6.Kapitel (Teil 2): Das Verhör
Jetzt war ich an der Reihe, Adelin. Ich war sehr angespannt und nervös. Langsam betrat ich den Salon. Mit einem Lächeln gab ich Heylents die Hand.
„Na dann, sind Sie bereit?“, fragte er.
„Das bin ich,“ antwortete ich ihm.
„Gut fangen wir an, wo waren Sie gegen drei Uhr und halb fünf Uhr morgens?“
„Ich habe geschlafen, was man normalerweise um diese Zeit macht,“ sagte ich.
„Das antwortet mir jeder auf diese Frage,“ meinte Heylents.
„Glauben Sie mir nicht?“
Vor lauter Nervosität nahm ich mir einen Keks aus der Dose, die auf dem Tisch vor mir stand.
„Ja, wahrscheinlich,“ er blickte kurz auf seinen Block und machte dann weiter.
„Haben Sie Geldprobleme?“, fragte er und schaute mich ernst an.
„Nein, alles in Ordnung.“
„Okay, also läuft es in Ihrem Job gut?“
„Nun ja, ich kriege momentan zwar keine neuen Rollen, aber bei meinem Mann läuft es gut,“ erklärte ich ihm, während er eine andere Mappe herausholte.
„Ach so verstehe, nur, wir haben die Konten ihres Vaters überprüft und wie es
aussieht, hat er ihrem Mann jeden Monat Geld überwiesen, wussten Sie etwas davon?
„Nein, glauben Sie mir, davon wusste ich nichts.“
„Und haben Sie eine Idee, wieso ihr Mann Geld brauchte?“, Heylents schlug wieder seinen Notizblock auf.
„Wahrscheinlich lief sein Job doch nicht so gut, wie er behauptete,“ sagte ich und war plötzlich völlig überfordert.
„Tut mir leid, dass ich sie so überrumpelt habe, aber paar Fragen hätte ich noch.
Was für eine Beziehung hatten Sie zu ihrem Vater?“
„Eine gute, er half mir viel bei meiner Karriere.“
„Schön, zu hören, hatten Sie ihn oft besucht?
„Nein, selten, denn ich wohne ja in New York.“ Ich machte eine Pause.
„Aber ich wäre gerne öfters gekommen.“
Der Kommissar stutzte. „Und warum taten Sie das nicht?“
„Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Pamela das nicht wollte.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Sie schob oft einen Grund vor, das glaube ich jetzt, nach dem schrecklichen Ereignis.
Das eine Mal ging es meinem Vater nicht gut, das andere Mal hatte er zu viele Termine.“ Ich spürte Tränen in meinen Augen.
„Ich hätte nicht auf sie hören sollen,“ sagte ich und wischte mir die Tränen ab.
„Haben Sie mit Ihrem Vater darüber gesprochen?“
„Nein, ich wollte ihn nicht belasten und blieb zu Hause.“
„Hätte er sich nicht gefreut über einen Besuch von Ihnen?“, fragte der Kommissar.
Und jetzt begann ich zu schluchzen.
„Er war immer so stolz auf mich, eine seiner ältesten Töchter. Wenn ich im Fernsehen spielte, verpasste er nie eine Sendung von mir. Und Mutter wäre so glücklich gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass ich eine Schauspielerin bin.“
Heylents räusperte sich. „Das tut mir alles sehr leid, dass Sie Ihre Mutter so früh verloren haben und Ihr Vater jetzt auf so grausame Art sterben musste.“
Ich nickte und erhob mich langsam.
„Danke,“ sagte Heylents.
Traurig ging ich in mein Zimmer. Ich wollte meine Ruhe haben und dann William anrufen.
Nach mir kam dann Christel an die Reihe.
Sie war sehr nervös, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
„Also Sie sind Christel richtig,“ fragte Heylents sie, während er ihre Mappe in die Hand nahm.
„Ja, das bin ich.“
„Und Sie haben einen Mann und Kinder?
„Ja, vier!“
„Und wo sind sie jetzt?“
„Bei meinem Mann, er und seine Mutter kümmern sich gerade um sie,“ erklärte Christel.
„Wohnt ihr Mann immer noch in Marokko?“
„Ja, er hat ja dort sein Geschäft.“
„Und was für ein Verhältnis hatten Sie zu Ihrem Vater?“
„Wir redeten nicht mehr viel miteinander, früher war es mal besser.“
„Warum?“, wollte Heylents wissen.
