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Eine tierisch gute Retterin

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

28. Oktober 2021

Lesezeit: 5 Minute(n)

Eggstätt / Rosenheim – Ati ist der erste geprüfte Personenspürhund der Johanniter-Rettungshundestaffel Rosenheim. Im Unterschied zu Flächensuchhunden, die beispielsweise Waldgebiete nach allen menschlichen Witterungen absuchen, verfolgt die Hündin dem Geruch nur einer Person. Herrchen ist der Eggstätter Clemens Joos und er erzählt im Interview mit Innpuls.me, wie die Ausbildung abläuft, was man bei Einsätzen alles erlebt und wie Atis „Privatleben“ aussieht.

Frage: Herr Joos, sind Sie ein Hundemensch?
Antwort: Klar, Hunde machen mich glücklich und helfen, sich selbst besser kennen zu lernen.

Frage: Wie kam Ati in Ihren Haushalt?
Antwort: Sie kam vor gut vier Jahren aus einer Zucht im Schwarzwald. Wir hatten uns über ein Jahr mit unseren Anforderungen, Wünschen und Rasseprofilen beschäftigt. Heraus kam ein Holländischer Schäferhund, ein Sport- und Arbeitshund mit guten Hüteeigenschaften und einem nicht überbordenden Jagdtrieb. Jeder Hundeinteressent sollte sich sehr gut informieren, wofür die Rasse eigetnlich gezüchtet wurde, das muss in den Lebensstil passen.

Frage: Eignet sich jeder Hund beziehunsweise Hunderasse als Personenspürhund?
Antwort: Im Prinzip schon, sie können alle um Klassen besser riechen als wir. Charakter, Arbeitswille und das richtige Maß zwischen Autonomie und Halterbindung sind wichtig. Und ein bisschen Bodenfreiheit im Gelände hilft.

Frage: Wie würden Sie den Charakter Ihrer Ati beschreiben?
Antwort: Unfassbar ausgeglichen, fließend regelbar zwischen zurückhaltender Ruhe und höchstem Arbeitswillen, ob bei der Personensuche oder beimHundezugsport vor dem Roller. Bei der Sicherung unseres Geländes poltert sie manchmal leider ein bisschen heftig los, aber unsere Nachbarn sind da sehr verständnisvoll und schätzen, wenn sie Fremde „meldet“. Das Herrchen kann sie dann schnell wieder niederkuscheln. Sie braucht keien Härte, aber Konsequenz.

Frage: Wann begann Atis Ausbildung zum Personenspürhund?
Antwort: Mit einem Jahr. Aber die könnte auch noch früher beginnen. Wir hatten vorher allerlei andere Hundesportarten ausprobiert, Ali hatte beim Mantrailing schnell Arbeitslust und Talent gezeigt. Durch die Pandemie hat sich die Ausbildung leider um ein gutes Jahr verlängert.

Frage: Wie läuft die Ausbildung ab und wie lange dauert sie?
Antwort: Hund und Halter müssen zusammenwachsen. Die eigentliche Personensuche wird mindestens einmal in der Woche geübt. Da der Hundeführer beim Manrailing über die Leine im direkten Kontakt mit dem Hund steht, ist hier höchste Teamareit gefragt. Wie so oft hängt auch hier der Erfolg oder Misserfolg am anderen Ende der Leine. Zu dem gemeinsamenLernen kommen dann die verschiedneen Ausbildungen für denHundeführer von Sanitäts-Grundausbildung oder Kynologie über Funk, Navigation etc. bis zur psychosozialen Notfallversorgung. Man sollte schon locker zwei Jahre veranschlagen.

Frage: Bei welchen Szenarien kommen Personenspürhunde zum Einsatz?
Anwort: Wenn ein Mensch vermisst wird und der letzte Aufenthaltsort bekannt oder zumindest sehr wahrscheinlich ist. Maintrailer verfolgen dann die Geruchsspur vom älteren zum frischeren Geruch, am Ende dieser Spur sitzt „die Beute“. Das zeigen Sie an, in Atis Fall durch Bellen, dann gibt es eine Belohnung. Wenn sich die individuelle Spur im Gelände verliert, kommen die Flächensuchhunde der Rettungshundestaffel ins Spiel, die frei lafuend und somit schnell größere Geländeareale nach Menschen absuchen.

Frage: Wie oft kommen derartige Einsätze in Stadt und Landkreis Rosenheim / Bayern vor?
Antwort: Die Rettungshundestaffel der Johanniter wird im Schnitt etwa ein bis zwei Mal pro Monat alarmiert. Im Wesentlichen für Einsätze im Zuständigkeitsbereich der Integrierten Leitstelle Rosenheim, also in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach, und zur Unterstützung der Staffeln in den benachbarten Landkreisen. Anfragen von weiter weg kommen vor, sind aber die Ausnahme.

Frage: Wie hoch ist die Erfolgsquote?
Antwort: In den Übungen ist die Erfolgsquote eindeutig definiert, eben durch das Finden, und sie ist in allen Rettungshundesparten extrem hoch. Gut trainierte Hunde arbeiten sehr zuverlässig. Im Einsazt zählt aber jeder Fund als Erfolg, egal ob durch Mensch, Hund oder durch technische Hilfsmittel wie Drohnen oder Hubschrauber mit Wärmebildkamera. Für den einzelnen Mantrailer besteht im Einsatzfall die Aufgabe in erster Linie darin, eine möglichst sichere Aussage darüber zu treffen, welchen Weg die vermisste Person ausgehend vom letzten Sichtungspunkt eingeschlagen hat, oder ob sie sich überhaupt an einem Ort, wie einer bestimmten Kreuzung aufgehalen hat. Selber finden wäre natürlich perfekt. Das geht aber nur, wenn sich die Person überhaupt noch innerhalb eines gewissen Suchradius befindet.

