Hilpoltstein / Bayern – Kraniche, Schwalben und Sommergoldhähnchen, egal ob groß oder ganz klein: auch in diesem Herbst machen sich wieder Millionen Vögel aus ganz Europa auf eine lange, grenzüberschreitende Reise, um den Winter in südlichen Ländern wie Spanien, Portugal oder Afrika zu verbringen. Im Rahmen der 29. europaweiten Aktion „Birdwatch“ lädt der bayerische Naturschutzverband LBV am Wochenende vom 1. bis 2. Oktober ein, die Faszination Vogelzug hautnah in Bayern mitzuerleben.
Bei den zahlreichen Veranstaltungen und Exkursionen werden durchziehende Vögel, wie zum Beispiel Finken oder Watvögel, bestimmt und gezählt. Mit ein bisschen Glück kann man auch noch einen spät-ziehenden Wiedehopf, den Vogel des Jahres 2022 (wir berichteten), auf dem Weg ins tropische Afrika entdecken. „Neben dem Erleben eines eindrucksvollen Naturschauspiels, helfen die europaweiten Beobachtungen am Birdwatch-Wochenende, Veränderungen von Zugzeiten und Flugrouten unserer Vögel festzustellen. So bekommen wir auch Einblicke, wie die Klimakrise mit ihren Auswirkungen das Zugverhalten beeinflusst“, sagt die LBV-Vogelexpertin Dr. Angelika Nelson. Fünf wissenswerte Fakten geben Einblicke in das Phänomen Vogelzug. Wer Zugvögel live miterleben möchte, findet LBV-Veranstaltungen zum Birdwatch-Wochenende in der Nähe unter www.lbv.de/birdwatch.
Mehr als 50 Millionen Zugvögel
verlassen jetzt Brutgebiete in Bayern
Jedes Jahr, wenn die Tage kürzer werden, machen sich viele im Freistaat brütende Vögel auf die Reise. „Mehr als 50 Millionen Zugvögel verlassen gerade ihre Brutgebiete in Bayern, um in Südeuropa oder Afrika zu überwintern. Zusätzlich überqueren 300 Millionen weitere Zugvögel unser Land, tanken hier Energie an geeigneten Rastplätzen und ziehen dann weiter in ihr südliches Winterquartier,” erklärt Angelika Nelson. Am Internationalen Birdwatch-Wochenende greifen Vogelfreund*innen nicht nur in Deutschland, sondern zeitgleich in ganz Europa zu den Ferngläsern und spähen gemeinsam in den Himmel. Ziel dieser Aktion ist es, auf das Thema Vogelzug und die grenzüberschreitende Bedeutung des Vogelschutzes aufmerksam zu machen.
1. Wann geht’s los und wohin?
Wenn die Tage kürzer werden, die Sonnenstunden geringer und immer weniger Insekten unterwegs sind, ist für viele Vögel in Bayern die Zeit gekommen sich auf den Weg Richtung Süden zu machen. „Die Vögel verfügen über eine Art innere Uhr, die ihnen mitteilt, wann es Zeit für den Aufbruch ist. Sie bereiten sich auf ihre Reise vor, indem sie sich Fettreserven anfuttern, in großen Schwärmen sammeln oder im Familienverbund aufbrechen“, sagt die LBV-Vogelexpertin. Dabei „wissen“ die Vögel ganz genau, wo ihr Ziel liegt und wie sie dorthin kommen. „Ein innerer Kompass sowie die Streckenlänge sind bei vielen Arten, wie zum Beispiel beim Kuckuck oder dem Weißstorch, vererbt. Junge Gänse, die zum ersten Mal die Reise im Familienverband antreten, lernen von ihren Eltern die Zugroute mit Rastplätzen und den geeigneten Überwinterungsort“, so Angelika Nelson.
2. Kommen Zugvögel auch nach Bayern?
Bei manchen Vogelarten scheint es, dass sie das ganze Jahr bei uns verbringen. Doch dieser Eindruck kann täuschen. Zum Beispiel zieht ein Teil der bayerischen Rotkehlchen, überwiegend die Weibchen, im Winter nach Italien, oder auf die iberische Halbinsel. Rotkehlchen aus Nord- und Osteuropa kommen dagegen zum Überwintern nach Bayern. „Bei Rotkehlchen und ähnlich auch bei Amseln kommt es zu einer Art Schichtwechsel: die Bayerischen fliegen ein Stück weiter in den Süden und die Nordischen kommen zu uns“, so die LBV-Biologin.
3. Fliegen in großer Schar
Ein unvergessliches Schauspiel sind die spektakulären Flugformationen der Stare. Sie schließen sich nach der Brutsaison zu Scharen mit bis zu 1.000 Tieren zusammen. Ihre riesigen, schwarzen Schwärme sehen aus der Entfernung wie eine große, synchron ziehende Wolke aus. Faszinierend zu beobachten ist dabei, dass die Vögel nie zusammenstoßen. „Jeder Star achtet auf seine Schwarmnachbarn und versucht zu diesen Vögeln immer dieselbe Position einzuhalten. Jede Richtungsänderung reißt somit auch den Schwarmgenossen mit. Die Summe der Einzelentscheidungen ergibt dann das, was wir als sich einheitlich bewegende Wolke wahrnehmen”, erklärt Angelika Nelson. Die Gruppe bietet dem einzelnen Vogel auch Schutz gegen Beutegreifer, wie zum Beispiel Wanderfalken.
4. Tag oder Nacht?
Greifvögel wie Wespenbussard oder Rotmilan fliegen am Tag da sie die Thermik zum Aufsteigen nutzen, um dann in großen Höhen in Richtung Süden zu ziehen. Die meisten Singvögel jedoch brechen bei sternenklarem Nachthimmel zwischen Dämmerung und Mitternacht auf. Sie fliegen im Schutz der Dunkelheit, da sie tagsüber eine leichte Beute für größere Greifvögel wie beispielsweise Falken wären. „Außerdem ist es in der Nacht kühler. Die niedrigeren Temperaturen beugen einer Überhitzung der Vögel vor, da die Muskeln durch den steten Flügelschlag viel Wärme produzieren“, sagt die LBV-Biologin. In der Nacht orientieren sich die Vögel an der Konstellation des Sternenhimmels.
5. Lang, kurz oder gar nicht?
Nicht alle Vögel ziehen. Vor allem insektenfressende Vögel finden in den kälteren Monaten nicht genügend Nahrung in Bayern. Mauersegler oder Braunkehlchen verbringen die kalte Jahreszeit deshalb weit im Süden und überqueren auf ihrer Reise als Langstreckenzieher sogar die Sahara. Mönchsgrasmücke, Singdrossel oder Zilpzalp ziehen als Kurzstreckenzieher in den Mittelmeerraum oder ins nördliche Afrika. „Aufgrund der zunehmenden Erderwärmung aber auch der Urbanisierung überwintern jedoch immer mehr Vögel im Brutgebiet. So ist es keine Seltenheit mehr, einen Zilpzalp oder eine Mönchsgrasmücke mitten im Winter an der Futterstelle zu entdecken“, sagt die LBV-Biologin. Vögel wie Buchfink, Sperlinge sowie Kohl- und Blaumeise, die sich hauptsächlich von Körnern und Sämereien ernähren, finden auch im Winter bei uns genügend Futter und bleiben ganzjährig in Bayern.
(Quelle: Pressemitteilung LBV Bayern / Beitragsbild: Symbolfoto re)
Und hier noch ein Video auf YouTube für unsere kleinen Leser:
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