Rosenheim / Landkreis – Es sind bewegte Zeiten für die Landwirte. Das spiegelte auch der Kreisbauerntag wider, den der Bayerische Bauernverband (BBV) traditionell an Maria Lichtmess in der Auerbräu-Festhalle in Rosenheim veranstaltet hat.
Der Saal war fast komplett voll besetzt. Fotos. Karin Wunsam
Vor dem Eingang bezogen erstmals einige Klimaaktivisten und Polizisten Position. Der Saal war fast voll besetzt und die Liste der Ehrengäste diesmal besonders lange. Insbesondere zahlreiche Bürgermeister aus der Region nutzten die Möglichkeit, der heimischen Landwirtschaft so ihren Rückhalt zu bekunden.
Kreisobmann Josef Andres ging in seiner Rede auf die vielen Probleme und Herausforderungen ein, mit denen die Landwirte derzeit so kämpfen haben.
Ausschnitt der Rede von Kreisobmann Josef Andres
Mit einem kurzen Videozusammenschnitt verschiedener Protestaktionen der heimischen Bauern in den vergangenen Wochen startete die Versammlung. Dafür gab es gleich einmal viel Applaus. Kreisobmann Josef Andres verglich die Situation der Bauern mit dem Kinderspiel-Klassiker „Reise nach Jerusalem“: „Die Politik zeiht uns immer wieder einen weiteren Stuhl weg. Ständig gibt es neue Stolpersteine statt Trittsteine“. Von Systemrelevant während der Corona-Zeit stufe man nun den Bauernstand als klimabelastend ein.
Die Kürzung der Agrardieselbeihilfe habe letztendlich das Fass zum Überlaufen gebracht, wobei es Andres wichtig ist, noch einmal klarzustellen, dass es sich dabei nicht um eine Subvention handelt: „Wir Landwirte finanzieren vor und müssen dann für die Rückvergütung eine Antrag stellen, also ähnlich wie bei der Pendlerpauschale“.
Neben Landrat Otto Lederer zeigte auch Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März (Foto) Verständnis für die Protestaktionen.
Auszug aus der Rede von Oberbürgermeister März
Es brodelt aber in der Bauernschaft schon sehr viel länger aufgrund immer neuer Auflagen und zunehmenden Bürokratismus. „Wir werden mehr und mehr in ein Korsett eingeschnürt, das unsere Bewegungsfreiheit einengt und uns zunehmend die Luft zum Atmen nimmt“, so Andres.
Von der Politik wünscht er sich deshalb „keine populistischen, ideologische Reden, sondern sachliche Diskussionen über die Probleme, die die Menschen bewegen“ und von der Gesellschaft „Vertrauen zueinander“. Bei den Protesten gehe es längst nicht mehr nur um die Bauern. „Der ganze Mittelstand steht zusammen. Wir alle haben die gleichen Probleme“. Und eines sei klar: „Das Spiel ist noch lange nicht abgepfiffen“.
„Wir leben Klimaschutz und reden nicht nur darüber“, betonte Kreisbäuerin Katharina Kern. Nachhaltigkeit sei für Bauernfamilien immer schon eine Selbstverständlichkeit: „Wir haben von unseren Eltern und Großeltern gelernt, sparsam zu sein. Sparsamkeit ist Nachhaltigkeit“. Auch sie hat die vergangenen Wochen als „aufregend und aufreibend“ erlebt. Mit der Organisation und Durchführung der verschiedenen Aktionen seien viele an ihr Limit gekommen.
Die Kreisbäuerin lenkte den Blick aber dann auch auf die vielen anderen Aktivitäten und Aktionen des Bayerischen Bauernverbandes im vergangenen Jahr, beispielsweise die beliebte Schmankerlstraße in Rosenheim oder verschiedene Schulprojekte, bei denen die nächsten Generationen an regionale, gesunde Ernährung herangeführt werden soll.
Auch Bildungsarbeit innerhalb der Bauernschaft gehört zum Aufgabenfeld der Landfrauen – und dabei spielt das Thema „Gesundheit“ eine immer größere Rolle, denn: „Depressionen und Selbstmordrate in der Bauernschaft nehmen zu“.
Die Liste der Ehrengäste war diesmal besonders lang.
Auch Rosenheims Landrat Otto Lederer weiß, dass es bei den Protestaktionen bei weitem nicht nur um den Agrardiesel geht: Vorschriften, Aufgaben und Pflichten nehmen überhand, Förderungen werden reduziert oder müssen aufwendig beantragt werden“. Darum sei es für ihn „absolut verständlich, dass die Bauern nun aufstehen“.
Ähnlich äußerte sich auch Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März. Er sprach zu den Protesten von einer „Koalition der Frühaufsteher, weil das Menschen sind, die früh aufstehen, damit etwas vorwärts geht“. In der Politik gehe Maß und Mitte zunehmend verloren und Fleißige würden dabei unverständlicherweise keine Berücksichtigung mehr finden: „Das Geld kommt nicht von Staat, sondern ist immer schon erwirtschaftet worden“.
Vor dem Eingang bezogen diesmal einige Klimaaktivisten Stellung.
Höhepunkt der Veranstaltung war der Vortrag von Wissenschaftler und Unternehmer Professor Dr. Peer Ederer zum Thema „Milch und Klima“. Ederer ist Mitinitiator der „Dubliner Deklaration“ Diese wurde bereits von mehr als 1100 Wissenschaftlern weltweit unterzeichnet, um so Kritikern zu begegnen, die zum Wohl des Klimas eine drastische Reduzierung der Tierhaltung und des Fleischverkehrs fordern. Für Ederer steht fest: „Kühe sind nicht an der Klimaerwärmung schuld“. Diese Aussage belegte er mit neuesten wissenschaftlichen Studien über die Wirkungsweise des Gas „Methan“, das mittlerweile als weit klimaschädlicher als Kohlendioxid betrachtet wird.
Für den Wissenschaftler Professor Dr. Peer Ederer steht fest, Kühe sind nicht am Klimawandel schuld.
Auszug Vortrag von Professor Dr. Ederer
Der Schweizer Wissenschaftler macht sich mit seinen Publikationen und Vorträgen zum Thema nicht nur Freunde. „Aktivisten begleiten jeden Schritt von mir“, erzählte er. Darum stand für ihn auch außer Frage, warum Klimaaktivisten diesmal auch zum Kreisbauerntag nach Rosenheim gekommen sind. Der BBV lud eine Aktivistin dazu ein, die Versammlung und den Gastvortrag aus nächster Nähe mitzuerleben. Die junge Münchnerin verhielt sich bis nach dem Vortrag mit Äußerungen zurück, sparte aber dann nicht an Kritik. „Ein breiter wissenschaftlicher Konsens belegt das Gegenteil“, warf sie Ederer vor. Der entgegnete gelassen: „Einen Konsens kann und darf es in der Wissenschaft gar nicht geben. Es braucht Streitgespräche, um in der Forschung weiterzukommen.“
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild, Fotos: Karin Wunsam / Audio: Josefa Staudhammer)
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