgeierweibchen vom Bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber auf die Namen „Recka“ und „Dagmar“ getauft.

„Der nächste große Schritt in der Auswilderung des majestätischen und faszinierenden Bartgeiers im östlichen Alpenraum ist geschafft. In den kommenden Jahren werden wir die Erfolgsgeschichte dieser faszinierenden Vogelart fortschreiben“, freut sich der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Die beiden Jungvögel stammen wie im vergangenen Jahr aus einer andalusischen Zuchtstation der Vulture Conservation Foundation (VCF) und gehören zu einem europäischen Nachzuchtprogramm. Auch im Nationalpark Berchtesgaden ist die Freude groß: „Zwei weitere Bartgeier haben jetzt in Berchtesgaden ein neues Zuhause gefunden. Dieser Auswilderungsort ist ideal für die Jungvögel und für die Bildungsarbeit des Nationalparks zu diesem einmaligen Artenschutzprojekt“, freut sich Nationalparkleiter Dr. Roland Baier.

Bartgeier-Fans aus ganz Deutschland
kamen zur Auswilderung

Beim offiziellen Festakt, bei dem Bartgeier-Fans aus ganz Deutschland und aus weiten Teilen der Alpenregionen versammelt waren, gratulierten im Kreis der geladenen Gäste auch Landrat Bernhard Kern und der Bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber. „Heute ist ein guter Tag für die Artenvielfalt. Die Bartgeier sind endlich wieder da, wo sie hingehören: in den bayerischen Alpen. Die Giganten der Lüfte sollen sich jetzt in Bayern etablieren. Trotz aller Herausforderungen geht das Großprojekt dieses Jahr in die zweite Runde. Die Rückkehr der beeindruckenden Greifvögel nach Bayern ist ein Meilenstein für den Artenschutz. Das Bayerische Umweltministerium unterstützt das herausragende Projekt bis Ende 2023 mit rund 610.000 Euro.“, sagt der Bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber.

Ankunft der Bartgeier
in Berchtesgaden

Nachdem die beiden noch nicht flugfähigen Geierweibchen am Vortag vom Tiergarten der Stadt Nürnberg nach Berchtesgaden gebracht worden waren, wurden sie von den Experten des Nationalparks und des LBV aus den Transportkisten geholt und erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Umweltminister Thorsten Glauber übernahm hierbei die feierliche Taufe der beiden Bartgeier. Ein Bartgeierweibchen trägt den Namen „Recka“ nach der einzigen Tochter von „König Watzmann“ aus einem Werk des bayerischen Schriftstellers Ludwig Ganghofer („Die Martinsklause“). Bei einem Wettbewerb des Berchtesgadener Anzeigers waren über 100 Vorschläge eingegangen, aus denen eine Jury schließlich diesen traditionellen Namen mit Heimatbezug für einen der Junggeier auswählte. Der Name „Dagmar“ für den zweiten Vogel wurde erstmals von einem langjährigen und großzügigen Spender des LBV vergeben.

Aufstieg in die
Auswilderungsnische

Anschließend wurden die beiden Junggeier in Tragekisten gesetzt und von Nationalpark- und LBV-Mitarbeiter*innen auf Kraxen den Berg zur Auswilderungsnische hinaufgetragen. Der eineinhalbstündige Aufstieg konnte anfangs noch von interessierten Wanderern begleitet werden. Ab Erreichen des weglosen Geländes in der sogenannten Halsgrube war nur noch ein kleines Team aus Experten, Trägern und Nationalpark-Rangern zugelassen. Der anspruchsvolle Steilhang und die Querung über Felsplatten in die eigentliche Nische hinein waren auf den letzten Metern mit Sicherungsseilen versehen. Im Absturzgelände war von allen Beteiligten höchste Konzentration nötig. Wegen der großen Steinschlaggefahr trugen alle Beteiligten zur Sicherheit Helme. „Nach dem geglückten Anstieg haben wir Recka und Dagmar in zuvor vorbereitete Nester aus Fichtenzweigen und Schafwolle gesetzt. Anschließend wurden den Vögeln die GPS-Sender angelegt, sie wurden noch einmal untersucht und das erste Futter aus Wildknochen in der Nähe platziert. Direkt danach haben wir uns zurückgezogen, um den beiden Geiern die Eingewöhnung in ihre neue Heimat zu ermöglichen“, erklärt LBV-Projektleiter und Bartgeierexperte Toni Wegscheider.
Die 6 mal 20 Meter große eingezäunte Felsnische liegt in etwa 1.300 Metern Höhe. Dort werden die rund 90 Tage alten Bartgeier von nun an ohne menschlichen Kontakt weiter aufwachsen und das Fliegen üben. Wissenschaftler werden die Vögel in den kommenden Monaten rund um die Uhr von einem nahegelegenen Beobachtungsplatz aus durch installierte Infrarotkameras und einem Livestream überwachen. „Die durchgehende Beobachtung ermöglicht uns, Unregelmäßigkeiten sofort zu erkennen. So können wir den beiden Vögeln einen optimalen Schutz bieten“, so Toni Wegscheider. Die Fütterung erfolgt je nach Bedarf im Abstand von mehreren Tagen.

Jungfernflug in den 
nächsten Wochen erwartet

Der selbständige erste Ausflug der beiden Vögel dürfte nach ausgiebigen Flugübungen in etwa vier Wochen stattfinden. „Dann sind ihre Flügel stark genug, um mit ihrer bis zu 2,90 Meter Spannweite ihre rund sechs Kilo Körpergewicht in die Luft zu heben“, sagt Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel. Danach werden sie vor ihrem endgültigen Aufbruch zur Erkundung des europäischen Alpenraums noch bis in den Spätsommer in der näheren Umgebung der Felsnische im Nationalpark anzutreffen sein. Dort werden sie auch weiterhin bei Bedarf mit Nahrung versorgt und überwacht.

Rückblick auf die 2021
ausgewilderten Bartgeier

Bavaria ist momentan auf weiten Streifzügen im Umfeld des Nationalparks Berchtesgaden unterwegs. Vor knapp zwei Wochen hat ein Kletterteam des LBV allerdings Reste des im Vorjahr ausgewilderten und seit Mitte April verschwundenen Bartgeierweibchens Wally gefunden. Die Überreste des Bartgeierweibchens wurden umgehend zur Untersuchung bei einer unabhängigen Fachstelle eingereicht. „Der kürzliche Tod des Bartgeiers Wally war für uns gerade im ersten Projektjahr ein Rückschlag. Es erinnert uns aber auch daran, dass es für die auf zehn Jahre angelegte Auswilderung dieser Vogelart einen langen Atem braucht“, betont der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer.

Live-Webcam in Felsnische
Interessierte können die Entwicklung und Flugübungen der beiden Bartgeier-Damen in den kommenden Wochen und Monaten wie bereits im Vorjahr im Internet mitverfolgen. Die Geschehnisse in der Auswilderungsnische werden live auf der Webseite des LBV unter www.lbv.de/bartgeier-webcam sowie unter www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de mit der aktuell weltweit einzigen Bartgeier-Live-Webcam übertragen. Die ersten Flugversuche und der weitere Lebensweg der beiden Vögel können anschließend in den nächsten Monaten und Jahren ebenfalls im Internet mitverfolgt werden. Dank der GPS-Sender auf dem Rücken der Bartgeier werden die zukünftigen Flugrouten der Vögel auf einer Karte unter www.lbv.de/bartgeier-auf-reisen dargestellt.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Symbolfoto re)

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