Rosenheim – Eine Ära geht zu Ende: Das Textilhaus Mulzer am Ludwigsplatz in Rosenheim schließt nach 135-jähriger Geschichte seine Pforten. Der Ausverkauf läuft. Zum Jahresende ist dann endgültig Schluss.
„Es war uns über Generationen eine Ehre und eine große Freude, zum Rosenheimer Stadtbild am Ludwigsplatz beizutragen. Wir lieben unsere Stadt, wir lieben Wäsche und Mode und unser Ziel war es stets, unsere Kundinnen und Kunden jedes Jahr und in jeder Saison mit guter Qualität und ausgesuchtem Sortiment zu erfreuen und alle Wünsche zu erfüllen“, ist auf der Internetseite des traditionsreichen Unternehmens zu lesen.
Mit dieser Botschaft an die Kunden verliert die Stadt Rosenheim eines der letzten alteingesessenen Unternehmen. Das Haus am Ludwigsplatz 18 wird bereits im Jahr 1641 schriftlich erwähnt. Lange Zeit wurde darin eine Backstube betrieben. Am 27. März 1887 gründete dann Josef Mulzer zusammen mit seiner Frau in diesen Räumlichkeiten ein Textilgeschäft.
Dieses historische Foto zeigt das traditionsreiche Geschäft Mulzer um ca. 1900. Archiv: Herbert Borrmann
Und hier zu einem Vergleich zu dem Textilhaus Mulzer in heutigen Tagen.
Nach dem zweiten Weltkrieg übernahm sein Sohn das zu diesem Zeitpunkt schon sehr erfolgreiche Unternehmen. Vor gut zehn Jahren wurde das Haus in mehreren Bauabschnitten aufwendig renoviert und modernisiert. Geblieben sind der elegante Flair mit Lüstern, Täfelungen, barocken Stühlen und natürlich auch der antiken Ladenkasse, die nach wie vor im Einsatz ist.
Die antike Ladenkasse ist ein echter Hingucker und eine wahre Rarität, die in all den Jahren gehegt, gepflegt und geschätzt wurde. Fotos: Josefa Staudhammer
Die Welt ist im Wandel. Der Online-Handel macht es besonders den Inhabergeführten, kleinen Läden zunehmend schwer. Das Textilhaus Mulzer verstand es aber in den vergangenen Jahren, sich in diesen bewegten Zeiten zu behaupten, dank Christa Mulzer und Margarete Zickenheiner. Vor 30 Jahren traten die Geschwister in die Fußstapfen ihres Großvaters und Vaters. Christa Mulzer hängte dafür ihren Beruf als gelernte Grafikerin an den Nagel, Margarete Zickenheiner kündigte ihre Anstellung im Pfarrrbüro. Von einem Tag auf den anderen entschieden sie sich zusammen einen neuen Lebensweg einzuschlagen. „Wir sind in diesem Haus und in diesem Geschäft aufgewachsen. Das konnten wir nicht einfach so aufgeben“, erzählten sie im Gespräch mit uns, als wir mit ihnen vor fünf Jahren anlässlich des 130-jährigen Bestehens ein Interview führten.
Selbst Sonderanfertigungen
waren kein Problem
Mode war immer ihr Leben. Die Schwestern liebten es, bei Messen nach neuen Trends und neuen Innovationen Aschau zu halten, um ihre Kunden damit begeistern zu können. „Manchmal habe ich beim Aussuchen eines neuen Teils schon eine meiner Kundinnen im Kopf“, erzählte Christa Mulzer. Guter Service war eben immer ein herausragendes Merkmal im Textilhaus Mulzer. Selbst schwierigste Sonderanfertigungen wurden aufgenommen. Das Sortiment reichte von Unterwäsche über Strümpfe und Strumpfhosen bis zur Oberbekleidung für Frauen, Männer und Kinder. Bekannt und beliebt war das Geschäft auch für seine große Auswahl an qualitativ hochwertigen, modernen Bademoden. Ramsch und Billigware kamen für Christa Mulzer und Margarete Zickenheiner niemals in Frage.
Im vergangenen Jahr verstarb Margarete Zickenheiner und das Modehaus Mulzer hat damit eines der beiden Paar tief verwurzelten Standbeine verloren.
Die Entscheidung nun einen Schlussstrich zu ziehen, viel der Familie aber sicher dennoch enorm schwer. Die Beliebtheit des Geschäfts, auch weit über die Grenzen der Stadt hinaus, zeigt sich derer Tage noch einmal eindrucksvoll. Der Trubel ist groß und mittendrin Christa Mulzer, die nach wie vor mit größter Ruhe ihre Kunden bedient.
Ein aktueller Blick in die Räumlichkeiten von Mulzer.
Die Ankündigung der Ladenschließung endet auf der Internetseite des Unternehmens mit: „Irgendwann in der Zukunft….“ Für Dr. Kristiane Wolters, Tochter der verstorbenen Margarete Zickenheiner ist es ein Herzenswunsch, das Traditionsgeschäft irgendwann in der Zukunft familär geführt wieder aufleben zu lassen. „Vielleicht mit der 6. Generation. Wir sehen uns wieder“, schreibt sie. Viele Rosenheimer würden sich darüber sehr freuen.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild, Foto: Josefa Staudhammer / Archivaufnahme: Archiv Herbert Borrmann)
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