🌾 1. Wenn’s einem Geist langweilig wird
Der Berti Boo wohnte schon seit über zweihundertfünfzig Jahren auf demselben alten Bauernhof irgendwo zwischen Inn und Chiemsee.
Er spukte dort in einer Scheune – ganz gemütlich zwischen alten Heuballen, verrosteten Werkzeugen und einer schnarchenden Stallkatze, die ihn längst kannte und sich schon lange nicht mehr erschreckte.🐈
„Mia san halt Nachbarn“, miaute sie manchmal träge, wenn er wieder durch sie hindurchschwebte.
Aber ehrlich gesagt: Dem Berti war langweilig.
„Es is hoid scho faad“, seufzte er eines Abends, als er über dem Heuboden hing und seinem besten Freund Nebel-Franzl beim Dahinschweben zusah. „So vui Gspenster, wia ma moant, gibt’s hoid a ned“, murmelte er weiter. „I kenn di, den Spuki vom Museum, de Reserl vom Friedhof und d’Schattn-Liesl von da alten Villa … und des war’s a scho wieder!“
Der Nebel-Franzl, ein leicht verpeilter, aber herzensguter Geist, verzog sein nebliges Gesicht. „Jo mei, uns gibt’s ned so oft, Berti. Des is halt wia bei da echten Weißwurscht – selten, aber guad.“ Die beiden lachten leise. Nur wenn der Wind durch die Ritzen der Scheune pfiff, hörte es sich an, als würde jemand mitkichern.
🎃 2. Endlich wieder Halloween!
Einmal im Jahr, am 31. Oktober, war es endlich soweit: Halloween! Für die beiden Geister war das der schönste Tag überhaupt. Da konnten sie sich nämlich unter die Leute mischen – ohne aufzufallen!
Der Berti Boo sah mit seinem weißen Laken aus wie jedes zweite „Kinder-Gespenst“, das an die Türen klopfte. Und der Nebel-Franzl, na ja … der war halt manchmal etwas zu echt. Letztes Jahr hatte ihn ein Bub angestarrt und dann gemeint: „Boah, cooler Nebeleffekt!“ – und ihm einen Daumen hoch gezeigt. Der Franzl war wochenlang stolz wie Oskar.
An diesem Halloween liefen sie wieder durchs Dorf, sahen lachende Kinder, funkelnde Kürbisse und überall kleine Hexen, Vampire und Geister.
Doch der Berti war nachdenklich. „Du, Franzl“, flüsterte er, „i mechat scho gearn wissn, wia de Leit heid so san, wenn ned grad Halloween is. Ob’s dann aa so vui lachen und so vui Süßes ham?“
Damals, als der Berti Boo noch als Mensch auf der Erde war, war das Leben nämlich alles andere als einfach gewesen. Da gab es keinen Strom, keine Lampen mit buntem Licht – und manche Tage wenig bis nichts zu Essen, geschweige denn Süßigkeiten. „Spaß war da scho selten“, murmelte Berti leise. Er erinnerte sich, wie er als Bub mit Holzschuhen durchs kalte Wasser vom Bach stapfte und wie eine warme Suppe schon ein richtiges Festessen war.
„Vielleicht ham`s de Leid heid leichter“, sagte er schließlich und schaute den lachenden Kindern nach. „Aber i hoff, sie wiss`n aa, wia schee des ist, wenn ma einfach lacht, ganz ohne Grund“. Da Franzl nickte. „Des is a schöner Gedanke Berti. Vielleicht sollte ma den de Menschen öfters einflüstern.“
Und da lächelte Berti zum ersten Mal an diesem Abend wieder – ein leises, warmes Lächeln, das fast so hell leuchtete wie die Kerzen in den Kürbissen ringsum.
