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„Rosenheim – eine Wiege der Trachtenbewegung“

Bayerische Tracht mit grüner Schürze. Foto: re

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

6. September 2024

Lesezeit: 3 Minute(n)

Rosenheim – Herbstfestzeit ist in Rosenheim Trachtenzeit – und das aus gutem Grund: „Rosenheim ist eine Wiege der Trachtenbewegung“, weiß die ausgebildete Stadtführerin Angelika Schartel vom Trachtenverein Rosenheim I Stamm.

Im Jahr 2021 wurde in Rosenheim zum ersten Mal ein Brauchtumstag organisiert und zu diesem Anlass eine Stadtführung angeboten, die sich mit der Trachtenbewegung beschäftigte. Durchgeführt wurde diese von Angelika Schartel. Bei ihren Recherchen in alten Archiven und Chroniken ist sie auf einiges gestoßen, dass man so nicht unbedingt erwartet.
Das fängt schon damit an, wo die Trachtenbewegung ihren Ursprung hat. Nicht, wie man sich eigentlich denken könnte, im ländlichen Raum, sondern tatsächlich auch maßgeblich in der Stadt.

Der erste Trachtenverband Bayerns entstand in Rosenheim

Im Jahr 1883 gründete Schullehrer Josef Vogl in Bayrischzell den ersten Trachtenverein überhaupt. Der älteste der drei Rosenheimer Trachtenvereine, heutzutage bekannt als „I Stamm“ bildete sich im Jahr 1889 unter dem Namen Schuplattlergesellschaft. Es folgten im Jahr 1893 „Alt Rosenheim“ und im Jahr 1903 die „Innviertler“.
Selbst der erste und älteste Trachtenverband Bayerns, heute „Gauverband 1“ wurde 1890 in Rosenheim gegründet. „Ein Motor der Trachtenbewegung war die Industrialisierung. Mit der Saline und der Eisenbahn in Rosenheim zogen viele Menschen auf der Suche nach Arbeit vom Land in die Stadt. Dort sehnten sie sich nach Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit. Und dies lässt sich auch gut über eine einheitliche Kleidung  und gemeinsame Brauchtumspflege ausdrücken. So entstanden schließlich in Rosenheim 3 Trachtenvereine, hat Angelika Schartel in Erfahrung gebracht.

„Innviertler“ waren einst „Dö schwarzen Brüada“

Tatsächlich entstand der Trachtenverein „Alt Rosenheimer“ aus einem Eisenbahner Verein und der „I Stamm“ aus einem Schlossberger Turnverein. Die Gründer des „G.T.E.V. D Innviertler Rosenheim“ waren zum sehr großen Teil Arbeiter einer Munitionsfabrik, die südöstlich von Rosenheim an der Sims im Gemeindebereich Stephanskirchen gelegen war. Wegen ihrer Arbeit mit dem Schwarzpulver nannten sich die Trachtler ursprünglich „Dö schwarzen Brüada“.

Von Anfang an ging es bei den drei Rosenheimer Trachtenvereinen neben Brauchtumspflege auch um Geselligkeit und Frohsinn. Ihre Treffpunkte waren die Wirtshäuser – und damit gab es auch schon früh eine enge Verbundenheit mit den Brauereien in der Stadt.
Neben Musik und Gesang stand dann auch schnell das Schuhplatteln hoch im Kurs. „Von der Kirche wurde das allerdings zu dieser Zeit gar nicht gerne gesehen. Platteln galt als unsittlich“, erzählt Angelika Schartel. Tatsächlich erinnere das Platteln ein wenig an die Balz eines Auerhahns:  „Beim Platteln zeigt Mann seine Kraft, sein gutes Aussehen und sein Rhythmusgefühl“, schmunzelt Angelika Schartel.
Trotz Einwände der Kirche ließen sich die Trachtler das Platteln nicht mehr nehmen. Es ist auch heute noch ein wichtiger Bestandteil des bayerischen Trachtenlebens, besonders eindrucksvoll demonstriert wird dies seit vielen Jahren am zweiten Wiesnsonntag  mit Bayerns wohl größtem Volksfest-Gemeinschafts-Plattler, zu dem in allen Gängen und Zwischenbereichen des Flötzinger Festzelts gemeinsam zur Amboß-Polka geplattelt wird. „Das zu erleben ist auch für mich nach wie vor ein Gänsehaut-Moment. Die  Atmosphäre im Zelt ist da ganz besonders“, so Angelika Schartel.

Trachtentänze gab es in den Anfangsjahren noch nicht

Trachtentänze, so wie wir sie heute kennen, gab es in den Anfangsjahren der Trachtenbewegung noch nicht. Anfänglich war es in den Vereinen noch nicht üblich miteinander zu tanzen, es wurde nur geplattelt“, weiß die Rosenheimerin.
Im Laufe der Zeit hat sich bei den Rosenheimer Trachtenvereinen überhaupt so einiges verändert. „Mitglieder in den Trachtenvereinen waren zunächst einmal nur Erwachsene. Kinder haben da noch keine Rolle gespielt“, sagt Angelika ‚Schartel. Nachwuchsarbeit, wie man sie heute versteht, entstand dann erst in den 1970er Jahren.  Außerdem habe es in früheren Zeiten ein gewisses Konkurrenzdenken bei den drei Rosenheimer Trachtenvereinen gegeben: „Das ist heute überhaupt nicht mehr der Fall. Wir unterstützen uns und helfen uns, wo es nur geht. Es ist ein großes Miteinander“.

Die Trachtenbewegung trägt nach wie vor viel dazu bei, dass Brauchtum, Tradition und Festtage erhalten bleiben. Und auch beim Rosenheimer Herbstfest sind die Trachtenvereine beim Wiesneinzug und dem Erntedankfest nicht wegzudenken.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild: re)

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