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Wohin mit der Angst!

Hände mit roten Fingernägeln vor dem Gesicht einer Frau geschlagen

Karin Wunsam

Schreibt immer schon leidenschaftlich gern. Ihre journalistischen Wurzeln liegen beim OVB-Medienhaus. Mit der Geburt ihrer drei Kinder verabschiedete sie sich nach gut 10 Jahren von ihrer Festanstellung als Redakteurin und arbeitet seitdem freiberuflich für die verschiedensten Medien-Unternehmen in der Region Rosenheim.

16. März 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Rosenheim – Mit diesem Beitrag startet auf Innpuls.me eine wöchentliche Kolumne. Dr. Alexander Wurthmann M. A. schreibt ab jetzt immer am Donnertag über ein psychologisches Thema und gibt dabei Tipps, wie man mit damit umgehen kann. Der Titel heute lautet: „Wohin mit der Angst?“

Dr. Alexander Wurthmann M.A.

Dr. Alexander Wurthmann M. A. Foto: re

Zu Dr. Alexander Wurthmann: Der Rosenheimer mit rheinischen Wurzeln ist Sohn eines Schriftstellers. Er hat schon im Alter von 9 Jahren seine erste handgeschriebene Zeitung verfasst. Mitte der 70er Jahre studienhalber nach München. Abschlüsse in Politologie und Geschichte (Thomas Nipperdey). Oft als Reiseleiter in Japan und China. Dann viele Bildungsprojekte auf Bundes- und Länderebene gemanaged und schließlich fast 30 Jahre eine berufsbildende Schule betrieben. Nunmehr im fünften Jahr bei einer lebensberatenden Hotline im kirchlichen Bereich tätig und betreibt in Rosenheim eine Praxis für psychologische Beratung und Coaching.
Hier gibt es dazu weitere Infos: 

Blick in einen dunklen Wald mit Licht am Ende des "Tunnels"

Angst gehört zum Leben. Doch was tun, wenn das Gefühl der Angst komplett aus dem Ruder läuft und man schließlich kein Licht mehr am Ende des Tunnels erkennen kann? Foto: re

Wohin mit der Angst?

Am besten natürlich „weg damit!“ Aber ist das so einfach? Und ist das überhaupt immer sinnvoll? Angst kann auch ein sehr nützlicher Warner sein. Sie bewahrt vor riskantem Verhalten. Fussgängerampeln bei Rot überqueren, zum Beispiel. Angst ignorieren, kann zu übertriebener Risikobereitschaft und Tollkühnheit führen. Mit möglicherweise fatalen Folgen.
Angst kann aber auch hinderlich und ab und zu überflüssig sein. Sprichwörtlich ist der Angsthase, der noch nicht einmal das Bett verlässt, geschweige denn das Haus, aus Angst darüber, dass ihm vielleicht ein Dachziegel auf den Kopf fällt. Aus berechtigter Vorsicht kann leicht übertriebene Angst werden – im Extremfall sogar Panik.

Es gibt unterschiedliche
Formen der Angst

Es gibt ganz unterschiedliche Formen von Angst: vor Naturkatastrophen, vor Kriminalität, vor einem Unfall, hinzufallen, vor der Zukunft, dass die Ernte nix wird, vor Veränderung, vor Nähe. Nach „Kindergarden“ und „Weltanschauung“ hat es inzwischen sogar die „German Angst“ bis nach Amerika geschafft. Und es gibt sogar die „Angst vor der Angst“.

Wann haben Sie eigentlich das letzte mal Angst gehabt? Wie hat sich das angefühlt? War der Puls höher, haben Sie geschwitzt, hatten Sie ein komisches Gefühl im Magen? Das kann man natürlich auch haben, wenn man die Frau oder den Mann seines Lebens trifft. Was also ist Angst eigentlich? Es hat wohl etwas damit zu tun, dass man befürchtet, dass sich die Dinge nicht so entwickeln, wie man es sich erhofft und man deswegen irgendeinen Schaden erleidet. Und was haben Sie da beim letzten mal gemacht? Sind Sie abgehauen, haben Sie versucht mit aller Kraft den PKW-Anhänger aufzuhalten, der anfing, den Abhang hinunter zu rollen. Oder haben Sie das Kaninchen nachgeahmt und waren einfach nur starr vor Angst wie vor der Schlange. Das sind drei typische Reaktionen und wahrscheinlich haben Sie sogar schon mal alle drei erlebt.