„Er hat mir die Trennung übelgenommen, zuletzt hat er sich sehr gut mit meinem Mann verstanden, obwohl er mir nie verziehen hat, dass ich Muslima wurde.“
„Haben Sie Geldprobleme?“
„Ich habe nicht mehr so viel Geld wie früher, denn mein Mann war der Hauptverdiener.“
„Wo befanden Sie sich gegen drei und halb fünf Uhr morgens?“
„Im Bett, denke ich mal,“ antwortete sie ihm.
„Danke,“ sagte er, stand auf und gab ihr die Hand. „Hoffentlich finden wir den Mörder bald.“
Christel nickte und ging hinaus.
Als Tiffany das Wohnzimmer betrat, stand der Kommissar noch draußen, um eine Zigarette zu rauchen.
Heylents Block lag offen auf dem Tisch, Tiffany schaute kurz drauf und las sich die erste Seite durch. Weit kam sie aber nicht, da Heylents hereinkam, schnell wich sie zurück und setzte sich hin.
„Sie sind schon da?“ fragte er sie, während er auf den Tisch zu ging und den Block zumachte.
„Sie sind die Chefin einer Druckerei, die Ihren Großeltern gehörte, nicht wahr?“, fing Heylents zu fragen an.
„Ja, das bin ich.“
„Und wie läuft die Druckerei?“
„Haben Sie es noch nicht herausgefunden?“, wollte sie wissen.
„Doch, ich weiß schon Bescheid, aber ich wollte wissen ob Sie mir die Wahrheit sagen.“
„Vertrauen Sie mir nicht?“, fragte sie erschrocken und strich sich ihre roten Haare aus ihrem Gesicht.
„Ihr Vater könnte auch wegen seines Geldes umgebracht geworden sein,“ wollte Heylents noch mal klarstellen.
„Ich weiß, aber bei uns geht alles gut mit dem Geld,“ sagte sie ihm.
„Trotz der pleitegehenden Firma?“, fragte Heylents nach.
„Ja, trotz der Firma, wir sind dabei, sie wiederaufzubauen.“
„Okay, deshalb sind Sie auch sehr beschäftigt oder? Wann haben Sie ihren Vater denn das letzte Mal besucht?“, er öffnete wieder sein Block.
„Ich bin viel beschäftigt ja, deshalb ist es, glaube ich, auch schon so drei Monate her?“
„Okay, verstehe. Durften Sie in das Büro Ihres Vaters?“
„Ja, aber nur, wenn es um die Arbeit ging,“ antwortete sie klar und deutlich, sie war sich sicher, dass er das fragen würde.
„Und haben Sie einen Schlüssel zum Büro?“, wollte er noch wissen.
„Nein, habe ich nicht, wieso?“, fragte Tiffany neugierig.
„Da es keine Einbruchspuren gab, muss der Täter wohl einen Schlüssel gehabt haben oder die Tür war offen“, beantwortete er ihre Frage.
„Nein, das kann nicht sein. Mein Vater hat die Tür immer abgeschlossen.“
„Und er hat es nie vergessen, sind Sie sich da ganz sicher?“
„Es ist noch kein einziges Mal vorgekommen“, versicherte sie ihm.
„Das heißt also, der Täter muss einen Schlüssel gehabt haben,“ antwortete er.
Ihm war ein Licht aufgegangen und er war froh, dass er ein Stück
weitergekommen war.
„Gut danke, Sie haben mir weitergeholfen,“ sagte er zufrieden.
„Nur noch, wo waren Sie zwischen drei und halb fünf Uhr morgens?“
„Ich habe noch mit meinen Kindern telefoniert und ging dann schlafen.“
„Und wie standen Sie zu ihrem Vater?“
Tiffany tat einen tiefen Seufzer, sie wurde plötzlich ganz traurig.
„Gut, er hat mich viel bei der Arbeit unterstützt und mir geholfen, ich werde ihn sehr vermissen.“
Heylents schrieb noch einige Bemerkungen in sein Notizbuch und sagte:
„Vielen Dank und alles Gute.“
Tiffany stand auf, verabschiedete sich und ging.
