Rosenheim – In Rosenheim gibt es rund 600 Straßennamen. Hinter jedem Namen steht eine Geschichte – und einige Geschichten sind aus heutiger Sicht alles andere als schön. Konkret geht es um 34 Namen, die man jetzt genauer unter die Lupe nehmen will.
Wann ist ein Straßenname historisch so negativ belastet, dass er umbenannt werden muss? In der Stadt München kam man in den vergangenen Jahren zu dem Ergebnis, dass dies auf 45 Straßen tatsächlich zutrifft (wir berichteten). Aber auch in Rosenheim finden sich einige Straßennamen, die durchaus problematisch gesehen werden können.
Die SPD-Stadtratsfraktion beantragte darum im Jahr 2021 gemeinsam mit Stadträtin Ricarda Krüger (damals „Die Partei) die Erstellung einer Liste von Rosenheimer Straßennamen mit NS-Bezügen. Der Schul-, Kultur- und Sportausschuss stimmte diesem Antrag mehrheitlich zu, wünschte sich aber bei der Erstellung eine Erweiterung des Kriterienkatalogs, der neben NS-Bezügen auch andere Themen abdecken sollte.
Mit der Erstellung beauftragt wurde Dr. Christian Höschler, Leiter des Rosenheimer Stadtarchivs. Nun liegt das Ergebnis vor und wer sich das 670-Seiten starke Werk zu Gemüte führt, weiß, wie viel Arbeit damit verbunden war. Lob und Anerkennung dafür gab es bei der Stadtratssitzung Anfang April diesen Jahres.
Gerade mal 11 Straßen tragen den Namen einer Frau
Besonders im Fokus der Betrachtung standen Straßennamen mit einem Bezug zu einer bestimmten Person, der man damit ehren wollte Dies trifft auf 187 Straßennamen in der Stadt zu.. Interessanter Aspekt dabei: Gerade einmal 11 Straßen wurden nach Frauen benannt. „An dieser Stelle wird also ein deutliches Ungleichgewicht sichtbar. Dieses könnte bei künftigen Namensvergaben stärker berücksichtigt werden“, merkt der Verfasser dazu an.
Aber zurück zu den 34 Straßennamen, die aus heutiger Sicht als problematisch eingestuft werden können, wie beispielsweise die Langbehnstraße.. Benannt wurde sie nach dem völkischen-antisemitischen Philosophen und Autor Julius Langbehn (geboren 1851) Bekannt wurde er durch sein Buch „Rembrandt als Erzieher“. Darin lehnt er die Demokratie ab und macht offensiv Front gegen die Jugend. Heute wird er darum als Wegbereiter des Nationalsozialismus betrachtet. Auf Anstoß des mittlerweile verstorbenen Rosenheimer Historikers Walter Leicht und mit journalistischer Unterstützung der damaligen OVB-Redakteurin Elvira Bibel-Neu wurde die Langbehnstraße im Jahr 1991 tatsächlich schon einmal unbenannt in „Geschwister-Scholl-Straße“. Innerhalb weniger Wochen gab es dann aber eine Rolle Rückwärts, aufgrund massiver Beschwerden der Anwohner, denen missfiel, dass sie durch die Straßenumbenennung auch ihre Postanschrift ändern mussten (wir berichteten).
Und so gibt es die Langbehnstraße heute wieder:
Die weiteren Straßennamen, die ab jetzt in einer Arbeitsgruppe zur Diskussion stehen sind (in Klammern stehen die Streitpunkte)
- Anton-Kathrein-Straße ( Einsatz von Zwangsarbeitern in der NS-Zeit, aktive finanzielle Unterstützung der SS, NSDAP-Stadtrat)
- Argonnenstraße (Nationalistische-militaristische Erinnerungskultur)
- Arndtstraße ( Nationalistische, rassistische und antisemitische Positionen in seinen Schriften.
- Bismarckstraße (Antidemokratische Haltung und umstrittene Rolle im deutschen Kolonialismus)
- Carl-Orff-Straße (Nutznießer des NS-Regimes)
- Flandernstraße (Nationalistische und militaristische Erinnerungskultur)
- Georg-Aicher-Straße (Mitglied in zahlreichen NS-Organisationen)
- Gerhardingerweg (Nutznießer des NS-Regimes)
- Hermann-Gröber-Weg (Nationalsozialist)
- Hofmillerstaße (Rechtsradikale Haltung)
- Jahnstraße (Nationalistische und antisemitische Haltung)
- Kardinal-Döpfner-Straße (Fehlverhalten im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche)
- Kardinal-Faulhaber-Platz (Fehlverhalten im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche)
- Kärtner Weg (Benennung „im Zeichen des Großdeutschen Jahres“ 1938)
- Klepperstraße (Einsatz von Zwangsarbeitern während der NS-Zeit)
- Ludwig-Thoma-Straße (Nationalistische und antisemitische Haltung)
- Max-Hickl-Straße (Nationalsozialistische und antisemitische Haltung)
- Niederdonauweg (Benennung „im Zeichen des Großdeutschen Jahres“ 1938)
- Oberdonauweg (Benennung „im Zeichen des Großdeutschen Jahres“ 1938)
- Professor-Muesmann-Weg (Haltung während der NS-Zeit)
- Richard Strauss-Weg (Nutznießer des NS-Regimes)
- Richard-Wagner-Straße (Nationalistische und antisemitische Haltung)
- Ritter-von-Lex-Weg (Beteiligung an Koalitionsverhandlungen der BVP mit der NSDP)
- Salzburger Weg (Benennung „im Zeichen des Großdeutschen Jahres“ 1938
- Schillingsweg (Nutznießer des Kolonialismus)
- Sedanstraße (Nationalistische und militaristische Erinnerungskultur)
- Sommestraße (Nationalistische und militaristische Erinnerungskultur)
- Steiermarkweg (Benennung „im Zeichen des Großdeutschen Jahres“ 1938
- Sudetenlandstraße (Benennung „im Zeichen des Großdeutschen Jahres“ 1938
- Tannenbergstraße (Nationalistische und militaristische Erinnerungskultur)
- Theodor-Gietl-Straße (Mitglied in zahlreichen NS-Organisationen)
- Tiroler Weg (Benennung „im Zeichen des Großdeutschen Jahres“ 1938
- Verdunstraße (Nationalistische und militaristische Erinnerungskultur)
Über das weitere Vorgehen ist noch nichts entschieden
So viel zum Zwischenstand der Untersuchung. Ein abschließendes Sach- oder Werteurteil ist dies aber noch nicht. Bevor es zu einer endgültigen Entscheidung kommt, soll sich jetzt erst einmal eine Arbeitsgruppe in den kommenden Jahren intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzten. Am Schluss wird dann auch die Frage im Raum stehen, wie man mit problematischen Straßennamen in Rosenheim verfahren soll: Umbenennung oder Aufklärung und Bereitstellung von weiterführender Informationen? Für den Gesamtprozess sind derzeit drei Jahre angesetzt.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild: Symbolfoto: Innpuls.me)