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Macht das noch Sinn?

Wer bin ich und was ist der Sinn meines Seins? Diese Fragen sind wohl so alt wie die Menschheit selbst.

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

27. April 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Rosenheim – Jeden Donnerstag schreibt der Rosenheimer Dr. Alexander Wurthmann M.A. auf Innpuls.me über ein psychologisches Thema und gibt Tipps, wie man damit umgehen kann. Der Titel seiner heutigen Kolumne lautet: „Macht das noch Sinn?“.

Portrait Alexander Wurthmann

Dr. Alexander Wurthmann M. A. Fotos: re

Zu Dr. Alexander Wurthmann: Der Rosenheimer mit rheinischen Wurzeln ist Sohn eines Schriftstellers. Er hat schon im Alter von 9 Jahren seine erste handgeschriebene Zeitung verfasst. Mitte der 70er Jahre studienhalber nach München. Abschlüsse in Politologie und Geschichte (Thomas Nipperdey). Oft als Reiseleiter in Japan und China. Dann viele Bildungsprojekte auf Bundes- und Länderebene gemanaged und schließlich fast 30 Jahre eine berufsbildende Schule betrieben. Nunmehr im fünften Jahr bei einer lebensberatenden Hotline im kirchlichen Bereich tätig und betreibt in Rosenheim eine Praxis für psychologische Beratung und Coaching.
Hier gibt es dazu weitere Infos: 

Immer schneller, immer weiter, immer höher, immer perfekter - ist das der Sinn des Lebens? Fotos: re

Immer schneller, immer weiter, immer höher hinaus – kommt man damit dem Sinn des Lebens näher?

„Macht das noch Sinn?“

Zweimal im Leben eines jeden Menschen stellen sich Umbrüche ein, die mit der Frage nach dem Sinn des Lebens einhergehen: in der Pubertät und in den Wechseljahren. In der Pubertät wird überhaupt erst einmal nach einem Sinn gesucht und in den Wechseljahren vieles bis alles in Frage und manchmal auf den Kopf gestellt. Die Frage nach dem Sinn des Lebens hat sich also jeder mindestens einmal im Leben gestellt.

Was macht also diesen Sinn aus? Braucht man das überhaupt, oder würfelt das nur unser Leben durcheinander und unseren Umgang mit den anderen Menschen? Aristoteles stellte dazu in Griechenland ein paar Jahrhunderte vor der Entstehung des Christentums fest: Der Mensch strebt nach einem „Guten“. Damit ist allerdings nicht nur etwas ethisch-moralisches gemeint, sondern auch allgemein das Streben nach einem Ziel. Das schliesst das Streben nach allgemeinen materiellen und äusseren Zielen mit ein.

Fast 2000 Jahre später, zu Beginn der Aufklärung, führte der Engländer Thomas Hobbes die Verteidigung gegen Bedrohung als Ziel ein. Zu den positiven Zielen im Leben traten damit Verhinderungsziele. Nicht nur der Schutz gegen Naturgewalten, sondern auch gegen Übergriffigkeit durch andere Menschen.

Muss man denn immer die ganze Welt retten?

Besteht der Sinn des Lebens, beziehungsweise sinnhaftes Handeln nur auf so einem fast übermenschlich hohen Niveau? Muss man denn immer die ganze Welt retten? Warum denn nicht? Die Rettung der Welt kann schon auf ganz einfachem Niveau beginnen.

Superman fliegt am Himmel

Muss man immer gleich die ganze Welt retten, damit das Leben Sinn ergibt?

In der kleinen Gemeinde, in der ich so gerne wohne, fährt immer wieder ein Mensch mit seinem Rollstuhl durch die Straßen und sammelt Müll. Sortiert ihn in die verschiedenen Plastikbeutel, die er mit sich führt und entsorgt ihn hinterher. Auch wenn das scheinbar etwas ganz kleines, unscheinbares ist, ist es eigentlich doch ganz großes Kino.

Man könnte nun spöttisch bemerken, dass er das nur für den Applaus tut, den er dafür bekommt. Selbst wenn, was wäre so falsch daran? Es muss natürlich nicht immer so etwas ganz grosses sein. Es muss auch nicht immer „weh tun“, damit es ein echter Dienst für jemand anders ist. Der Sinn des Lebens kann auch darin bestehen, den Garten schön zu haben, oder die eigenen Kunstkenntnisse zu vervollkommnen. Kann in etwas ganz kleinem, individuellem bestehen.

Man muss keine Dinge tun, die man nicht tun mag, nur um sich „aufzuopfern“. Es gibt genug anderes. Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, mit Blick auf die Bedürfnisse anderer und seiner selbst, findet man etwas, das es lohnt weiter zu verfolgen. Man muss es auch nicht immer für den Applaus oder andere Belohnungen machen. Vor vielen Jahren habe ich einmal einigen jungen Familien mit Vorschulkindern und viel Gepäck geholfen. Sie wollten durch recht tiefen Schnee zu Fuss auf eine Almhütte gelangen. Die Kinder waren schon ziemlich erschöpft und die mit dem Gepäck schwer beladenen Erwachsenen auch. Natürlich wollten die mir etwas Geld dafür geben und ich hab‘s natürlich abgelehnt. Aber ich habe sie gebeten, bei nächster Gelegenheit anderen genauso zu helfen, wie ich ihnen geholfen habe.

Du erkennst an meinen Beispielen, dass ich bei allem Verständnis für die selbstbezogene Sinnsetzung einen ganz besonderen Sinn in der uneigennützigen Hilfe für andere sehe. Das werden ganz viele so sehen. Der Mensch ist eben ein Gemeinschaftswesen. Einer der Gründe für den Erfolg der Spezies Mensch besteht nach meiner Einschätzung in der Überwindung des archaischen Prinzips von Auge um Auge, Zahn um Zahn durch die Nächstenliebe im Christentum. Besiegte Feinde nicht umzubringen, führt dazu, dass ein weiteres Gehirn für die Gesellschaft integriert und nutzbar gemacht werden kann.
Einer der bekanntesten Psychotherapeuten des letzten Jahrhunderts war Viktor Frankl, der Freud, Adler und Jung noch persönlich gekannt hat. Er hat seine gesamte Familie im KZ der Nazis verloren, selbst aber drei KZs überlebt. Er begründete die humanistische Schule der Psychotherapie und war der Auffassung, dass die Sinnsuche das Wichtigste im menschlichen Dasein ist. Wenn du mal etwas Beeindruckendes lesen möchtest: „Trotzdem ja zum Leben sagen“ von Viktor Frankl.
Du bist also nicht allein bei Deiner Sinnsuche. Ohne selbige macht das Leben wirklich keinen Sinn. Es ist sogar fast unmöglich, keinen zu finden.
Alexander Wurthmann M.A.
(Quelle: Kolumne Dr. Alexander Wurthmann M.A. / Beitragsbild, Fotos: re)

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