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Wie geht es mit der Kirche weiter?

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

24. Februar 2022

Lesezeit: 2 Minute(n)

Rosenheim – Das Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising löste ein Erdbeben in Kirche, Medien und Gesellschaft aus. Die Erschütterung ist auch in Rosenheim deutlich zu spüren. Wie geht es jetzt weiter? Innpuls.me hat darüber mit Domkapitular Dekan Daniel Reichel gesprochen.

Frage: In den Kirchen der Stadtteilkirche Rosenheim-Am Wasen wurde als erste sichtbare Reaktion nach Veröffentlichung des Gutachtens Stelen aufgestellt mit der Aufschrift „Sprachlosigkeit“. Was soll damit zum Ausdruck gebracht werden?
Antwort: Das Gutachten schockiert und macht in der Tat sprachlos. Wir wollen solidarisch den Opfern zur Seite stehen. Das soll mit der Stele zum Ausdruck gebracht werden.

Frage: Vieles in dem Gutachten ist bei weitem nicht neu.
Antwort: Das stimmt. Aber jetzt liegt alles geballt auf den Tisch und das ist gut so. Es muss sich jetzt vieles ändern.

Frage: Warum hat es das noch nicht längst?
Antwort: Es gibt und gab ein grundsätzliches Problem bei der Kommunikation. Aber das entschuldigt natürlich nichts. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt die Opfer in jegliche Art und Weise anerkennen und ihnen zur Seite stehen.

Frage: Kommunikation hin oder her, aber irgendetwas hätte man doch zumindest in den Pfarreien schon vor der Veröffentlichung des Gutachtens unternehmen können?
Antwort: Es ist auch schon einiges passiert. Seit 10 Jahren spielt Prävention vor sexueller Gewalt in der Kirche eine sehr wichtige Rolle. Schulungen sind Pflicht! Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeiten will, muss im Vorfeld Schulungen und eine Prüfung ablegen.

Frage: Das höre ich zum ersten Mal.
Antwort: Auch da mangelte es wohl in der Vergangenheit an der Kommunikation der Kirche nach außen.

Frage: Wie geht es Ihnen persönlich nach Bekanntwerden des Gutachtens?
Antwort: Ich bin schockiert. Im Fokus stehen jetzt einzig die Opfer, ihr Leid und ihre Verzweiflung.

Frage: Auf der Stele ist neben „Sprachlosigkeit“ auch „Licht“ zu lesen. Aber um dieses Wort zu erkennen, muss man die Buchstaben erst einmal richtig zusammensetzen.
Antwort: Das stimmt und das ist meiner Meinung nach ein stimmiges Bild. Es herrscht Chaos, aber aus dem Chaos kann etwas Neues entstehen. Licht symbolisiert auch immer Hoffnung.

Frage: Sie meinen also, dass die christlichen Kirchen noch eine Zukunft haben?
Antwort: Davon bin ich überzeugt. Es wird sich aber vieles sicherlich verändern müssen.

Frage: Mit dem Aufstellen einer Stele kann es wohl nicht getan sein?
Antwort: Natürlich nicht. Auch in der Vergangenheit gab es bei uns immer schon Gebete und Fürbitten für die Opfer des Missbrauchs und das wird auch in Zukunft der Fall sein. Ihr Leid darf nicht unter den Teppich gekehrt werden. Es muss immer wieder in den Fokus gerückt werden.

Frage: Auch das ist aber keine konkrete Hilfe für die Betroffenen.
Antwort: Nein. Konkrete Hilfe ist die Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene von sexuellen Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising. Sie wurde am 20. Januar in Betrieb genommen. Am anderen Ende der Telefonnummer sitzen langjährig erfahrene Psychologen, das finde ich sehr wichtig. Sie bieten Betroffenen Gespräche an, geben Rat und Hilfestellung und fungieren als Lotsen zu den verschiedenen Hilfs- und Informationsangebote.
(Beitragsbild: Martin Aerzbäck)

Erreichbar ist die Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene von sexuellen Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising unter Telefon 089 / 2137-77000
Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag jeweils von 9 bis 15 Uhr
Dienstag von 14 bis 20 Uhr.

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