Rosenheim – 79 Sonderausstellungen gab es schon in der Geschichte des Städtischen Museums Rosenheim. Immer ging es um Themen aus der Stadtgeschichte. Bei der 80. Sonderausstellung steht nun das Städtische Museum selbst im Fokus. Der Titel lautet: „Sammelsurium“. Den Besuchern wird dabei anschaulich und leicht verständlich erklärt, welche Aufgaben das Museum eigentlich hat und wie Erwerb und Aufbewahrung von Exponaten funktionieren.
Immer schon wurde jedes Exponat beim Eintreffen in das Städtische Museum genau registriert und dokumentiert. Mittlerweile geht das natürlich auch in digitaler Form. Fotos: Innpuls.me
Die Sonderschau „Sammelsurium – Was macht eigentlich das Städtische Museum Rosenheim“ gewährt 128 Jahre nach der Gründung erstmals einen Blick hinter die Kulissen. An Hand eines wertvollen Bechers aus der Werkstatt des Rosenheimer Goldschmieds Ambrosius Ruedorffer werden den Besuchern die vier Säulen der Museumsarbeit aufgezeigt: Sammeln, Bewahren, Erforschen, Präsentieren und Vermitteln.
Anhand des Bechers aus der Werkstatt des Rosenheimer Goldschmieds Ambrosius Ruedorffer werden den Besuchern die vier Säulen der Museumsarbeit aufgezeigt. Fotos: Innpuls.me
In einem eigens inszenierten Schauraum wurde eine Fülle von Gegenständen zusammen angeordnet. Von alten Römerscherben über Geschirr und Fesseln aus dem Mittelalter bis hin zu einem goldfarbenen Eishockeyhelm ist alles dabei. Eben ein wahres „Sammelsurium“ – also laut Wikipedia „eine ungeordnete, unsystematisch, ohne Zweck angelegte Sammlung!? Dem ist natürlich nicht so.
Auch hinter diesem augenscheinlichen „Sammelsurium“ von Exponaten steckt durchdachte Ordnung.
Der Titel der aktuellen Sonderausstellung wurde bewusst provokant gewählt. In Wirklichkeit geht ohne Ordnung und System in einem Museum gar nichts, da macht auch das Städtische Museum Rosenheim keine Ausnahme.
Auch in der auf den ersten Blick willkürlichen Aneinanderreihung der unterschiedlichsten Exponate aus den verschiedensten Zeit-Epochen ist nichts dem Zufall überlassen. Der Besucher erlebt hier 2000 Jahre Rosenheimer Stadtgeschichte quasi im Zeitraffer.
2000 Jahre Stadtgeschichte Rosenheim begegnet den Besuchern im Städtischen Museum Rosenheim.
Viele der Exponate, die bei „Sammelsurium“ zu sehen sind, werden erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Denn von den insgesamt rund 25.000 Exponaten des Städtischen Museums Rosenheim werden nur etwa 5000 dauerhaft ausgestellt. Alle anderen kleinen und großen Dinge lagern sicher verwahrt im Depot. „Das Depot ist die Herzkammer eines jeden Museums“, erklärt Walter Leicht. Für ihn war es die letzte Sonderausstellung, die er als Leiter des Städtischen Museums Rosenheim realisiert hat. Mit der Eröffnung verabschiedete er sich nach 22 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand (wir berichteten) Unterstützt wurde Walter Leicht bei der Realisierung unter anderem von der Historikerin Lydia Zellner. Verantwortlich für die Ausstellungsgestaltung war Marlene Thimet.
Walter Leicht mit der alten Tür des Museumsdepot – nun auch ein Exponat.
Nicht jedes der Exponate, das bei der Sonderausstellung gezeigt wird, wirkt auf den ersten Blick spektakulär und nicht alles ist uralt. Einer der aktuellen Neuzugänge ist beispielsweise eine rote Stofftasche der Metzgerei Angerer, die erst kürzlich geschlossen wurden. Noch nicht lange im Besitz des Städtischen Museums ist auch ein Tisch und zwei Stühle aus dem ehemaligen Cafè Weth. Die Möbel standen ab Mitte der 1950er Jahre bis zur Schließung des Cafès im Jahr 2020 im Gastraum im Zwischenstock.
Eine alte Bürgerrechts-Urkunde neben einer roten Stofftasche der Metzgerei Angerer. Beides gehört zur Geschichte der Stadt.
Ende 2020 schloss eines der letzten Rosenheimer Traditions-Cafèhäuser, das Cafè Weth am Max-Josefs-Platz 30. Eröffnet wurde es im Jahr 1878. Bei einem Umbau in den 1950er Jahren wurde in den Gastraum im Zwischengeschoß eine Empore mit Wendeltreppe eingezogen, um mehr Sitzplätze zu gewinnen. Dort standen diese Möbel bis zur Schließung.
