Oberaudorf – Smartphone, E-Reader und Co. verdrängen das klassische Lesen mit dem Buch. Aber je mehr Bücher elektronisch verfügbar sind, desto begehrenswerter wird das Buch als Objekt, gleich gar wenn es sich um alte, seltene und außergewöhnliche Exemplare handelt. Antiquar Rainer Kurz und seine Frau Regina haben ein gutes Gespür für das Besondere.
Antiquar Rainer Kurz teilt die Liebe für alte Bücher mit seiner Frau Regina. Fotos: Dinner
Es ist, als trete man eine Zeitreise in längst vergangene Zeiten an. Die ältesten Bücher im Antiquariat von Rainer und Regina Kurz stammen aus dem 16. Jahrhundert. Bücher mit Pergamenthaut oder Ledereinband – teils aufwendig verziert, teils noch handgeschrieben, fallen in den Blick. Im Nebenraum hängen kunstvoll gestaltete Lerntafeln – damit wurde den Schülern früher anschaulich dargestellt, wie beispielsweise Motoren funktionieren oder wie Menschen und Tiere auf einem Bauernhof leben. Doch auch weniger alte Werke stapeln sich in den Regalen und das was die Besucher da alles sehen, ist nur ein kleiner Teil dessen, was Rainer und Regina Kurz ihren Kunden bieten. Denn auch ein Antiquariat geht mit der Zeit. Vieles wird heutzutage über das Internet gehandelt.
Gotamo Buddhos
für fünf Euro
Rainer Kurz hat seine Liebe für alte Bücher in der 50er Jahren entdeckt. „Als Teenager habe ich mir die Reden Gotamo Buddhos für fünf Mark gekauft“, erinnert er sich. Was damals daran so fasziniert hat? „Vor allem die Haptik. Etwas in den Händen zu halten, das so viel älter ist als ich und wohl auch nach mir noch viele Generationen überdauern wird.“
1980 hat er ein Antiquariat über der Gaststätte Mailkeller in Rosenheim eröffnet und über seine Leidenschaft für alte Schriften hat er dort seine Frau Regina kennengelernt.
Nachdem die beiden aufgrund steigender Mieten das Geschäft dort aufgegeben haben, handelten sie einige Jahre nur noch über das Internet und erstellten Angebote für Sammler. Im Jahr 2016 haben sie dann aber in der Ortsmitte von Oberaudorf die idealen Räumlichkeiten gefunden, um einen Teil ihrer Bücher auszustellen und neben dem Internet auch wieder vor Ort zum Verkauf anzubieten.
Bücher sind heutzutage Massenware. Die Mehrheit an gebrauchten Büchern lässt sich kaum oder wenn nur für sehr wenig Geld verkaufen. Aber es gibt auch Exemplare, für die Käufer bereit sind, hohe Summen zu zahlen. Das Ehepaar Kurz hat in den vielen Jahren als Antiquare ein sicheres Gespür dafür entwickelt, was sich gut verkaufen lässt.
Kuriositäten
und Unikate
„Entscheidend sind Inhalt, Alter und Zustand. Bei Sammlern begehrt sind aber auch Kuriositäten und Unikate“, weiß Regina Kurz. Sie persönlich findet alte Schulfibeln besonders faszinierend. „Weil man über diese Büchlein auch sehr viel über die jeweilige Zeit erfahren kann“, erzählt die Antiquarin. Manches, was darin beschrieben wird, ist in der heutigen Zeit unvorstellbar, so wie diese Szene: ein Mädchen läuft angsterfüllt vor einer riesigen Kirchenglocke davon, die sie beinahe zu erschlagen droht! Einst sollte diese gruselige Illustration Kinder dazu erziehen, ja nicht zu spät zum Gottesdienst zu kommen. „Mir hat erst kürzlich wieder eine ältere Dame erzählt, dass ihr diese Illustration als Kind Alpträume beschert hat“, erzählt Regina Kurz.
ar Kurz ständig nach neuen, besonderen Büchern. Damit schließe sich der Kreislauf, so Regina Kurz: „Ein Mensch entdeckt seine Leidenschaft für Bücher, beginnt sie zu sammeln und dann kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem er sich wieder davon trennen will oder trennen muss und mit einem neuen Sammler fängt wieder alles von vorne an – Generation für Generation. Was bleibt sind die Bücher und Bibliotheken, denn sie überdauern die Zeit wesentlich länger als wir Menschen.“
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