Wie sollte man mit
der Angst umgehen?

Wie sollte man also mit der Angst umgehen? Wie findet man eine sinnvolle Balance zwischen Tollkühnheit und übertriebener Angst? Ich muss Ihnen leider sagen, dass ich das auch nicht weiss. Es gibt hier keine allgemeingültige Lösung, sondern genauso viele Lösungen, wie es Menschen gibt. Das heisst, jeder hat seine eigene Lösung. Ich würde vielleicht nicht unbedingt mit einem Gleitschirm fliegen. Zumal eine gute Bekannte damit einmal abgestürzt ist und das nur mit viel Glück überlebt hat. Und heute auch wieder fliegt. Dafür mache ich selbst vielleicht Dinge, die andere vor Furcht erschauern lassen. Bitte vergeben Sie mir, wenn ich hier nicht unbedingt Beispiele dafür nennen möchte. Ich will ja niemanden verängstigen.

Soll das jetzt heißen, einfach weiter machen? Natürlich nicht. Zunächst einmal kommt es in erster Linie auf Ihr eigenes Empfinden an. Haben Sie Angst? Angst kann sich sogar zu einer Störung entwickeln. Diese ist weltweit sogar die zahlreichste unter allen psychischen Störungen. Ist also nichts Schlimmes. Muss man das denn behandeln lassen? Nicht unbedingt. Zu Ihrem eigenen Gefühl könnten Sie ja zuerst mal unauffällig die Meinung Ihrer Umgebung einholen: „Sag mal, hast du da eben auch etwas Angst gehabt?“. Die Antworten „Ach wo!!!“ oder „Ich hab mir fast in d.. …… gemacht“ sagt natürlich in erster Linie etwas über die Gefühle der Befragten aus, gibt aber auch einen ersten Hinweis über die Berechtigung Ihrer eigenen Angst. Wenn zu viel „Ach wo“ kommt und das auch von Leuten, die Sie eher für ängstlich halten, sollten Sie vielleicht doch mal überlegen, ob Sie nicht Hilfe in Anspruch nehmen möchten. Entscheidend dafür ist aber zunächst Ihr eigenes Gefühl.
Wenn Sie zu der Überzeugung gelangen, dass sie vielleicht etwas überängstlich sind aber keinesfalls vor Angst weder ein noch aus können, während andere entspannt lachen, können Sie trotzdem etwas tun, um Ihre Grundstimmung etwas zuversichtlicher zu machen. Die eigene Widerstandsfähigkeit kann man auf verschiedene Weisen steigern. Man nennt das auch Resilienz. Das beste ist, Dinge zu tun, die Ihnen Freude machen. Und am besten mit Freunden zusammen. Denken Sie doch einmal selbst darüber nach. Welche Hobbies haben Sie? Besuchen Sie gerne Veranstaltungen? Werden Sie gerne selbst aktiv? Bringen Sie sich vielleicht sogar in Aktivitäten zur Unterstützung anderer ein? Das letztgenannte ist möglicherweise das effektivste zur Steigerung der eigenen Widerstandskraft. Sie beschäftigen sich nicht nur selbst, sondern können etwas sinnvolles, einen Dienst an der Gemeinschaft, verrichten. Das kann sehr befriedigend sein. Und Sie werden dafür vielleicht auch noch gelobt!

Wenn es Ihnen allerdings etwas zu viel ist, alles alleine zu tun und anzuschieben, können Sie sich durchaus Hilfe holen. Daran ist nichts ehrenrührig. Sie müssen nicht unbedingt gleich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, auch wenn Angst zu einer schwerwiegenden Erkrankung werden kann. Es gibt Angebote, die niedrigschwelliger sind. Es gibt zum Beispiel verschiedene Beratungsstellen auf kommunaler und kirchlicher Ebene, die Ihnen gerne helfen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei.

Dr. Alexander Wurthmann M. A.
(Quelle: Kolumne Dr. Alexander Wurthmann M. A. / Beitragsbild: re)

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