Die Idee, auch Plastiktüten zu sammeln und zu bewahren, ist der jüngste Sammlungsansatz im Städtischen Museum Rosenheim. „Den Anstoß dazu gab das sich ankündigende Verbot der klassischen Plastiktüte mit einer Wandstärke zwischen 15 und 48 Mikrometern. Dieses Verbot ist zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten“, erzählt Walter Leicht. Inzwischen umfasst der Plastiktütenbestand 122 Nummern, darunter auch die Tüte des Wäschehaus Mulzer am Ludwigsplatz, das ebenfalls erst kürzlich seine Türen für immer geschlossen hat.
Der Plastiktütenbestand des Städtischen Museum Rosenheim umfasst mittlerweile schon 122 Stück. Die jetzt in der Sonderausstellung gezeigten 17 Plastiktüten stammen alle von bereits verschwundenen Geschäften. Die Tüte des Wäschehauses Mulzer unterstreicht die Notwendigkeit, in der Gegenwart das Heute zu sammeln, weil es morgen schon Geschichte und vielleicht verloren ist. Übrigens kam die Plastiktüte vor über 60 Jahren auf die Welt und. war in der Wirtschaftswunderzeit das Sinnbild für spontanes Einkaufsvergnügen.
Neben den Plastiktüten sind auch Kleiderbügel Alltagsgegenstände, denen man eigentlich kaum Beachtung schenkt, deren Aufbewahrung aber auch durchaus lohnen kann. Gezeigt werden in der Sonderausstellung beispielsweise drei Kleiderbügel der Konfektionsgeschäfte Kohn und Fichtmann. „Sie sind im Sammlungsbestand des Städtischen Museums Rosenheim die einzigen Zeugnisse zum jüdischen Leben in Rosenheim“, so der ehemalige Museumsleiter. Diese Objekte seien der Anlass gewesen, im Städtischen Museum auch eine Sammlung von Kleiderbügeln anzulegen. Diese umfasst mittlerweile 84 Kleiderbügel sowie Rock- und Hosenspanner. Die 13 Kleiderbügel, die nun der Öffentlichkeit präsentiert werden, stehen alle für Geschäfte, die es mittlerweile nicht mehr gibt.
Auch Kleiderbügel können Geschichte erzählen. Das wissen viele Museen. Die erste Ausstellung zum Thema „Kleiderbügel“ wurde 2006 in Berlin gezeigt. Die Erforschung der Kulturgeschichte der Kleiderbügel heißt Pertiologie.
Im Jahr 2000 bekam das Städtische Museum Rosenheim einen umfassenden Bestand an Säuglings- und Kleinkinderkleidung geschenkt, der aus dem Haushalt von Rosa Brandmayer (1905 – 2000) stammt. Sie war Lehrerin und lange Jahre aktiv im Katholischen Bildungswerk Rosenheim. Für ihre drei Töchter hat sie gerne genäht und gestrickt, teils aus alten Bettlaken und Stoffresten.
Mit dieser „Afrana“-Nähmaschine hat der Schneider Hans Insinger (1878 – 1939) genäht. Er betrieb in den 1920er Jahren in der Stollstraße 4 in Rosenheim in Nähmaschinengeschäft.
Besucht werden kann die Sonderausstellung „Sammelsurium – Was macht eigentlich das Städtische Museum Rosenheim“ noch bis zum 5. November diesen Jahres. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag, 10 bis 17 Uhr, 1., 3. und 5. Sonntag im Monat von 13 bis 17 Uhr. Geschlossen Montags, Feiertage.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild, Foto: Karin Wunsam)
Hier noch weitere Impressionen der aktuellen Sonderausstellung „Sammelsurium“:
Diese Dinge gehörten einst dem Rosenheimer Zigarrenmacher Peer Huber. Im Adressbuch von 1900 ist dieser bereits als „Cigarrenmacher“ in der Adlzreiterstraße 7 aufgeführt. Die hier gezeigten Holzmodeln dienten zum Trocknen der gerollten Zigarren.
Stellte ein Bäcker zu leichte Semmeln her oder panschte ein Bierbrauer Bier, dann konnte es einst in Rosenheim passieren, dass er mit diesen Fesseln am Max-Josefs-Platz öffentlich zur Schau gestellt wurde.
1930 übernahm die französische Firma Gervais den Betrieb einer verschuldeten Genossenschaftsmolkerei in der Schönfeldstraße in Rosenheim. 2021 stellte Danone den Betrieb in Rosenheim ein. Kurz vorher konnten noch Objekte aus dem Werk in den Bestand des Stadtarchivs und des Städtischen Museums Rosenheim übernommen werden.
Und zum Abschluss noch ein paar Repros von alten Bildern, die ebenfalls in der Sonderausstellung zu sehen sind und dokumentieren, wie sich das Städtische Museum selbst in all den Jahren verändert hat:
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