Rosenheim – Die Schlaganfallversorgung am RoMed Klinikum ist nochmals erweitert worden. Wichtigster Baustein ist die Schlaganfallstation der Neurologischen Klinik, die von der Deutschen Schlaganfallgesellschaft mit neun Betten zertifiziert ist. Hiermit können nun Schlaganfallpatienten sämtlicher Schweregrade direkt im RoMed Klinikum Rosenheim medizinisch versorgt werden.
„Mit jährlich ca. 1.000 Schlaganfallpatienten, die hier direkt vor Ort zusammen mit den Kollegen der Kliniken für Neuroradiologie, Neurochirurgie, der Anästhesie sowie durch die hervorragende Betreuung der Intensivstation behandelt werden, sind wir nicht nur in der Stadt und im Landkreis Rosenheim, sondern auch darüber hinaus einer der größten Versorger von akut neurologischen Erkrankungen“, betont PD Dr. Joji Kuramatsu, Chefarzt der Neurologischen Klinik am RoMed Klinikum Rosenheim.
Plötzlich Ernstfall: Symptome erkennen und sofort handeln
Der Neurologe berichtet über einen ganz typischen Fall: Eine 74-jährige Patientin, ist während der Gartenarbeit zusammengebrochen, hatte anschließend einen hängenden Mundwinkel, konnte ihre komplette rechte Körperhälfte nicht mehr bewegen und nicht mehr Sprechen. Die Enkeltochter alarmierte sofort den Notarzt. Wenige Tage zuvor hatte sie in der Schule etwas über die plötzlichen Symptome eines Schlaganfalls gelernt und wusste, dass sofortiges Handeln in dieser Situation das Allerwichtigste ist, denn pro Minute gehen bei einem Hirninfarkt zwei Millionen Nervenzellen zu Grunde.
Der hinzugezogene Notarzt informierte die Rettungsleitstelle über den Schlaganfallverdacht und verbrachte die Patientin umgehend in die Zentrale Notaufnahme des RoMed Klinikums Rosenheim. Durch diese Alarmierung wurde bereits vor Ankunft der Patientin in der Notaufnahme eine Alarmkette über den Rettungsdienst ausgelöst, um eine sofortige umfassende Versorgung sicherzustellen: das Team aus Neurologen, Neuroradiologen, Neurochirurgen sowie die Notaufnahme- und Stroke-Unit Crew standen bereit. Der neurologische Dienstarzt bestätigte die Verdachtsdiagnose eines sehr schweren Schlaganfalls. Eine Hirnblutung konnte zwar ausgeschlossen werden, doch in der Gefäßdarstellung der Computertomographie zeigte sich ein vollständiger Verschluss der mittleren Hirnarterie der linken Hirnhälfte.
Die Therapie – so schnell wie möglich
Um so einen Gefäßverschluss wieder zu eröffnen, arbeitet das eingespielte Team eng zusammen. Zunächst erfolgt sofort eine medikamentöse Therapie (Lysetherapie) zur Auflösung des Gerinnsels. Ganz entscheidend ist allerdings, dass das Gefäß mittels neuroradiologischer Methode eröffnet wird: die mechanische Thrombektomie. „Dieses neuartige Verfahren hat sich seit 2015 fest in der Schlaganfallversorgung etabliert“, berichtet Dr. Charlotte Rüther, Chefärztin der Neuroradiologischen Klinik. Ein Katheter (sogenannter Führungskatheter) wird von der Leistenarterie unter Röntgensicht bis in die Halsarterie vorgeschoben. Durch behutsames Einspritzen eines Röntgen-Kontrastmittels kann der Gefäßverschluss in der Hirnarterie dargestellt werden. Im Anschluss wird mit einem kleinsten Mikrodraht und Mikrokatheter durch das Blutgerinnsel der Hirnarterie sondiert. Hierüber kann der sogenannte Stentretriever (ein Maschengeflecht) freigesetzt werden, der das Blutgerinnsel mechanisch greifen kann. Anschließend wird der Stentretriever mit dem Gerinnsel unter zusätzlicher Absaugung zurückgezogen. „Idealerweise kann der Blutfluss der Hirnarterie mit dieser Therapie vollständig hergestellt werden, sodass das Hirngewebe wieder mit Sauerstoff versorgt werden kann. Je schneller dieser Prozess gelingt, desto besser ist es für die Patienten“, berichtet Dr. Rüther. Im Anschluss wird die Patientin auf der Schlaganfallstation überwacht und therapiert, durch ein speziell ausgebildetes Team, bestehend aus Pflegefachkräften, Physio-, Ergo- und Logopädie-Therapeuten sowie Neurologen.
Schlaganfall gleich Hirnblutung?
„Als Schlaganfall wird nicht nur der Verschluss eines Blutgefäßes – ischämischer Schlaganfall, sondern in 15 Prozent der Fälle auch der Einriss eines Blutgefäßes, hämorrhagischer Schlaganfall, bezeichnet“, erklärt Dr. Georgios Ntoulias, Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik. Dem Neurochirurgen kommt in der ersten kausalen Behandlung, dieser nahezu schwersten Form des Schlaganfalls, eine entscheidende Rolle zu.
