Nachrichten, Informationen und Geschichten aus Rosenheim

Gastkommentar zum Thema „Leerstand“ in Rosenheim: von Günther A. Gerhager

Leerstehendes Geschäft in der Rosenheimer Innenstadt. Foto: Innpuls.me

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

15. April 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Rosenheim – Zum Thema „Leerstand“ wurde in den vergangenen Monaten viel diskutiert und geschrieben. Nun bezieht Günther A. Gerhager zum Thema mit einem Gastbeitrag Stellung. Der Rosenheimer ist heute Schriftsteller und hat vor Jahren mit seiner Immobilienfirma mindestens 100 Läden in Rosenheim neu vermietet. 

Portrait Günther A. Gerhager. Foto re

Günther A. Gerhager. Foto: re

Der Gastbeitrag von Günther A. Gerhager hier im Wortlaut:
„Selten habe ich soviel Unsinn zu einer wirtschaftlichen Problematik gelesen, wie in den letzten Wochen zu dem Thema „Leerstand von Läden“ in Deutschland, insbesondere in Rosenheim.
Es fühlen sich plötzlich alle Wichtigmacher aufgerufen, ihren Senf dazu abzugeben, die selber keinen Laden, kein Geschäftshaus, ja oftmals überhaupt keine Immobilie besitzen. Meistens Menschen, die nicht mal selbständig resp. Geschäftsinhaber sind. Die wissen jetzt alle auf einmal wie es funktioniert einen Ladenmieter zu bekommen, der eine langfristige Ladenmiete monatlich in der Höhe bezahlt, die es dem Besitzer eines Geschäftshauses ermöglicht, ein solches mit meist
kostenintensiver historischer Bausubstanz zu erhalten.

„Rosenheim hat dramatisch an Eleganz und Niveau verloren“

Rosenheim hat die letzten Jahre dramatisch an Eleganz und Niveau verloren. Wenn ein Dr. Berentzen schreibt, „wenn man die Entwicklung jetzt dem freien Markt überlässt, wird eine daraus folgende Anhäufung von Ein – Euroläden, Nagelstudios und Barbiere, der Sargnagel für die Innenstadt “. Dabei hat er offensichtlich komplett übersehen, dass den bereits vorhandenen Sargnagel nicht der freie Markt geliefert hat, sondern die Politik resp. die Wähler, die diese Politiker wählten.
Mir sagten die letzten Jahre mindestens zwei Dutzend Leute aus dem Landkreis und sogar aus Kitzbühel, sie würden nicht mehr in die Stadt nach Rosenheim fahren, da sie sich in der Innenstadt vorkommen, als befänden sie sich nicht mehr in Oberbayern. Es fehlt nur noch ein Basar, um dieses Umfeld zu komplettieren. Das wird auch kein Kasperltheater oder irgendein anderer Hokuspokus ändern. Auch kein mit Steuergeldern bezahlter Theoretiker von Leerstandsmanager, der dann eine sinnlose Standortanalyse macht, die Filialisten in der Vergangenheit schon hundertfach erstellt haben.
Dieser soll dem „Leerstand entgegenwirken“, meinen Rosenheimer Stadträte. MdB Ates Gürpinar von den Linken sieht die Lage sogar kämpferisch und möchte dem Leerstand den Kampf ansagen. Faktisch eine Kriegserklärung, aber alles ohne Euro.

Zusammen entwickeln sie dann dazu viele Konzepte, aber keine wirklichen Euro an Miete. Da weit über die Hälfte der zu erhaltenden Miete an Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Grundsteuer abzuführen sind, werde ich an das Finanzamt schreiben, dass es von mir zukünftig Konzepte statt Euro bekommt.
Ein teures und sinnloses Gutachten dazu von 150 Seiten, ( wo man aber jetzt endlich weiß, dass ein Karstadt Leerstand auch andere Geschäfte tangiert ) wird letztendlich den einzigen Schluss zulassen, dass die Hausbesitzer zu viel Miete verlangen. Wobei viele Hausbesitzer ihren Laden halt nicht verramschen wollen.

