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„Dagmar“ als Erste ausgeflogen

Bartgeier

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

2. Juli 2022

Lesezeit: 4 Minute(n)

Berchtesgaden / Hilpoltstein  / Bayern – Nur 23 Tage nachdem der bayerische Naturschutzverband LBV und der Nationalpark Berchtesgaden im Klausbachtal zum zweiten Mal zwei noch flugunfähige junge Bartgeier ausgewildert haben, hat das erste der beiden Geierweibchen die eingezäunte Felsnische verlassen. „Heute Morgen um 7.50 Uhr ist Dagmar nicht völlig unerwartet zum ersten Mal abgehoben, nachdem sie zuletzt schon deutliche Anzeichen für ihren unmittelbar bevorstehenden Jungfernflug gezeigt hatte“, erklärt LBV-Projektleiter Toni Wegscheider.

„Ab sofort ist also ein weiterer Bartgeier Teil der bayerischen Alpen und wir sind überglücklich, dass auch heuer der Ausflug so gut geklappt hat“, sagt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. „Einen schöneren Morgen hätte sich Dagmar für ihre ersten Flugversuche gar nicht aussuchen können. Es ist von Mal zu Mal faszinierend, wie sich diese Jungvögel in die Luft erheben. Dieser Moment steht symbolhaft für die Rückkehr dieser tollen Vogelart in die freie Wildbahn“, freut sich auch Nationalparkdirektor Dr. Roland Baier. Bis auch der zweite Jungvogel Recka zum ersten Flug ansetzt, ist es nur noch eine Frage der Zeit. Auch diesen Erstflug kann jede*r mit etwas Glück live per Webcam mitverfolgen unter www.lbv.de/bartgeier-webcam sowie auf der Webseite des Nationalparks Berchtesgaden.

Bereits am gestrigen Freitag ist
Dagmar sehr viel geflattert

Bereits gestern war Dagmar den gesamten Tag über sehr viel geflattert und beide Geier hatten es zuletzt schon auf bis zu 400 Übungsflügelschläge pro Tag gebracht. „Dagmar hat gestern auch schon ihre Startposition getestet und viel Zeit am heutigen Startplatz in der Nische verbracht. Doch gestern hat wohl noch das schlechte Regenwetter den Ausflug verhindert, daher hat sie bis heute abgewartet“, beschreibt Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.
Bei idealen Wetterbedingungen hob Dagmar sehr elegant mit nur wenigen Flügelschlägen ab, absolvierte gleich einen 300 Meter langen Gleitflug und flog direkt eine sichere lange Kurve, um punktgenau auf einem außerhalb der Nische liegenden Futterplatz zu landen und sofort zu fressen. „Im Gegensatz zum Vorjahr, als Wally nach dem Ausflug von Bavaria suchend in der Nische umherlief, zeigte sich Recka heute unbeeindruckt und schlief einfach weiter. Doch wenn der erste Bartgeier einmal ausgeflogen ist, hat das einen Zugeffekt auf den Zweiten und so wird Recka in den nächsten Tagen wohl bald nachziehen“, weiß Toni Wegscheider.

In den vergangen vier Wochen haben die beiden Bartgeierweibchen ihr Flugtraining in der gesicherten Auswilderungsnische von Tag zu Tag intensiviert. Beide haben sich seit dem 9. Juni sehr gut entwickelt und sowohl an Gewicht als auch an Flügelspannweite zugelegt. „Die meisten ausgewilderten jungen Bartgeier machen zwischen dem 120. und 125. Lebenstag ihren Jungfernflug. Dagmar ist bereits mit 118 Tagen abgehoben. Ihre große Aktivität zuletzt war ein eindeutiges Zeichen an das Team, dass der Ausflug unmittelbar bevorsteht“, sagt Ulrich Brendel. Bei nur kurzen Gleitstrecken sind junge Bartgeier gerade in der ersten Woche meist alles andere als Präzisionsflieger. Doch jeder Tag voller Übungsflüge bringt deutliche Steigerungen und schon nach wenigen Wochen dürften beide Vögel elegant in den Gipfelregionen des Nationalparks kreisen.
Im Vorjahr haben bereits Wally und Bavaria gezeigt, dass im Nationalpark ausreichend Futter für Aasfresser zu finden ist. „Trotz weiterhin bestückter Futterplätze haben beide Geier das Auswilderungsgebiet irgendwann kaum mehr angeflogen und waren überraschend schnell unabhängig von menschlicher Unterstützung. Einen ähnlichen Verlauf erwarten wir auch dieses Jahr mit Recka und Dagmar“, berichtet Toni Wegscheider.

