Hilpoltstein / Berchtesgaden – Traurige Nachrichten aus dem Bartgeierprojekt des bayerischen Naturschutzverbands LBV und des Nationalparks Berchtesgaden: Gut eine Woche vor der zweiten Auswilderung hat ein Kletterteam des LBV nun Reste des seit Mitte April verschwundenen Bartgeierweibchens Wally gefunden. In der Nähe der Zugspitze im Reintal in einer unzugänglichen Felsrinne auf 1.500 Metern Höhe lagen Knochen, Federn sowie Ring und Sender.
„Uns war immer bewusst, dass solche Rückschläge passieren können, dennoch sind wir über den Tod von Wally bestürzt. Dass auch mal ein Vogel stirbt, ist Teil der Natur, aber wir hätten ihr natürlich ein langes Bartgeierleben gewünscht“, so der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Er ergänzt: „Selbst wenn nun traurige Gewissheit herrscht, sind wir froh, über ihren Verbleib zumindest nicht weiter im Dunkeln tappen zu müssen.“ Die Überreste des Bartgeierweibchens wurden vom LBV umgehend zur Untersuchung bei einer unabhängige Fachstelle eingereicht. Die Todesursache ist völlig unklar und noch ist offen, ob eine wissenschaftlich belegbare Aussage darüber getroffen werden kann.
Todesursache von Bartgeier Wally
noch völlig unklar
Nachdem der LBV kürzlich das erste Mal seit dem 15. April völlig unerwartet ein kurzzeitiges Signal des GPS-Senders erhalten hatte, konnte nach Ende der Schlechtwetterperiode am Samstag endlich eine erneute Suche starten. Ein vom LBV initiierter Suchtrupp hat in einem steilen Felshang des Mauerschartenkopfes die Überreste des Vogels geborgen. „Das Team ist hoffungsvoll mit einer noch genaueren Vorstellung vom möglichen Fundort losgezogen, doch ein solch trauriges Ergebnis ist natürlich für alle Projektbeteiligten bitter“, so LBV-Projektleiter Toni Wegscheider. „Alles, was ein Bergführer und ein Biologe in einer Felsrinne im Steilgelände von Wally noch vorfinden konnten, waren große Federn und Knochen, der Wally zugeordnete Beinring und der GPS-Sender“, berichtet der LBV-Bartgeierexperte.
Dass der junge und nach allen bekannten Daten und vorherigen Beobachtungen gesunde Vogel in den unzugänglichen Hängen des Naturschutzgebiets Reintal umgekommen sein könnte, wurde auch von internationalen Experten bis zuletzt für unwahrscheinlich gehalten. „Zwar überleben neun von zehn Jungvögel im internationalen Auswilderungsprogramm das erste Jahr, man kann aber eben auch nicht ausschließen, dass mal etwas passiert oder es gar vorhersehen. Wir suchen nun nach möglichen Ursachen, wobei es noch viel zu früh ist, um etwas Konkretes dazu zu sagen und wir wollen keinesfalls spekulieren“, so Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.
Auch in anderen am Projekt beteiligten Ländern wie Österreich, Frankreich oder der Schweiz ereignen sich immer wieder Todesfälle. Trotzdem verläuft die Wiederansiedelung des Bartgeiers in den europäischen Alpen so erfolgreich wie kaum ein anderes Auswilderungsprogramm. „Der Tod von Wally bestätigt uns, dass wir dieses Projekt nicht als Sprint, sondern als Marathon auf zehn Jahre angelegt haben, und dass eine einmalige erfolgreiche Auswilderung eben noch lange nicht ausreicht und keine Garantie ist, um die Bartgeierpopulation in den Ostalpen langfristig zu stärken“, ergänzt Norbert Schäffer.
Anteilnahme über das Schicksal von
Wally war und ist groß
Die Anteilnahme über das unklare Schicksal von Wally in den letzten Wochen war groß und so erreichten den LBV seither regelmäßige sorgenvolle Nachfragen der bundesweiten Bartgeier-Fangemeinde. Doch das seit 15. April ausbleibende Signal von Wallys GPS-Sender wurde bisher auf eine vorzeitig gerissene Senderbefestigung zurückgeführt, wie es auch bei vier anderen besenderten Bartgeiern in den Alpen in den letzten beiden Monaten der Fall war. „Wir sind zu 90 Prozent davon ausgegangen, dass dort nur der Sender liegt. Trotzdem wollten wir Gewissheit über das Schicksal von Wally haben“, erklärt Toni Wegscheider weiter. Ein Aufruf des LBV zum Einsenden möglicher Sichtungen des vermissten Bartgeiers resultierte zwar in einer Vielzahl von Meldungen durch engagierte Beobachter, ein Beweisfoto oder eine eindeutige Beschreibung der gesuchten Bartgeierdame blieb jedoch aus.
Obwohl junge Bartgeier hohe Überlebensraten haben, sind in den letzten Jahren im Alpenraum immer wieder Todesfälle bekannt geworden. Neben menschlichem Einfluss wie Kollision mit Seilbahnkabeln, Vergiftung durch bleihaltige Jagdmunition oder illegalem Abschuss, gibt es eine Vielzahl nachgewiesener natürlicher Ursachen wie Lawinenabgänge oder Kämpfe mit Steinadlern. „Auch Rückschläge sind leider Teil eines solchen Langzeitprojekts und wir wissen, dass ausgewilderte Bartgeier problemlos in den Alpen überleben können. Wir werden deshalb das Projekt voller Energie und unbeirrt fortführen“, sagt Nationalparkleiter Dr. Roland Baier.
Bavaria wohlauf – Schwester von Wally
im Anflug für den 9. Juni
Nachdem die erste Auswilderung 2021 ein voller Erfolg war und beide Vögel den Winter, inklusive längerer Ausflüge und erfolgreicher Nahrungssuche, eigenständig problemlos überstanden haben, ist der zweite, zusammen mit Wally im letzten Jahr ausgewilderte Bartgeier Bavaria wohlauf. Sie befliegt auf weiten Streifzügen momentan das Umfeld des Nationalparks Berchtesgaden. In Kürze werden der LBV und der Nationalpark dann zwei weitere junge Bartgeier zur Stützung des ostalpinen Bestandes auswildern, darunter auch die diesjährige Schwester von Wally. „Wallys Schicksal unterstreicht die Notwendigkeit dafür, dass Auswilderungsprojekte langfristig ausgelegt sein müssen. Wir blicken daher zuversichtlich auf die anstehende Auswilderung von zwei weiteren jungen Bartgeiern im Nationalpark Berchtesgaden“, so Ulrich Brendel.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Symbolfoto re)
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