Der Experte Dr. Berentzen, sieht als Lösung sogar dirigistische Maßnahmen vor und meint, „dafür muss man die Vermieter kennen, im Austausch stehen, Wackelkandidaten identifizieren und bei der Nachbesetzung mitwirken“. So hat es in der ehemaligen DDR auch begonnen. Da hat der Staat und alle Theoretiker derartig viel „mitgewirkt“, bis Staat und Bürger endgültig bankrott waren.
Deswegen haben sich die Rosenheimer Stadträte schon bereits vor einiger Zeit mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass Rosenheim diesen sogenannten Flächenmanager bekommt. Zudem sollen die leerstehenden Gewerbeimmobilien in den Erdgeschosslagen digital erfasst werden, mit dem Ziel, die Entwicklungen am Immobilienmarkt zu dokumentieren, freie Immobilien zu bewerben und die Vermittlung an Interessenten zu unterstützen.
Denen ist scheinbar gänzlich unbekannt, dass z.B. im größten Immobilienportal, Immobilienscout 24, die Präsentation eines Ladens in Deutschland und Rosenheim von 839 Millionen Menschen in Europa gesehen werden kann. Dies mit 2 Dutzend Fotos vom Handy gemacht, alles kinderleicht zu bewerkstelligen. Kostet für 14 Tage € 119.-.
Man braucht die Innenstadt auch nicht noch mehr beleben, da die Menge der Menschen in der Innenstadt absolut reicht. Nur es erübrigen sich elegante Geschäfte, da die Mehrheit dieser Menschen kein Geld in der Tasche hat, um in hochwertigen Boutiquen und Geschäften zu shoppen.

Ideen eines Stadtrates, bei einem evtl. Leerstand von Karstadt dort einen „Seniorentreff“ zu etablieren, gehen da schon in die neue innovative Richtung. Und ein junger Redakteur fordert sogar flehend in den lokalen Medien, „ bitte habt mehr Mut beim Kampf gegen den Leerstand in Rosenheim“. Um diesem Flehen noch mehr Nachdruck zu verleihen, sollte dieser junge Mann beim nächsten Artikel mit Foto vielleicht mit Tränen in den Augen um mehr Mut bitten.
Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob dieser überhaupt die leiseste Ahnung von der Thematik hat, über die er hier belehren möchte.
Peter Rutz von den Grünen kommt da der Wirklichkeit am nächsten, in dem er sagt, „ihm sei es wichtig, positiv zu bleiben.“ Mehr kann man nämlich auch nicht tun.

Außer man stellt wieder ab, dass tausende Kleinlaster die Innenstädte zusätzlich zum übrigen Verkehr belasten, ständig nervend vor Ausfahrten und Halteverboten parken und täglich Millionen Kartons und Pakete im ganzen Land herumfahren. Von den Bergen von Packmaterial und dem anfallenden Müll gar nicht zu reden. Dieser Internethandel hat eine völlig neue Kultur geschaffen. Eine Kultur, die zur Verödung der Innenstädte führt, mit all den dramatischen Folgen. Existenzen werden zerstört, hunderttausende Verkäuferinnen werden arbeitslos usw..

„Historische Bausubstanz der Innenstadt wird veröden“

Veröden wird auch die historische Bausubstanz der Innenstädte, wenn den Hausbesitzern die Ladenmieten zur Erhaltung dieser nicht mehr zur Verfügung stehen. Dafür machen jetzt die Onlinedienste wie Amazon, Otto Group, Zalando usw. Milliarden Umsätze. Wenn man dies alles nicht mehr will, könnten z.B. sehr hohe Steuern auf die
Transportgebühren ( oder Ähnliches ), die Situation wieder umkehren.
(Quelle: Gastkommentar von Günther A. Gerhager / Beitragsbild: Symbolfoto re / Foto: re)

3 Kommentare

  1. Avatar

    Die Vermietung der Geschäfte erfolgt durch die Vermieterinnen. Sie entscheiden, ob Sie zu Höchstmieten an einen 1€Shop oder für eine geringere Miete an ein hochwertigeres Geschäft vermieten. Und Sie entscheiden damit auch auf die Dauer über das Umfeld Ihrer Immobilien.

