Hilpoltstein – Von der Kamikazetaube bis zum vergifteten Uhu: Zahlreiche Fälle von Naturschutzkriminalität haben der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und die Gregor-Louisoder Umweltstiftung (GLUS) im Rahmen ihres gemeinsamen Projekts „Tatort Natur“ im Jahr 2024 registriert.
Die traurige Jahresbilanz beinhaltet neben zwölf nachweislich vergifteten Großvögeln auch einen Fall, bei dem eine geschützte Vogelart beschossen wurde. Die tatsächliche Zahl der Vergehen dürfte noch deutlich höher liegen. „Kein einziger der Täter konnte bisher zur Rechenschaft gezogen werden. Das zeigt, wie groß der Handlungsbedarf weiterhin ist“, erklärt Dr. Andreas von Lindeiner, LBV-Landesfachbeauftragter für Naturschutz. Gemeinsam setzen LBV und GLUS ihr Engagement auch 2025 fort, indem sie alle bekannten Naturschutzdelikte konsequent zur Anzeige bringen und auf eine stärkere Strafverfolgung drängen.
Der LBV dokumentierte 2024 insgesamt 50 tote Großvögel, bei denen ein Verdacht auf illegale Aktivitäten bestand. Ist die Todesursache des Vogels bei einer Obduktion nicht ersichtlich, veranlasst der LBV für gewöhnlich eine toxikologische Untersuchung.
In zwölf Fällen ergab diese, dass der tote Vogel an einer Vergiftung verstorben war. Besonders häufig kam dabei das Nervengift Carbofuran zum Einsatz. „Dieses Nervengift, das bereits 2007 in der EU verboten wurde, ist hochgefährlich, besonders für Kinder und Haustiere, die schon durch Hautkontakt schwere gesundheitliche Schäden erleiden können“, so Andreas von Lindeiner. Im Landkreis Erlangen-Höchstadt kam es im März innerhalb von drei Tagen zu einer besorgniserregenden Häufung von drei Fällen, bei denen Greifvögel durch Carbofuran getötet wurden. Der LBV und engagierte Privatpersonen vor Ort haben für Hinweise, die zur Aufklärung der Taten führen, eine Belohnung in Höhe von 3.000 Euro ausgelobt. Die Straftaten beschränkten sich jedoch nicht auf Mittelfranken. Auch in Oberbayern, Niederbayern, der Oberpfalz und Schwaben konnten Vergiftungen von Großvögeln nachgewiesen werden.
Unbeabsichtigte Vergiftungen als zusätzliches Problem
Auffällig war im Jahr 2024 die hohe Anzahl an sekundären und fahrlässigen Vergiftungen. So starb beispielsweise ein Weißstorch im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, weil er Ibuprofen gefressen hatte. Das Schmerzmittel verursacht tödliche Nierenschäden und Blutungen bei Vögeln. Bei einem Rotmilan im Oberallgäu und einem Habicht bei Ansbach wurden Vergiftungen mit Pentobarbital nachgewiesen. „Der Arzneistoff wird in der Tiermedizin zum Einschläfern von Haustieren verwendet. Werden diese Haustiere widerrechtlich in der freien Natur beigesetzt, graben Aasfresser die Kadaver oft wieder aus und sterben an dem im Tierkörper noch enthaltenen Gift“, erklärt der LBV-Landesfachbeauftragte für Naturschutz. Ein weiteres Problem sind Rattengifte wie Brodifacoum. Ein Uhu und ein Rotmilan verendeten im Laufe des vergangenen Jahres nachweislich daran. Ratten fressen das Gift, sterben aber erst nach mehreren Tagen. In dieser Zeit können sie von Greifvögeln erbeutet werden, die sich dadurch selbst vergiften und zu Tode kommen.
Verstümmelte Tauben als Köder und Armbrust-Attacke
Besonders schockierend für die Naturschützer war im vergangenen Jahr ein Fall im Landkreis Regensburg. Dort fand eine Spaziergängerin im November eine flugunfähige Zuchttaube und brachte sie nach Regenstauf in die Vogelauffangstation des LBV. Es stellte sich heraus, dass das Tier absichtlich verstümmelt und mit dem Gift Carbofuran präpariert worden war, um einen Wanderfalken oder Habicht zu ködern und zu töten. „Der LBV arbeitet in diesem Fall eng mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen, um den Täter zu stellen“, so Andreas von Lindeiner. Einen weiteren Fall solcher „Kamikazetauben“ gab es vermutlich bereits im August im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Dort wurde ein toter Mäusebussard neben zwei toten Zuchttauben gefunden. Ebenfalls erschrocken zeigen sich GLUS und LBV von einem Vergehen, bei dem ein bisher Unbekannter mitten in München mit einer Armbrust auf eine Krähe schoss.
Sensibilisierung von Behörden und Gesellschaft bleibt essenziell
Im Rahmen des Projekts führen der LBV und die GLUS auch immer wieder Schulungen rund um Naturschutzkriminalität durch, zum Beispiel an Landratsämtern. Auch der Austausch zwischen Behörden, Ehrenamtlichen und Polizei wird bei Fachtagungen angeregt. Durch die wertvolle Aufklärungsarbeit ist das Thema in vielen Behörden mittlerweile bekannt, und die nötigen Abläufe zur Meldung und Dokumentation haben sich etabliert. Zudem gibt es inzwischen einen Handlungsleitfaden für alle Polizeibehörden in Bayern. „Die Sensibilisierung von Gesellschaft, Polizei, Staatsanwaltschaften und Behörden ist entscheidend, um bei der Strafverfolgung tatsächlich Erfolge zu erzielen. Wir hoffen, dass so zukünftig viele der Delikte aufgeklärt werden können. Bisher konnten leider nur in wenigen Fällen Tatverdächtige ausfindig gemacht werden“, erklärt Franziska Baur, GLUS-Fachreferentin für Naturschutz.
Alle angegebenen Zahlen sind vorläufig und beziehen sich auf die zwischen Januar und Dezember 2024 vollständig abgeschlossenen Fälle.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Symbolfoto re)
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