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Gänsegeier an Bleivergiftung verendet

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

11. Februar 2022

Lesezeit: 2 Minute(n)

Starnberg / Hilpoltstein – Im Landkreis Starnberg wurde vor einigen Wochen ein toter Gänsegeier gefunden (wir berichteten). Um die Ursache seines Todes zu klären, veranlassen der bayerische Naturschutzverband LBV und die Gregor Louisoder Umweltstiftung (GLUS) eine Untersuchung des toten Vogel beim Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit (LGL) in Oberschleißheim. Nun liegt das Ergebnis vor: der Vogel wurde offenbar beschossen, dabei aber nicht tödlich getroffen. Wenig später ist er aber an den Folgen der Vergiftung durch das Bleigeschoss verendet.

„Die uns vorliegenden Befunde sprechen klar für eine chronische Bleivergiftung, da der Geier längere Zeit einem im Gewebe steckenden bleihaltigem Geschoss ausgesetzt war und dadurch eine kontinuierliche Abgabe von Blei ins Blut stattfand“, erklärt der LBV-Landesfachbeauftragte für Naturschutz Dr. Andreas von Lindeiner. „Der bei uns seltene Gänsegeier ist in der Folge dieser Vergiftung offenbar nicht mehr in der Lage gewesen, sich auf Nahrungssuche zu begeben und schließlich an Auszehrung verendet“, so der LBV-Biologe weiter.

Streng geschützte Greifvogelart:
Strafanzeige gestellt

Da die Tötung einer streng geschützten Greifvogelart eine Straftat darstellt, werden LBV und GLUS nun eine Strafanzeige bei der zuständigen Polizeidienststelle stellen. Bei der Untersuchung des Gänsegeiers am LGL stellte sich heraus, dass sich im Gewebe des Greifvogels ein stecknadelkopf-großes bleihaltiges Geschoss von rund fünf Millimetern Größe und nicht einmal einem Gramm Gewicht befand. „Damit ist erneut bewiesen, dass Blei selbst in geringsten Mengen in der Lage ist, auch einen bis zu zehn Kilo schweren und über einen Meter großen Geier zu töten“, erklärt Andreas von Lindeiner. Laut LGL-Befund wird bei Tieren schon ab 2–10mg/kg von einer Bleivergiftung gesprochen. „Die Analysewerte der Leber des Gänsegeiers ergaben eine Belastung mit 22 Milligramm Blei pro Kilo Gewebe“, erklärt der LBV-Biologe.
„Chronische Bleivergiftungen treten unter anderem durch die Anreicherung von Blei aus Projektilen über das Blut nach nicht-tödlichen Schusswunden auf. Der in diesem Fall nachgewiesene Beschuss des Geiers ist definitiv illegal und muss deshalb als Straftat verfolgt werden“, sagt von Lindeiner weiter. Wo und wann der nun verendete Starnberger Gänsegeier beschossen wurde, kann möglicherweise eine Analyse des Geschosses ergeben. Die Herkunft der Munition zu ermitteln, liegt nun in der Verantwortung der bayerischen Ermittlungsbehörden. „Parallel dazu wird an der LMU eine toxikologische Untersuchung an verschiedenen Organen durchgeführt werden“, so der LBV-Biologe.
In der Wissenschaft werden Fälle von akuter Bleivergiftung bei Geiern vor allem durch die Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt nach dem Fressen von mit bleihaltiger Munition geschossenem Wild beschrieben. Gleiches wird auch bei anderen Greifvogelarten in Deutschland festgestellt, so insbesondere bei See- und Steinadlern. Im Zusammenhang mit der Auswilderung der ersten deutschen Bartgeier im Juni 2021 im Nationalpark Berchtesgaden hatte der LBV deshalb mit Erfolg darauf gedrängt, dass in bayerischen Staatswäldern nur noch bleifrei gejagt wird, um derartige Verluste bei Aasfressern wie Geiern und Adlern zu vermeiden. Der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer erneuert seine Forderung: „Wir fordern auch angesichts dieses spektakulären Falls, dass sich private Jägerinnen und Jäger und Kommunen umgehend dem Entschluss der Bayerischen Staatsforsten anschließen, und zukünftig freiwillig auf die Nutzung von bleihaltiger Jagdmunition verzichten.“

Im November noch
lebendig beobachtet

Noch Anfang November war der Gänsegeier unweit seines späteren Fundortes an der Landkreisgrenze zwischen Weilheim und Starnberg von einem Anwohner im Gebiet des Kerschlacher Forstes gesichtet worden. Er hatte den Vogel regelmäßig beim Umherfliegen beobachtet. Dabei zeigte der Geier keine offensichtlichen Beeinträchtigungen. Nach Bekanntgabe des Totfundes hatte sich der Beobachter beim LBV gemeldet und Foto und Videoaufnahmen des lebenden Gänsegeiers übermittelt.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Bildarchiv LBV – Lorenz Wolfgang)

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