Ungewohnte Harmonie
in der Nische

Nachdem die erste gemeinsame Woche in der Auswilderungsnische von häufigen Aggressionen der kleineren Recka gegen die deutlich schwerere Dagmar geprägt war, verlief die restliche Zeit bis zum Erstflug dann überraschend harmonisch. Beide Geier schliefen regelmäßig zusammen auf einem Nest, bettelten sich gegenseitig um Futter an und schnäbelten vertraut miteinander. „Obwohl im Vorjahr schon Wally und Bavaria von Experten als außergewöhnlich friedliche Konstellation eingeschätzt wurden, hatte wir diesmal mit den beiden Geiern erneut großes Glück. Fast immer sind die einzelgängerischen Bartgeier deutlich aggressiver zueinander, was andernorts teilweise sogar schon eine nachträgliche Errichtung von Absperrungen in den Nischen erfordert hat“, weiß Toni Wegscheider.

Führungen zu
den Bartgeiern

Am offiziellen Bartgeier-Infostand im Nationalpark an der Halsalm, der auf einer Wanderroute liegt, können sich in den kommenden Wochen alle Besucher*innen täglich bei den Projektmitarbeitenden erkundigen, wo genau sich Recka und Dagmar gerade aufhalten und wo man sie beim Beobachten am wenigsten stört. Sowohl der LBV als auch der Nationalpark Berchtesgaden bieten regelmäßig Bartgeier-Führungen an, eine Anmeldung ist erforderlich. Informationen gibt es unter www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de im Bereich Veranstaltungen sowie unter bartgeier@lbv.de. Darüber hinaus sind vor allem Naturfotograf*innen angehalten, großen Abstand zu den beiden Bartgeiern zu halten. Nationalpark-Ranger sind vermehrt im Einsatz, um die jungen Bartgeier vor aufdringlichen Gästen zu schützen.

Bartgeiersichtungen
dem LBV melden

Neben Bavaria, Recka und Dagmar wurden in letzter Zeit auch mehrfach andere durchziehende Bartgeier in den bayrischen Alpen gesichtet. Der LBV ruft deshalb alle dazu auf, den bayerischen Naturschützer*innen in Zukunft vor allem außerhalb des Auswilderungsbereichs Sichtungen von Bartgeiern per E-Mail zu melden unter bartgeier@lbv.de. „Am wichtigsten ist uns beim Melden, dass immer ein Foto oder Video mitgeschickt wird, selbst wenn es nur unscharf mit dem Smartphone aufgezeichnet wurde“, so Toni Wegscheider. Wenn möglich sollten dabei auch noch die Flugrichtung und mögliche Aktivitäten beschrieben werden, sowie möglichst genaue Gefiedermerkmale wie die Farbe der Federn an verschiedenen Körperstellen sowie helle Flecken oder Markierungen.

Futter in der Umgebung
ist ausgelegt

In Vorbereitung auf den ersten Ausflug hat das Bartgeier-Team von Nationalpark und LBV bereits in Rinnen in direkter Umgebung der Nische Futter ausgebracht, das auch fußläufig für die beiden Geier erreichbar ist. Projektmitarbeiter*innen werden auch in den kommenden Wochen immer vor Ort sein und das Verhalten der beiden jungen Bartgeier weiterhin genauso intensiv überwachen wie bisher.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Symbolfoto re)

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