Frage: Weiß oder besser spürt der Hund, dass es bei derartigen Einsätzen unter Umständen um Leben und Tod eines Menschen geht?
Antwort: Das nicht, der Hund nimmt aber sehr wohl die Aufregung des Hundeführers auf, die kann auch Arbeitswille und Suchverhalen positiv wie negativ beeinflussen. Eine gewisse Emotionskontrolle beim Hundeführer ist daher wünschenswert, ansonsten gilt „Vertraue Deinem Hund“.

Frage: Wie belastend sind derartige Einsätze aus psychischer Sicht für den Hundeführer?
Anwort: So wie jede rettungsdienstliche Tätigkeit, Hochachtung für alle Haupt- und Ehrenamtlichen! Natürlich kann es vorkommen, dass wir auf eine Leiche treffen. Das kann sehr belastend sein, daher sind auch Grundlagen in der psychosozialen Notfallversorgung Prüfungsvoraussetzung. Diese geben auch Hinweise auf die eigene Psychohoygiene. Darüber hinaus stehen dann Kriseninterventionskräfte für die Versorung der betroffenen Einsatzkräfte zur Verfügung. Da gibt es im Landkreis Rosenheim und auch innerhalb der Johanniter sehr vielversprechende Kompetenzen und Kooperationen.

Frage: Sind die Einsätze auch für Ati belastend?
Antwort: Für die Hunde ist das Höchstleistung. Sie müssen einen bestimmten Geruch aus der Menge aller Gerüche über längere Strecken differenzieren. Dazu ziehen sie kubikmeterweise Luft durch die Nase. Einsatzbedingungen wie heißes Wetter, starker Wind und Kontaminationsgerüche sind weitere Stressoren. Manchmal reißt der Geruch auch ab, wenn die Person in ein Auto oder eine Bahn gestiegen ist. Das ist für den Hund sehr irritierend und frustrierend. Ich bin sportlich, kriege Ati körperlich aber kaum ausgelastet. Nach einer Personensuche ist sie aber platt und brauch manchmal noch den Folgetag zur Erholung.

Frage: Kann es bei einem Einsatz auch mal gefährlich werden für Tier und Mensch?
Antwort: Aber ja, nicht nur durch schwierige Geländebedinungen und Verkehr sondern auch durch beispielsweise unter Drogen stehende, alkoholisierte, aggressive oder zur Selbstverletzung bewaffnete Vermisste.

Frage: Wie sieht das Privatleben von Ati aus?
Antwort: Viel Freilauf, einen Halbbruder zum Toben, Hühner zum Hüten, regelmäßiges Training, Sport, hochwertiges Futter und viel Ruhe. Immer wieder auch Aufgaben für den Kopf. Ich wollte immer einen intelligenteren Hund als mich, dass es so einfach würde, hätte ich nicht gedacht, sie ist echt clever.

Frage: Welches Lieblingsspielzeug hat Ati?
Antwort: Ati spielt nicht. Ihr zu hütendes „Rudel“, Bruder, Herrchen, Frauchen, Hühner und Gäste im Haus sind ihre Passion. Und ab und zu ein Knochen.

Frage: Gibt es etwas, was sie gar nicht mag?
Antwort: Wenn ihr Bruder in ihrem Hundebet leigt ist sie echt genervt und schaut mich mit ihrem einzigartigen „Tu-den-da-raus-Blick“ an. Wenn Kinder sie am Zaun ärgern, findet sie das auch nciht toll. Das ist auch für die Kinder eine verlorene Chancer mit einem tollen Hund Kontakt aufzunehmen.

Frage: Wann geht ein Personenspürhung in den „Ruhestand?“
Anwort: Wenn der Hundeführer geht, weil wir immer als Teams qualifiziert werden. Sonst erst, wenn körperliche Fähigkeit und Arbeitswille im Alter erlahmen. Bis dahim mus man sie alle zwei Jahre rezertifizieren. Wenn man das nicht besteht, ist man raus.

Frage: Ist die Bindung zu einem Rettungshund enger als zu einem „normalen“ tierischen Mitbewohner?
Antwort: Das kommt drauf an, was man in einer „normalen“ Situation mit dem Hund macht. Sicher enwickelt man als funktionsfähiges Einsatzteam eine sehr enge Beziehung, in der man sich gegenseitig sehr genau „liest“ und aufeinander verlässt. Gemeinsame Freude im Erfolg und Misserfolg schweißen zusammen, es entsteht eine tiefe Bindung und Respekt vor dieser unfassbaren Leistungsfähigkeit und den 10.000 Jahren gemeinsamer Sozialisierung von Hund und Mensch.

Weitere Informationen über die Arbeit der Johanniter erhaltet Ihr unter wasserburg@johanniter.de. Online spenden kann man unter https://spenden.rettungshunde-rosenheim.de.

Unser Basteltipp für die kleinen Leser von Innpuls.me – der süße Falthund:

 

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