Hilpoltstein / Bayern – Nach der turbulenten Zeit der Jungenaufzucht ist jetzt im Spätsommer in vielen heimischen Gärten Ruhe eingekehrt. Das morgendliche Konzert der Vögel ist verstummt und viele Menschen fragen sich, was aus ihren Gartenvögeln geworden ist. Auch den bayerischen Naturschutzverband LBV erreichen zurzeit viele Nachfragen von Gartenbesitzern, wohin die Vögel verschwunden sind. „Während wir noch schwitzen und den Sommer genießen, bereitet sich die Vogelwelt bereits auf den Winter vor“, sagt die LBV-Biologin Dr. Angelika Nelson. „In Nord- und Mitteleuropa ist die jährliche Brutsaison zu Ende. Die Vögel verteidigen jetzt nicht mehr lautstark ihre Reviere, sondern ziehen sich zurück, um ihr Federkleid zu erneuern.“ Manche Vögel wie die Mauersegler haben sich bereits auf die lange Reise in den Süden gemacht.
Nach der anstrengenden Brutzeit ist das Gefieder vieler Vögel stark abgenutzt und muss erneuert, in der Fachsprache „gemausert“ werden. Für in Bayern überwinternde Vogelarten ist ein gut isolierendes Federkleid entscheidend für das Überleben in der kalten Jahreszeit. Zugvögel benötigen vor allem intakte Flügel- und Schwanzfedern für einen sicheren und erfolgreichen Flug in das oft weit entfernte Winterquartier. „Der Austausch sämtlicher Federn dauert meist mehrere Wochen. Während dieser Zeit sehen die Vögel zerzaust aus, sind oft nur eingeschränkt flugfähig und daher schnell leichte Beute für Räuber. Deshalb leben die Vögel zu dieser Zeit sehr zurückgezogen“, sagt die Biologin. Das bedeutet auch, dass die meisten Singvögel ihre Reviere nicht mehr lautstark mit Gesang verteidigen, sondern sich still ins Dickicht verkriechen. Wer seinen Garten vogelfreundlich gestaltet, bietet den gefiederten Gästen nicht nur natürliche Futterquellen, sondern auch die nötigen Rückzugsräume für diese sensible Zeit.
Kuckuck und Mauersegler
brechen sehr früh in den Süden auf
Einige Zugvögel unter den heimischen Singvögeln haben die Mauser bereits abgeschlossen und sind tatsächlich aus den Gärten in Bayern abgeflogen. Laut Expertenschätzungen verlassen jährlich mehr als 50 Millionen Zugvögel ihre Brutgebiete in Deutschland. „Kuckuck und Mauersegler zählen zu den ersten Vögeln, die bereits Anfang August Richtung Afrika aufbrechen. Dort werden sie südlich der Sahara überwintern – viele tausend Kilometer und Millionen von Flügelschlägen entfernt“, weiß Nelson. Den Startimpuls für den Aufbruch geben unter anderem die bereits wieder abnehmende Tageslänge und das schwindende Nahrungsangebot.
Waren es im Frühling und Sommer hauptsächlich Insekten, denen die Singvögel zur Jungenaufzucht hinterhergejagt sind, gibt es jetzt reichlich reife Früchte und Samen. Genau das Richtige, um sich für den Winter oder den Flug Richtung Süden ein bisschen Speck anzufuttern. „Viele Vögel verlassen ihr Nistgebiet und fliegen dorthin, wo sie die besten Futterquellen finden“, berichtet die LBV-Biologin. Amseln und Rotkehlchen suchen gerne Orte mit einem reichen Angebot an Früchten oder Beeren auf. In landwirtschaftlich geprägten Gebieten fliegen Spatzen und Finken zum Festschmaus hinaus auf die Felder, wenn es dort nach der Ernte leckere Reste gibt. Auch die Meisen verlassen ihre Reviere, wenn die Jungen flügge sind. Sie ziehen dann im lockeren Familienverband außerhalb ihrer Brutreviere umher. Kein Wunder also, dass viele Gärten auf einmal wie leergefegt wirken. Erst mit den Herbstfrösten kehren die Vögel wieder in größeren Zahlen in unsere Gärten zurück.
Zahl der Vögel nimmt leider
aber auch generell weiter ab
„Allerdings gibt es neben den aktuellen Gründen für ‚wenig Vögel‘ auch einen tiefgreifenden Grund“, so die LBV-Vogelexpertin. In den letzten 40 Jahren hat Europa rund 600 Millionen Vögel verloren, das entspricht einem von sechs Vögeln. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen und Pestizideinsatz spielt eine Rolle, aber auch die monotone Gestaltung vieler Hausgärten trägt zum Verlust der Artenvielfalt bei. Wo es keine Insekten mehr gibt, können sich auch Vögel nicht mehr ausreichend ernähren und vermehren. Diesen massenhaften Verlust merkt man inzwischen auch in den Gärten.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: Symbolfoto re)