Linn war etwas nervöser, ihre Hand war verschwitzt, ihre Lippen zitterten und ihre Beine.
„Na, etwas nervös,“ begann Heylents, „kein Problem, Sie müssen sich keine Sorgen machen, wenn Sie unschuldig sind.“
Das hatte es nun leider nicht besser gemacht, sie war noch immer nervös.
„Setzen Sie sich,“ bat Heylents.
„Wie läuft es mit Ihrem Job?“, fragte Heylents.
„Eigentlich gut,“ stotterte Linn.
„Verdienen Sie genügend?“
„Für mich reicht es, ich brauche ja nicht viel,“ sagte Linn.
„Haben Sie einen Mann?“
„Nein, einen Freund, wir sind noch nicht verheiratet.“
„Muss man ja auch nicht sein“, sagte Heylents.
„Sie sind sehr hibbelig, wollen Sie mir etwas sagen?“, fragte Heylents.
„Nein, ich kann nur nicht so gut mit Fremden sprechen.“
„Ist in Ordnung, bitte beantworten Sie einfach nur meine Fragen.“
„Okay,“ beruhigte sich Linn.
„Besuchten Sie Ihren Vater oft?“
„Schon manchmal, wir hatten nur nicht viel zu reden,“ antwortete Linn.
„Okay, also haben Sie nicht viel mit seiner Arbeit zu tun?
„Nein, nichts.“
„Also durften Sie wahrscheinlich auch nicht in sein Büro, oder haben Sie einen Schlüssel?“
„Nein, habe ich nicht.“
„Wo wohnen Sie nochmal?“
„In Fowey, hier in Cornwall,“ antwortete sie fröhlich.
„Das ist ja gar nicht weit von hier.“
„Kriegen Sie manchmal mit, was hier vor sich geht?“
„Nein, ich war meistens immer nur kurz da, um nach Vater zu sehen oder um über meine Pferde zu reden, wenn ich mal nicht weiterkomme,“ erzählte Linn ihm.
„Verstehe, danke, das war es auch schon, vielleicht besuche ich Sie mal in ihrem Reiterhof,“ meinte Heylents.
„Ja, Sie können gerne kommen.“
Erleichtert ging Linn aus dem Saal.
Margret kam nun herein.
„Ich hoffe, das dauert hier nicht so lange, ich muss noch viel für die Arbeit machen, ich kriege nicht einfach mal so frei.“ Sie gab ihm schnell die Hand setzte sich hin und war noch etwas zerstreut.
„Ich kann ihnen nicht sagen, wie lange es hier dauert, aber wir können schon mal gleich anfangen.“
„Ja bitte“, sie legte ihren ganzen Stapel mit Unterlagen auf die Seite und widmete sich Heylents.
„Gut, fangen Sie an.“ Sie schien jetzt ganz bereit zu sein.
„Ja dann, wo waren Sie zwischen drei und halb fünf Uhr morgens?“, fragte Heylents und setzte seine Brille ab, die leicht beschlagen war.
„Ich war eigentlich noch ganz munter, ich hatte viel Kaffee getrunken, um arbeiten zu können.“
„Und Sie haben nichts gehört oder gesehen?“, fragte er, setzte seine Brille wieder auf und hielt seinen Block bereit.
„Ich habe nichts gehört und auch nichts gesehen, es war eine friedliche Nacht.“
„So friedlich dann wohl auch nicht,“ antwortete der Kommissar.
„Wie gefällt Ihnen ihr Job?“
„Nun ja, er ist anstrengend, aber sonst schon gut.“
„Sie arbeiten mit ihrem Vater zusammen, also haben Sie auch Zugang zum Büro, oder?“, fragte Heylents.
„Ja, natürlich, das ist unser Hauptarbeitsplatz.“
„Hatte er einen Brieföffner?“
„Ja, er benutzte ihn bei jedem Brief.“
Heylents schrieb es auf, er merkte, wie sein Bleistift stumpfer wurde und nahm sich den Spitzer, der auf dem Tisch lag.
„Das heißt, Sie wären ganz einfach an ihn gekommen.“
„Ja, schon,“ sie wurde etwas nervöser.
„Ich habe damit nichts zu tun,“ rechtfertigte sie sich.
„Ging sie gut, die Zusammenarbeit mit ihm?“, fragte er, während er schrieb und ihr dabei keinen Blick schenkte.
