Rosenheim – Émile Gallé gehört zu den Gallionsfiguren des Jugendstils und war Mitbegründern der sogenannten Art Nouveau in Frankreich. Insbesondere im Bereich der Glaskunst setzte der aus Nancy stammende Künstler neue Maßstäbe, die bereits von Zeitgenossen auf den großen Weltausstellungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit Preisen geehrt wurden und bis heute u.a. im Musée d’Orsay ausgestellt werden. Wer derzeit nicht bis nach Paris oder Nancy reisen kann bzw. möchte, ist nun herzlich nach Rosenheim eingeladen. Im Rahmen der aktuellen Ausstellung „La Belle Époque – Zauber des Jugendstils“ präsentiert die Städtische Galerie Rosenheim noch bis zum 1. Mai diesen Jahres eine Vielzahl historischer Vasen sowie ausgewählte Möbelstücke des vielseitig begabten Künstlers.
Neben einer praktischen Ausbildung in renommierten Glas- und Keramikfabriken der Zeit, absolvierte Émile Gallé ein Studium der Kunst, Philosophie aber auch Botanik und Mineralogie u.a. in Weimar. Zeit seines Lebens blieb er gleichermaßen Naturforscher und Künstler: Form und Dekor eines Objekts sollten für ihn stets von der Natur inspiriert sein und so waren Pflanzen, Insekten sowie die Meeresflora von Beginn an zentrale Elemente seiner Gestaltungen.
Sein umfassendes Naturverständnis gepaart mit profunden Kenntnissen ostasiatischer und islamischer Kunst sowie eine große Offenheit für technische Neuerungen verschmolzen in seinen Entwürfen zu völlig neuartigen Gestaltung, vor allem in der Glaskunst. 1897 etablierte Gallé u.a. das „Marqueterie de Verre“-Verfahren – eine komplizierte Form der Einlegearbeit in Glas, bei der dünne farbige Glasblättchen etwa in Form von Blütenblättern, Stempeln oder Zweigen auf einen noch heißen Glaszylinder aufgeschmolzen wurden. Auch in seinen Möbelstücken arbeitete er mit sog. Intarsien, bei denen etwa einzelne Blattformen aus dünnem Furnier geschnitten und zu einem kompletten Motiv zusammengelegt werden. Besondere Strahlkraft erreichte er über die geschickte Kombination aus heimischen und exotischen Hölzern mit ihren unterschiedlichen Maserungen.
Glasobjekte sollen
inspirierende Botschaften vermitteln
Neben einem Höchstmaß an Ästhetik sollten Gebrauchsgegenstände für Gallé aber auch Inhalte und ein allumfassendes Sinnerlebnis transportieren. Ähnlich wie Bücher, Musik oder Malerei sollten seine Möbel und Glasobjekte Botschaften und inspirierende Gedanken vermitteln. Vor diesem Hintergrund entstand die Gruppe der sog. „Kampfobjekte“, bei denen er in Glas und Holz ausgewählte Textfragmente einarbeitete. Dabei wählte er nicht nur zeitgenössische Prosa und Lyrik, sondern setzte sich auch mit politischen Themen auseinander, darunter der Völkermord an den Armeniern oder auch die Unterdrückung der rumänischen Juden.
In der sogennanten Dreyfus-Étagère, die aktuell in der Städtischen Galerie Rosenheim zu sehen ist, verteidigte Gallé den wegen Landesverrat angeklagten jüdischen Offizier Alfred Dreyfus. Als Appell an das Gericht prangt auf der oberen Tischplatte aus dem Alten Testament (Jesaja, Kapitel 61 Vers 11) folgendes Zitat:„SICVT HORTUS semen suum germinat, sic Deus germinabit Justitiam.“ („Wie im Garten die Saat aufgeht, so wird Gott die Gerechtigkeit aufkeimen lassen.“)
Eine öffentliche Parteinahme wie diese verschaffte ihm zahlreiche Kritiker, die jedoch seinen Ruhm und die Begeisterung für seine Arbeiten nicht dauerhaft schmälern konnten.
Neben Émile Gallé sind in der Ausstellung „La Belle Époque“ der Städtischen Galerie Rosenheim noch viele weitere europäische aber auch regionale Kunstwerke des Jugendstils aus Angewandter Kunst, Grafik und Malerei zu sehen.
(Quelle: Pressemitteilung Städtische Galerie Rosenheim / Beitragsbild: Martin Weiand)
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