Die akute Versorgung einer Hirnblutung, als Folge eines eingerissenen Blutgefäßes, kann entweder konservativ oder operativ verlaufen. Bei der konservativen Behandlung ist eine intensivmedizinische Überwachung der Vitalparameter wie zum Beispiel Herzfrequenz, Blutdruck, Körpertemperatur, Atemfrequenz für einen bestimmten Zeitraum bis zur spontanen Resorption der Blutung (Prozess, bei dem die Blutbestandteile durch den Körper abgebaut werden) notwendig. Dabei sind die neurologischen Funktionen des Patienten ebenfalls zu überwachen. Bei Verschlechterung der neurologischen Funktionen oder bei rasantem Anstieg des intrakraniellen Druckes (Gehirndruck), welcher sich meist durch eine Bewusstlosigkeit abzeichnet, sollte eine operative Entlastung der Blutung in Betracht gezogen werden. Die Operation erfolgt über eine kleine Eröffnung durch die Schädelkalotte (Schädeldach). Der Zugang ins Gehirn erfolgt mit Hilfe eines Operationsmikroskops. Die Blutung kann nun mit einem Sauger vorsichtig entlastet werden. Bei kleineren und tief im Gehirn gelegenen Blutungen kann ein minimal-invasives Verfahren angewandt werden. Über eine sogenannte Bohrlocheröffnung wird mit Hilfe eines Navigationssystems ein Katheter in die Blutungshöhle platziert. Durch den Katheter wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Gerinnsel-auflösende Medikation (Lysetherapie) verabreicht, sodass die Blutung über mehrere Behandlungsabschnitte entlastet und letztendlich komplett vom Körper abgebaut werden kann. „Die Entscheidung zur operativen Behandlung einer Hirnblutung wird interdisziplinär, gemeinsam mit den Kollegen der Neurologie getroffen. Das Ziel der operativen Behandlung sollte bereits vor der Operation festgelegt werden und wenn möglich mit dem Patienten und den Angehörigen ausführlich besprochen und kommuniziert werden“, betont Dr. Georgios Ntoulias, Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik. Nach einer Hirnblutung kann die betroffene Person trotz intensivmedizinischer Behandlung pflegebedürftig werden. Daher ist hier das Eruieren des mutmaßlichen Willens des Patienten von großer Bedeutung.
Risiko eines erneuten Schlaganfalls minimieren
Die Ursache des Schlaganfalls herauszufinden ist dabei besonders wichtig. Bei der Identifizierung des Grundes gilt es generell eine sogenannte embolische Ursache, hier bildet sich häufig ein Blutgerinnsel im Herzen und wird dann in hirnversorgende Gefäße ausgeschwemmt, von anderen Ursachen, die durch eine Gefäßverkalkung bedingt sind, zu unterscheiden. Bei der immer älter werdenden Gesellschaft ist das sogenannte Vorhofflimmern, eine Herzrhythmusstörung des alternden Menschens, gewissermaßen eine Volkskrankheit und der häufigste Auslöser für einen embolischen Schlaganfall. Das Gefährliche an dieser Herzrhythmusstörung ist, dass der Patient meistens nichts bemerkt und häufig das EKG beim Hausarzt unauffällig ist, weil die Störung plötzlich auftritt. So kann das Problem immer wieder einmal für mehrere Minuten vorhanden sein und just in dem Moment, wenn ein EKG geschrieben wird, der Herzrhythmus wieder normal sein. Im Rahmen der mehrtägigen Überwachung dieser Patienten auf der Schlaganfallstation erfolgt eine dezidierte Analyse des Herzrhythmus, um dieses Vorhofflimmern zu erkennen. Es gilt also, bevor ein Schlaganfall auftritt, eine Herzrhythmusstörung zu identifizieren. Hierbei könnten in Zukunft Smartwatches mit EKG oder ähnliche Devices einen Zusatznutzen bieten, um den Hausarzt über mögliche Herzrhythmusstörungen zu informieren.
Wann ist man gefährdet?
Zu den wesentlichen Risikofaktoren für das Auftreten eines Schlaganfalls zählen: Das Rauchen, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Diabetes mellitus, übermäßiger Alkoholkonsum und mangelnde körperliche Betätigung. „Mit einem gesunden Lebensstil kann sich wirklich jeder Mensch vor vaskulären Erkrankungen schützen, indem er sich regelmäßig bewegt, Sport treibt, sich vor allem gesund ernährt und aufhört zu rauchen oder besser: erst gar nicht damit anfängt“, mahnen unisono die RoMed-Neuro-Chefärzte Dr. Kuramatsu, Dr. Rüther und Dr. Ntoulias.
Symptome eines Schlaganfalls:
Häufige Symptome sind: Seh-, Sprachstörungen, Lähmungen, Taubheitsgefühle, Schwindel, Gangunsicherheit und sehr starke Kopfschmerzen. Mit dem FAST-Test – Face, Arms, Speech, Time – können Laien ganz schnell den Verdacht auf einen Schlaganfall überprüfen.
- Face (Gesicht): Betroffene Person soll versuchen zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet dies auf eine halbseitige Lähmung.
- Arms (Arme): Es sollen beide Arme gerade aus nach vorne gestreckt werden und die Handflächen nach oben zeigen. Wenn ein Arm absinkt oder sich dreht, deutet das auf eine Lähmung.
- Speech (Sprache): Kann die betroffene Person einen einfachen Satz nicht nachsprechen oder die Aussprache ist sehr undeutlich, könnte eine Sprachstörung vorliegen.
- Time (Zeit): In diesen Fällen unverzüglich die Notrufnummer 112 wählen und Symptome mitteilen.
(Quelle: Pressemitteilung RoMed Kliniken / Beitragsbild: Von Links Chefarzt PD Dr. Joji Kuramatsu – Neurologische Klinik, Chefärztin Dr. Charlotte Rüther – Neuroradiologische Klinik und Chefarzt Dr. Georgios Ntoulias, Neurochirurgische Klinik Copyright RoMed Kliniken)
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