Kolbermoor / Landkreis Rosenheim – Als die CSU Dr. Gregor Kirchhof, Professor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht im Juli diesen Jahres zu einem Vortrag über die Schuldenbremse nach Kolbermoor (Landkreis Rosenheim) eingeladen hat, wusste noch niemand, wie brisant dieses Thema werden würde. Dementsprechend groß war das Interesse an dieser Veranstaltung am gestrigen Dienstag (12.11.2024)
Der Vortrag mit anschließender Podiumsdiskussion fand an einem dafür ungewöhnlichen Ort vor: dem Autohaus Premium Cars in Kolbermoor. Eingeladen hatte der CSU-Ortsverband Kolbermoor gemeinsam mit der Mittelstands-Union Rosenheim-Land und dem CSU-Kreisverband Rosenheim.
Das Interesse war, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen politischen Ereignisse, hoch. Die Halle war voll besetzt. Unter den Besuchern waren viele prominente Vertreter aus der regionalen Politik- und Wirtschaftswelt, darunter Rosenheims Landrat Otto Lederer, Landtagsabgeordneter Sebastian Friesinger, IHK-Vorsitzender der Region Rosenheim Andreas Bensegger und Gerd Maas, Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft & Politik der Verbandsgruppe „Wir Eigentümerunternehmer“.
Leonhard Sedlbauer, Vorsitzender der CSU Ortsverband Kolbermoor und sein Stellvertreter Fabian Artmann (links) leiteten in den Abend ein. Fotos: Josefa Staudhammer
„Die Zeiten sind speziell“
Eigentlich wollte auch Rosenheims Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) bei dem Vortragabend in Kolbermoor mit dabei sein. Aufgrund der brisanten politischen Lage ließ sie sich aber entschuldigen und sandte aus Berlin eine Videobotschaft. „Die Zeiten sind speziell“, sagte sie und sprach sich für schnellstmögliche Neuwahlen aus: „weil das Land keine Hängepartie brauchen kann“.
Eine weitere Videobotschaft gab es von der EU-Abgeordneten Angelika Niebler (CSU). „Es ist gut, dass die FDP der Ampel endlich den Stecker gezogen hat“, meinte sie. Die Schuldenbremse ernst zu nehmen, seit gut und richtig. Dabei gehe es um Generationengerechtigkeit und verantwortungsvollen Handeln. Die Politik zwinge die Schuldenbremse außerdem zur Prioritätensetzung.
Professor Dr. Gregor Kirchhof erklärte warum die Schuldenbremse eingeführt wurde und warum sie, aus seiner Sicht, auch eingehalten werden sollte.
Professor Dr. Gregor KIrchhof von der Universität Augsburg erklärte den Zuhörern dann genau, warum die Schuldenbremse im Jahr 2009 überhaupt eingeführt wurde, warum sie seiner Meinung nach heute mehr denn je sinnvoll ist und es derzeit auch aus rechtlicher Sicht eigentlich keine Möglichkeit gibt, sie auszusetzen, wie von der Ampel gefordert.
„Keine außergewöhnliche Notsituation“
Denn diese berufe sie auf eine „außergewöhnliche Notsituation“ und führe dabei den Krieg in der Ukraine und den Sieg Trumps in Amerika an. Beides entspreche aber in keinster Weise der rechtlichen Definition dieses Begriffs.
Der Experte lehnt eine weitere Kreditaufnahme des Staates aber auch aus einer ganzen Reihe von anderen Gründen ab. Dabei geht es ihm wie Niebler auch um die Generationengerechtigkeit. Man dürfe den nachfolgenden Generationen nicht noch mehr Probleme aufladen, als sie aktuell eh schon da sind.
Im Jahr 1970 lagen die expliziten Staatsschulden noch bei 64 Milliarden Euro. Aktuell sind es bereits 2454 Milliarden Euro. Die impliziten Staatsschulden seien noch einmal um ein vielfaches höher – und irgendwann müsse man die Schulen eben auch zurückzahlen. Im Fall der Staatsschulden, die in der Corona-Zeit entstanden sind, solle dies beispielsweise erst nach 2050 der Fall sein.
Darum müsse Schluss sein, mit dem immer mehr Schulden. „Schulden sind für die Politik verführerisch. Genau darum muss an der Schuldenbremse festgehalten werden, denn sie setzt der Politik Grenzen“.
Steuereinnahmen liegen bei rund 900 Milliarden Euro
Obwohl die Wirtschaftslage in Deutschland alles andere als gut sei, würden die Steuereinnahmen bei rund 900 Milliarden Euro liegen, bald knacke man die 1000 Milliarden-Marke. Von Geldmangel könne man also sowieso nicht sprechen. Das Problem an der aktuellen Situation liege in der Politik an anderer Stelle. „Zu viele Personen, zu viele Gesetze, zu viel Geld“, brachte es Kirchhof auf den Punkt.
„Staat muss sich an Menschen orientieren und nicht umgekehrt“
Der Verfasungsrechtler forderte von der Politik ein Umdenken: „Der Staat muss sich an den Menschen orientieren und nicht umgekehrt.“ Eines der größten aktuellen Probleme sei die Überregulierung. Es müsse zukünftig wieder mehr Freiheit geben – auch im Sinne einer Transzendenz. Kirchhof interpretierte diesen Begriff aus heutiger Sicht weniger mit dem Glauben an einen Gott oder höhere Macht, sondern viel mehr mit Instinkt und Emotionen. Nur auf diese Weise seien Innovationen möglich.
Podiumsdiskussion rundete den Abend ab
Nach dem Vortrag stand noch eine Podiumsdiskussion zum Thema auf dem Programm, an der auch Andreas Bensegger, IHK-Vorsitzender der Region Rosenheim und Gerd Maas, Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft & Politik der Verbandsgruppe „Wir Eigentümerunternehmer“ teilnahmen.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild, Fotos: Josefa Staudhammer)
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