    Und trotz hoher Mieten und niedriger Zinsen ist in der Innenstadt von Rosenheim in den letzten Jahren wenig in die Erhaltung der Immobilien investiert worden. Ohne Impulse durch die Gartenschau vor 13 Jahren wäre wahrscheinlich noch weniger passiert.

    Und damit der Leerstand vor allem beim Wohnraum weniger wird, brauchen wir eine Meldepflicht und eine Zweckenttfremdungsabgabe auf alle Wohnungen, die länger als 6 Monate leerstehen. Diese Abgabe muss für den spzialen Wohnungsbau eingesetzt werden.

    Antworten
  2. Avatar

    Herr Gerhager teilt kräftig aus und vergisst dabei die Logik. Einerseits sind die Politiker am Leerstand schuld, dann aber wieder die Verbraucher, weil sie online kaufen. Der Handel hat kein Grundrecht darauf, dass die Kunden kommen, egal was der Handel bietet. Wenn ich aus einem Geschäft oder Kaufhaus wiederholt unverricheter Dinge wieder hinausgehen, weil die gewünschte Ware nicht geführt wird und nicht einmal auf Wunsch bestellt wird, dann kaufe ich halt online. Es ist nicht in erster Linie der Preis, es ist das fehlende Angebot und der teils miserable oder gänzlich eingesparte Service.
    Wenn meine Frau in einem Kaufhaus lange unterwegs war, bin ich früher in die Cafeteria gegangen. Die wurde aber eingespart, wahrscheinlich weil die Betriebswirte naiverweise nur rechnen, was die Cafeteria abwirft und nicht den Zusammenhang sehen. Da fehlt es eben am vernetzten Denjken. Jetzt gehen wir halt überhaupt nicht mehr hinein.
    Wenn ich mich in der Gastronomie bedrängt fühle, den Platz möglichst bald für den nächsten Umsatzbringer zu räumen, dann hört die Gemütlichkeit auf. Ich fühle mich nicht mehr als willkommener Gast. Was soll ich dann noch in der Innenstadt? Sicher sparen die Kunden jetzt auch, aber sie halten sich auch zurück, weil Handel und Gastronomie bei den Preisen mehr als heftig hingelangt haben.

    Und natürlich gibt es Immobilienbesitzer, die in Unterlagen nachschauen müssen, was ihnen alles gehört. Manche davon nehmen lieber Leerstand ohne Miete bei einem der vielen Objekte in Kauf, als einzusehen, dass sie weniger verlangen müssen. Den hohen MIeten verdanken wir auch, dass wir in den Städten immer dieselben Ketten mit iihren Filialen sehen, Es gibt keinen Grund mehr, beim Besuch einer anderen Stadt in die Geschäfte zu gehen, denn es sind immer die gleichen. Ich gehe gerne in inhabergeführte Geschäfte, in denen sich Inhaber und Personal erkennbar freuen, dass ein Kunde kommt. Aber das gibt es ja kaum noch.

    Antworten
  3. Avatar

    Mit Verunglimpfungen ist auch nichts erreicht. So wie Herr Gerhager hier zum Rundumschlag ansetzt, aber selbst keine Lösung parat hält, der ist nicht besser als die, die er hier geisselt. Warum sollen Angestellte, Arbeiter, Beamte oder Rentner nicht auh gute Ideen haben? Sie wissen was sie brauchen oder wollen und sind am Ende die, die das alles mit ihren €uros am Laufen halten sollen.

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.