Rosenheim – Jeder Jugendliche in und um Rosenheim kann einen Schulabschluss machen und erfolgreich ins Arbeitsleben starten – diese Vision lebt der Verein Pro Arbeit seit nunmehr einem Vierteljahrhundert. Mit großem Erfolg, wie sich einmal mehr bei der Mitgliederversammlung zeigte.
Und so kann der Erfolg aussehen: Kurz aber aussagekräftig umriss der Vorsitzende Harald Neu etwa den Werdegang einer jungen alleinerziehenden Mutter und Hartz-IV-Empfängerin, die nun ein duales Studium im Bereich Pflegewissenschaften aufgenommen hat; oder den des orientierungslosen und von vielen Unsicherheiten geplagten Heranwachsenden, für den sich im Zuge des Coachings der Weg als Kaufmann für Finanzen und Versicherungen auftat; oder den des Flüchtlings ohne Schulabschluss und im falschen Freundeskreis, der eine Chance zum Probearbeiten bekam und anschließend in diesem Betrieb als Produktionshelfer eingestellt wurde.
Nach wie vor macht die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) – Pro Arbeit ist mittlerweile an 27 Schulen in Stadt und Landkreis Rosenheim etabliert – den weitaus größten Arbeitsbereich der rund 50 festangestellten Fachkräfte aus. Jährlich werden hier mehr als 700 Einzelfälle professionell betreut; hinzu kommen Gruppenarbeiten für ganze Klassen. Wobei Corona deutliche Spuren hinterlassen hat, angefangen bei mangelnder Klassengemeinschaft über eine ausgeprägte Ich-Bezogenheit vieler Schüler bis hin zur Perspektivlosigkeit, die so weit reicht, dass manch einer die „Komfortzone“ Schule aus Angst vor Veränderungen gar nicht mehr verlassen will.
„Jugendsozialarbeit ist mehr als
die Arbeit mit unangepassten Schülern“
„Jugendsozialarbeit ist mehr als die Arbeit mit unangepassten Schülern, die durch ihr Verhalten den Schulbetrieb stören“, verdeutlichte Neu. Sie sei vielmehr fester Bestandteil der Schule und könne entscheidend für die Schulentwicklung sein. Dies sei aber nur dank des großen finanziellen Engagements von Stadt und Landkreis Rosenheim möglich. Trügen sie doch den größten Teil der tatsächlichen Kosten von JaS, die demnächst auch an den beiden Rosenheimer Realschulen startet.
30 ehrenamtliche Qualipaten nehmen sich darüber hinaus an den vier Rosenheimer Mittelschulen Jugendlichen ab der siebten Klasse an und unterstützen sie mit ihren Erfahrungen und ihrem Netzwerk beim Schulabschluss und bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz. Als persönlicher Ansprechpartner – der in den Familien oftmals fehlt – wollen sie die jungen Menschen so stärken, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
Dabei sprechen nicht nur die Erfolgsgeschichten der zumeist aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammenden Jugendlichen für sich, die sowohl den Schulabschluss als auch den Einstieg ins Berufsleben gemeistert haben. Auch auf Fachtagungen komme immer wieder die hohe Arbeitsqualität des Vereins zur Sprache, der längst zu den „top ten“-Trägern gezählt werde, merkte der Vorsitzende nicht ohne Stolz an.
Die Betreuung während der Schulzeit findet derweil ihre Fortsetzung in der Ausbildungsvermittlung samt Nachbetreuung und dem Vermittlungscoaching. Fünf Mitarbeiter vermitteln im Auftrag der Jobcenter der Stadt und des Landkreises Rosenheim nicht nur Ausbildungsplätze, sie stehen den jungen Menschen auch als Anlaufstelle zur Verfügung, falls es Probleme im Betrieb gibt oder gar zu befürchten steht, dass der Azubi seine Lehre vorzeitig abbricht. Mit Projekten wie „Bleib stabil“ und „Blick nach vorn“ wurden die Maßnahmen zuletzt auch auf junge Erwachsenen über 25 Jahre ausgeweitet. Und der „Start ins Berufsleben“ – finanziert vom Rotary Club Rosenheim – richtet sich speziell an diejenigen, die bereits alle anderen Maßnahmen erfolglos durchlaufen haben.
Weniger Positives vermeldet Harald Neu hingegen in Sachen Berufsvorbereitung. Aktuell übernimmt Pro Arbeit als externer Kooperationspartner an der Berufsschule I in Rosenheim und in Wasserburg noch einen Teil des Unterrichts sowie die sozialpädagogische Betreuung von rund 40 jungen Menschen; es geht etwa darum, die deutsche Sprache zu erlernen sowie grundlegende Defizite in den Schulfächern zu beheben. Weil aber die Finanzierung der Maßnahme nicht ausreiche, um sozialpädagogische Fachkräfte angemessen bezahlen zu können, habe sich der Verein schweren Herzens dazu entschieden, sich nicht mehr an den Ausschreibungen für die Berufsvorbereitungsklassen zu beteiligen. Zumal es für befristete Stellen wie diese kaum noch Interessenten auf dem Arbeitsmarkt gebe.
„Pro Arbeit ist es zu verdanken, dass einige doch noch die Kurve kriegen“, unterstrich Rosenheim Zweiter Bürgermeister Daniel Artmann die Bedeutung des Vereins für Rosenheim und die Region gerade auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie. Leistungsschwache und Kinder aus bildungsfernen Familien wurden noch mehr abgehängt; es herrsche ein Gefälle, das die Lehrkräfte nicht mehr alleine bewältigen können. Umso wichtiger sei nun, dass man noch enger zusammenwachse und sich gemeinsam den Herausforderungen stelle.
Unter diesem Vorzeichen stand auch die Vorstandswahl, bei der mit durchwegs einstimmigen Ergebnissen im Wesentlichen alles beim Alten blieb: Harald Neu wurde als Vorsitzender bestätigt ebenso wie Stellvertreter Hans Holzmeier und Schatzmeister Erich Schlarb. Als weiterer stellvertretender Vorsitzender fungiert nun Josef Trost. Dessen Posten als Rechnungsprüfer neben Mathias Lederer übernimmt Rudolf Leitmannstetter.
(Quelle: Pressemitteilung Pro Arbeit Rosenheim / Beitragsbild: Pro Arbeit Rosenheim)