„Ich bin seine Tochter, er war schon immer gut zu mir, im Gegensatz zu seinen Mitarbeitern, er hatte nun mal viele Forderungen, aber wir standen uns sehr nahe.“ Wie sie so redete, wurden ihre Augen glasig.
„Brauchen Sie ein Taschentuch?“, fragte Heylents nun ganz aufmerksam.
„Nein, es geht schon danke.“
„Wir hätten es dann auch schon, ich hoffe ich habe Ihnen nicht zu viel Zeit geraubt.“
„Nein, es ging ja schnell,“ sagte Margret, während sie wieder ihre Sachen nahm.
Sie gingen beide aus dem Salon. Margret widmete sich wieder ihrer Arbeit und Heylents schaute nach Pamela.
„Da sind Sie ja, Pamela, Sie sind die Nächste.“
„Denken Sie echt, dass ich verhört werden muss?“, fragte sie verwundert und ärgerlich.
„Natürlich, folgen Sie mir bitte.“
Pamela legte ihre Schürze ab und folgte Heylents. Sie setze sich auf den Stuhl und blickte den Kommissar fragend an, als wüsste sie nicht, was sie hier sollte.
Was Heylents auch bemerkte.
„Ich muss Sie wahrscheinlich nicht mal fragen, wo Sie zur Tatzeit waren, oder?“
„Nein, denn ich war noch nicht hier“ antwortete sie schon etwas angespannt.
„Okay, und wie ist es hier zu arbeiten?“
„Ja, es geht gut.“
„Genügend zum Leben?“, fuhr Heylents fort.
„Nein, ich habe keine Geldprobleme ganz im Gegensatz zu Tiffany, deren Firma pleite gegangen ist,“ sagte Pamela.
„Lassen wir Tiffany mal außen vor,“ meinte Heylents.
„Oder wie Adelin, die keine Rollen mehr kriegt.“
„Bitte, konzentrieren wir uns wieder auf Sie, in Ordnung?“
„Okay,“ mehr sagte Pamela dann auch nicht mehr dazu.
„Durften Sie in Mycrofts Büro?“
„Nein.“
„Also hatten Sie auch keinen Schlüssel?“
„Nein“, antwortete Sie mit lauter Stimme.
„Haben Sie Familie?“
„Ja!“
„Und wo ist diese?“ Heylents versuchte mehr aus Pamela herauszukriegen.
„Weit weg von hier.“
„Wohnen Sie hier alleine?“
„Ja.“
„Auch hier in Plymouth, ich arbeite ja hier. Ich habe auch noch ein Zimmer im Haus, wenn es manchmal später wurde und Gäste da waren.“
„Danke, das war es, was ich wissen wollte.“
„Auf Wiedersehen,“ verabschiedete sich Pamela und ging in die Küche zurück.
Nun holte er sich den Gärtner Marko.
„Hallo Marko, geht es Ihnen gut? Sie haben die Leiche ja als erster gesehen.“
„Es geht schon, nur ein bisschen im Schock bin ich noch immer,“ antwortete Marko.
„Sie waren wahrscheinlich auch noch nicht zwischen drei und halb fünf Uhr morgens hier?“, fragte Heylents.
„Nein, ich komme genauso wie die anderen, um sechs Uhr morgens.“
„Wo wohnen Sie denn?“
„Auch in Plymouth, mit meiner Familie.“
„Durften Sie in Mycrofts Büro?“, Heylents nahm sich wieder seinen Stift.
„Ja, aber nur, wenn er mich gerufen hat, zum Beispiel, wenn er mir sagen wollte, was ich im Garten machen soll.“
„Verstanden sie sich gut mit Mycroft,“ machte Heylents weiter.
„Ja,“ er war ein recht netter Mann.“
„Verdienten sie genügend?“
„Ja.“
„Ich müsste dann noch bei ihrer Familie anrufen, um ihr Alibi abzuklären,“ sagte der Kommissar.
„Kein Problem.“
Marko gab Heylents noch seine Telefonnummer und ging dann auch.
„Das war viel“, sagte Heylents zu einem Polizisten, der gerade hereinkam.
„Aber ich habe das, was ich brauche,“ fügte er hinzu, während beide den Salon verließen.