Rosenheim – Eine Ära ist zu Ende: Nach 400 Jahren hat der Kerzenfachhandel Ruedorffer in der Kaiserstraße 1 in Rosenheim seine Pforten geschlossen. Damit hat sich auch Inhaberin Christine von Wartburg im Alter von 97 Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Über 80 Jahre war das Traditionsgeschäft ihr Leben.
Leicht gefallen ist Christine von Wartburg der Abschied nicht. Fotos: Wunsam
Christine von Wartburg gehört der Familie Ruedorffer an und diese zählte über Jahrhunderte zu den vornehmsten Bürgerfamilien des Marktes. Zahlreiche Räte und Gelehrte gingen aus den Reihen des traditionsreichen Lebzelter- und Wachszieher-Geschlechts hervor.
Dass das Herstellen von Kerzen und Lebkuchen in früheren Zeiten in der Regel in einem Handwerk zusammengefasst war, hatte einen guten Grund: man kaufte von den Imkern mit Honig gefüllte Bienenwaben. Den Honig verwendete man für die Herstellung der Lebkuchen und das Wachs der Waben für die Herstellung der Kerzen.
Christine von Wartburg erinnert sich noch gut, wie früher das Wachs in großen Kesseln geschmolzen wurde, um daraus Kerzen zu ziehen. Ungefähr 16 Jahre war sie damals alt. „Wenn man mal kurz die Hand in das Wachs tauchte und herauszog, sah das sehr gruselig aus“, erinnert sich die 97-jährige.
Erinnerungen an
längst vergangene Zeiten
Wer sich heute in dem Geschäft in der Kaiserstraße genauer umsieht, entdeckt noch vieles, dass sich in den vergangenen 100 Jahren nicht verändert hat, so beispielsweise die alte, schwarze Ladenglocke. Sie hängt heute im Nebenraum, in dem bis zuletzt Bonbons aus den original Glas-Behältnissen der damaligen Zeit verkauft wurden. Gut zu erkennen ist in diesem Raum auch die ehemalige Eingangstüre. „Der Nebenraum war früher ein Gang. Von dort ging es auf die eine Seite zum Kerzengeschäft hinein. Auf der anderen Seite führte eine Tür zum Meet-Ausschank.
Dieser war schon Geschichte, als Christine von Wartburg in das Geschäft mit einstieg.
Das Sortiment hat sich mit den Jahren verändert und erweitert. Neben den Süßigkeiten kamen auch Holzschnitzereien und Kreuze dazu. Der Kerzenverkauf blieb aber weiter das Hauptstandbein des Unternehmens. Insbesondere die Tauf-, Kommunions- und Hochzeitskerzen lagen Christine von Wartburg immer sehr am Herzen. „Alles schöne Anlässe und die Menschen, die deswegen zu mir kamen, waren immer gut gelaunt“, erzählt sie.
Leicht fiel der 97-jährigen der Rückzug aus dem Berufsleben nicht. „Der letzte Tag war schwer“, sagt sie. 81 Jahre lang ist sie täglich um 6 Uhr aufgestanden. Nach dem Frühstück ging es oft zum Einkauf und danach wurde das Geschäft immer pünktlich aufgesperrt. Der Lieblingsplatz von Christine von Wartburg war hinter der Kasse: „Da bin ich mit den Leuten ins Gespräch gekommen.“
Was ihr den Abschied aus ihrem Geschäft erleichtert hat, ist die Tatsache, dass die Nachfolge bereits geregelt ist. Einziehen wird ein Feinkostgeschäft, bei dem man auch vor Ort auf Kaffee, Kuchen oder ein Gläschen Wein einkehren und verweilen kann. Der Name „Zur Lebzelterei“ wird an die Ursprünge des Unternehmens erinnern und viele nostalgische Details, die bis zuletzt die Kunden begeistert haben, sollen erhalten bleiben.
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