Hilpoltstein / Bayern – Ende September erreicht auch dieses Jahr wieder ein beeindruckendes Naturschauspiel seinen Höhepunkt: Mehr als 50 Millionen Zugvögel verlassen aktuell ihre Brutgebiete in Bayern, um in Südeuropa oder Afrika zu überwintern. Zusätzlich überqueren 300 Millionen weitere Zugvögel den Freistaat, rasten an geeigneten Plätzen und ziehen dann weiter in ihre südlichen Winterquartiere.
Im Rahmen der europaweiten Aktion Birdwatch lädt der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) am Wochenende vom 30. September bis 1. Oktober dazu ein, den Vogelzug hautnah mitzuerleben. Bei zahlreichen Veranstaltungen und Exkursionen haben Teilnehmende die Möglichkeit, durchziehende Vögel zu beobachten, zu bestimmen und zu zählen. Ziel dieser Aktion ist es, auch auf die grenzüberschreitende Bedeutung des Vogelschutzes aufmerksam zu machen. „Am Birdwatch-Wochenende greifen Vogelfreund in ganz Europa zu den Ferngläsern und spähen in den Himmel. Die Beobachtungen helfen dabei, Veränderungen in Flugrouten oder Zugzeiten festzustellen. So erlangen wir unter anderem Kenntnisse darüber, wie die Klimakrise oder der Verlust natürlicher Lebensräume das Zugverhalten beeinflussen“, sagt die LBV-Vogelexpertin Dr. Angelika Nelson. Mit fünf wissenswerten Fakten gibt der LBV spannende Einblicke in das Phänomen Vogelzug. Alle Infos zu LBV-Veranstaltungen am Birdwatch-Wochenende gibt es unter www.lbv.de/birdwatch.
Fünf wissenswerte Fakten über Zugvögel
1. Wann geht’s los und wohin?
Wenn die Tage kürzer werden, die Sonnenstunden abnehmen und immer weniger Insekten unterwegs sind, ist für viele Vögel in Bayern die Zeit gekommen sich auf den Weg Richtung Süden zu machen. „Zugvögel verfügen über eine Art innere Uhr, die ihnen mitteilt, wann es Zeit für den Aufbruch ist“, erklärt Angelika Nelson. Einige sammeln sich in großen Schwärmen, andere brechen im Familienverband oder allein auf. „Ein innerer Kompass sowie die Streckenlänge sind bei vielen Arten, wie zum Beispiel dem Kuckuck oder dem Weißstorch, vererbt. Junge Gänse hingegen lernen die Zugroute mit Rastplätzen und den geeigneten Überwinterungsort bei der ersten Reise von ihren Eltern“, so die LBV-Vogelexpertin.
2. Kommen Zugvögel auch nach Bayern?
Manche Vogelarten verbringen scheinbar das ganze Jahr im Freistaat. Doch dieser Eindruck kann täuschen. Ein Teil der bayerischen Rotkehlchen, überwiegend die Weibchen, zieht beispielsweise im Winter nach Italien oder auf die iberische Halbinsel. Rotkehlchen aus Nord- und Osteuropa kommen dagegen nach Bayern, um zu überwintern. „Bei Rotkehlchen und ähnlich auch bei Amseln kommt es zu einer Art Schichtwechsel: die Bayerischen fliegen ein Stück weiter in den Süden und die Nordischen kommen zu uns“, so Angelika Nelson.
3. Fliegen in großer Schar
Ein beeindruckendes Schauspiel sind die spektakulären Flugformationen der Stare. Sie schließen sich nach der Brutsaison zu Scharen mit bis zu 1.000 Tieren zusammen. Ihre riesigen, schwarzen Schwärme sehen aus der Entfernung aus wie eine große, synchron ziehende Wolke. Faszinierend zu beobachten ist dabei, dass die Vögel nie zusammenstoßen. „Jeder Star achtet auf bis zu sieben Schwarmnachbarn und versucht zu diesen Vögeln immer dieselbe Position einzuhalten. Jede Richtungsänderung reißt somit auch den Schwarmgenossen mit. Die Summe der Einzelentscheidungen ergibt dann das, was wir als sich einheitlich bewegende Wolke wahrnehmen“, erklärt die LBV-Vogelexpertin. Die Gruppe bietet dem einzelnen Vogel Schutz vor Beutegreifern, wie zum Beispiel Wanderfalken.
4. Tag oder Nacht?
Greifvögel wie Wespenbussard oder Rotmilan fliegen am Tag. Sie nutzen die Thermik, um aufzusteigen und dann in großen Höhen zu ziehen. Im Gegensatz dazu brechen die meisten Singvögel bei sternenklarem Nachthimmel zwischen Dämmerung und Mitternacht auf. Sie fliegen im Schutz der Dunkelheit, da sie tagsüber leichte Beute für größere Greifvögel wären. An der Konstellation des Sternenhimmels orientieren sie sich außerdem. „In der Nacht ist es zudem kühler, so überhitzen die Vögel nicht so schnell. Denn die Muskeln produzieren durch den steten Flügelschlag viel Wärme“, sagt die LBV-Biologin.
5. Bleiben oder fliegen?
Vor allem insektenfressende Vögel finden in den kälteren Monaten nicht genügend Nahrung in Bayern. Mauersegler oder Braunkehlchen verbringen die kalte Jahreszeit deshalb weit im Süden und überqueren auf ihrer Reise als Langstreckenzieher sogar die Sahara. Mönchsgrasmücke, Singdrossel oder Zilpzalp überwintern als Kurzstreckenzieher im Mittelmeerraum oder dem nördlichen Afrika. „Weil die Winter im Durchschnitt immer milder werden, bleiben jedoch immer mehr Vögel in ihren Brutgebieten. So ist es keine Seltenheit mehr, einen Zilpzalp oder eine Mönchsgrasmücke mitten im Winter an der Futterstelle in Bayern zu entdecken“, sagt die LBV-Biologin. Vögel wie Buchfink, Sperlinge sowie Kohl- und Blaumeise, die sich hauptsächlich von Körnern und Sämereien ernähren, finden auch im Winter genügend Futter und bleiben ganzjährig in Bayern.
Hintergrundinformationen zum Vogelzug in Bayern
Die beim Birdwatch gesammelten Daten geben Einblicke in Veränderungen der Vogelwelt und zeigen auf, für welche Vogelarten sich Artenschützer besonders einsetzen müssen. Denn der Zug und die Überwinterung birgt für viele Arten ein großes Risiko. Noch immer werden Vögel in manchen Ländern gejagt, Rastplätze werden trockengelegt oder abgeholzt und in den Brutgebieten schwinden Nahrung und geeignete Brutplätze. Hinzu kommen globale Veränderungen durch die Klimakrise. „Auch in Bayern nehmen die Bestände von immer mehr Vogelarten drastisch ab. Einstige Allerweltsvögel wie Kiebitz und Feldlerche sind inzwischen als gefährdet eingestuft“, sagt Angelika Nelson. Mit zahlreichen Schutzprojekten hilft der LBV, Rast- und Brutplätze für gefährdete Vögel sicherzustellen.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Symbolfoto re)