Langsam zogen sie weiter durch die Straßen. Der Nebel legte sich wie ein feiner Schleier über das Dorf. Berti blieb kurz stehen, spürte die kühle Luft und dachte: „So vui Leben um mi rum – und i bin doch irgendwie net richtig dabei.“
Gerade in diesem Moment raschelte es hinter einem Gartenzaun. Zwischen den kahlen Sträuchern tauchte eine Gestalt auf – klein, in ein dunkles Kopftuch gehüllt, mit einem Lächeln, das irgendwie geheimnisvoll wirkte.
Sie schaute direkt den Berti an – obwohl sie ihn eigentlich gar nicht hätte sehen dürfen.
„Du da, Bua mit’m Laken“, sagte sie mit rauer Stimme. „Da host a Bonbon. Nutz den nächstn Dog guad – de Wirkung hoid nur vierundzwanzig Stundn.“
Bevor Berti noch „Dank schee“ sagen konnte, war sie verschwunden. Er zuckte mit den Schultern – und steckte sich das Bonbon in den Mund. Es schmeckte nach Minze, Rauch und einem Hauch Zauberei.
🌞 3. A echter Bub!
Als der erste Hahn krähte, wachte Berti auf – und erschrak. Seine Hände waren fest! Seine Beine waren fest! Und seine Füße … hatten Socken!„Heilig’s Blechle! I bin a Mensch!“
Er lief hinaus in den Hof, wo die Sonne golden auf die Felder schien. Zum ersten Mal spürte er seit Jahrhunderten wieder Wärme auf der Haut.
Er lachte so laut, dass die Hühner gackernd auseinanderliefen.
Hungrig ging er in die Bäckerei. „Griaß di, junga Mo! Was darfs denn sei?“, fragte die Bäckerin freundlich. „Äh … alles!“, platzte es aus Berti heraus.
Sie lachte, gab ihm eine Butterbreze, und als er hineinbiss, rief er: „O mei, is des guad! So schmeckt also’s Lebn!“
Den ganzen Tag half er im Dorf, lachte mit den Kindern und staunte über die Farben, die Geräusche, die Gerüche. „So schee is des Menscha-Sein!“, sagte er immer wieder.
Doch am Abend wurde es kühl in ihm drin. Seine Hände wurden durchsichtig. „Jessas! Des Bonbon lässt nach!“, keuchte er und rannte zur alten Scheune zurück.
🌙 4. Die alte Frau und der echte Freund
Dort wartete schon die geheimnisvolle Frau von Halloween.
„Na, host den Dog guad nutzt, Berti Boo?“
„Freilich! Aber i will ned zruck! I will bleim, i will weiter Mensch sei!“
Die Alte lächelte milde. „Dann brauchst a Mensch, der di erkennt – net mit de Augn, sondern mit’m Herz.“
In dem Moment hörte Berti Schritte. Ein kleiner Bub mit Laterne stand da. „He, bist du der neue Knecht vom Bauern drent?“, fragte er neugierig.
„Äh … ja, genau. I bin da Berti“, sagte er zaghaft.
„I bin da Anderl. Magst mit mir hoamgeh? Mia ham no Kürbissuppn übrig.“
Da legte der Anderl ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter –
und ZACK! – der Berti wurde wieder ganz fest, ganz echt, ganz lebendig.
Die alte Frau nickte zufrieden. „Siehst, Berti Boo – a echtes Herz is der stärkste Zauber.“ Dann drehte sie sich um, löste sich im Wind auf und verschwand.
💫 5. Und seither …
Seitdem lebt der Berti beim Anderl und seiner Familie auf dem Hof. Er hilft bei der Stallarbeit, füttert die Kühe und spielt am Abend Ziehharmonika.
Aber manchmal – wenn der Nebel über die Felder zieht – sieht man eine schimmernde Gestalt vorbeischweben.
Der Nebel-Franzl, der winkt und ruft: „He, Berti! Host no Platz für an Freund?“ Und aus dem Fenster hört man Berti lachen: „Freilich, Franzl! Aber bring ma koa Bonbon mehr mit!“
🕯️ Ende – oder vielleicht nur der Anfang …
(Quelle: Erzählung: Innpuls.me / Beitragsbild: AI)