Ergebnis der „Stunde der Wintervögel“: Unerwartete Gäste in Bayerns Gärten
Hilpoltstein / Bayern – Bayern hat einen Vogel. Um genau zu sein sogar viele: Über 600.000 gefiederte Gäste in knapp 20.000 Gärten zählten die mehr als 26.500 Teilnehmenden am Wochenende vom 5. bis 7 Januar im Rahmen der „Stunde der Wintervögel“.
Jetzt liegen die finalen Ergebnisse der bürgerwissenschaftlichen Aktion vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und seinem bundesweiten Partner NABU vor und geben spannende Einblicke in die Vogelwelt im Siedlungsraum. „Am Zählwochenende gab es einiges zu beobachten: Daheimgebliebene Zugvögel, nordische Gäste und andere unerwartete Vögel, viele belegt mit einmaligen Fotos. Beobachtungen von Waldohreulen bis hin zu Seidenschwänzen meldeten uns die Bürger aus den Gärten, Parks und von den Balkonen des Freistaats“, so die LBV-Biologin Dr. Angelika Nelson.
Nach einigen Monaten mit zum Teil sehr starken Temperaturschwankungen im Freistaat hatte der LBV das Zählwochenende der 19. „Stunde der Wintervögel“ mit Spannung erwartet. „Die nun vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass einige Kurzstreckenzieher wie Mönchsgrasmücke, Zilpzalp, oder Hausrotschwanz den Wetterkapriolen getrotzt haben und in ähnlicher Anzahl wie in den Vorjahren in den Gärten des Freistaats anzutreffen sind“, so Angelika Nelson. Überrascht waren Vogelbeobachter und Vogelbeobachterinnen aus den Landkreisen Rosenheim, Neu-Ulm und München, als sie je ein Sommergoldhähnchen im Garten entdeckten. „Genaue Beschreibungen und Fotos, bestätigten, dass es sich um Sommergoldhähnchen und nicht um die im Aussehen sehr ähnlichen Wintergoldhähnchen handelte“, so Nelson. Während das Wintergoldhähnchen die kalten Monate über in Bayern bleibt, fliegt das Sommergoldhähnchen üblicherweise in den westlichen Mittelmeerraum ab. „Beobachtungen von Kurzstreckenziehern sind schon länger kein Einzelfall mehr. Diese Entwicklung werden wir auch in den kommenden Jahren im Zusammenhang mit dem Klimawandel im Auge behalten“, erklärt Nelson.
Und es gab noch mehr unerwartete Gäste: Eine Teilnehmerin im Landkreis Würzburg entdeckte vom Balkon aus, am gegenüberliegenden Baum mehrere Waldohreulen. Besonders in strengen Wintern suchen sich bis zu einem Dutzend Waldohreulen einen gemeinsamen Schlafbaum im geschützten Siedlungsraum. „Es freut uns, wenn Leute durch die Teilnahme an der Stunde der Wintervögel neue Vogelarten in der unmittelbaren Umgebung für sich entdecken. Dadurch erhöht die Aktion auch die Artenkenntnis in der Bevölkerung,“ so die LBV-Biologin.
Nordische Gäste in Bayern
Aufgrund eisiger Temperaturen und Schnee in Skandinavien flogen am Zählwochenende auch zahlreiche nordische Gäste an die Futterstellen in Bayern. Gimpel, Bergfinken, Kernbeißer oder Schwanzmeisen waren zum Teil in großen Trupps zu sehen und bescherten einigen Teilnehmenden ein unvergessliches Erlebnis. Wer Glück hatte, konnte sogar einen Seidenschwanz entdecken. „Sein Zugverhalten unterliegt starken Schwankungen. In manchen Wintern taucht der Seidenschwanz in großer Zahl invasionsartig in Mitteleuropa auf, in anderen Jahren bekommt man ihn hier kaum zu Gesicht“, so Angelika Nelson.
Reges Treiben an den Futterstellen
Im Vergleich zum Vorjahr herrschte zur diesjährigen „Stunde der Wintervögel“ ein reges Treiben in den bayerischen Gärten: Durchschnittlich konnten Vogelfreund knapp über 32 Vögel (Vorjahr: 30) pro Garten zählen. „Jährliche Schwankungen in der Anzahl der Vögel sind zu erwarten. Wichtig ist aber, den langfristigen Trend im Vogelbestand im Auge zu behalten, „, sagt die LBV-Vogelexpertin. Dieser sieht leider nicht so positiv aus: Seit Beginn der Aktion nimmt die Anzahl der gemeldeten Vögel pro Garten stetig ab. Das bunte Vogel-Treiben an diesem Zählwochenende ist wohl auch auf die zahlreichen Futterstellen in den Gärten und auf den Balkonen zurückzuführen. 93 Prozent der Teilnehmenden gaben an, Vögel zu füttern. Am Futterhäuschen lassen sich Vögel besonders gut beobachten und zählen.
Regionale Unterschiede
Die meisten gefiederten Gäste zählten mit durchschnittlich 38 Vögeln pro Garten die Teilnehmenden in Niederbayern. Das liegt vermutlich daran, dass jeder sechste Teilnehmende dort an einem sehr großen Zählort mitgemacht hat. In Oberbayern hingegen ist nur ein Drittel der Zählorte sehr groß – dort wurden mit knapp unter 30 Vögeln pro Garten die wenigsten gefiederten Gäste gezählt. Schwaben, Oberpfalz und Oberfranken liegen mit 35 und 33 Vögeln pro Garten leicht über dem bayernweiten Durchschnitt. Unter- und Mittelfranken liegen mit knapp unter 32 Vögeln pro Garten etwas darunter. Weitere landkreisgenaue Ergebnisse können eingesehen werden unter www.stunde-der-wintervoegel.de.
Gesamtergebnis Bayern
An die Spitze flattert in diesem Jahr trotz seiner Abnahme in einigen Großstädten einmal mehr der Haussperling. Kohlmeise und Feldsperling folgen ihm aufs Siegertreppchen. Platz 4 holt sich die Blaumeise, noch vor der Amsel. „Die Top 5 bleibt damit unverändert zum letzten Jahr“, sagt Angelika Nelson. Der Buchfink landet auf Rang 6. Die Plätze 7 und 8 belegen Grünfink und Elster. Der Erlenzeisig, der die Top 10 im vergangenen Jahr knapp verfehlt hatte, schafft es diesmal auf Rang 9. Das Rotkehlchen macht die Liste der 10 am häufigsten beobachteten Wintervögel in Bayerns Gärten komplett.
„Schulstunde der Wintervögel“
Im Rahmen der „Schulstunde der Wintervögel“ zählten dieses Jahr Kinder aus 75 Schulen in 47 Gemeinden die Vögel rund um ihre Schule. „Die Schulstunde der Wintervögel‘ ist eine großartige Möglichkeit, um Kindern die heimischen Vogelarten näher zu bringen, und sie so zukünftig auch für ihren Schutz zu sensibilisieren“, erklärt Angelika Nelson.
Die nächste Vogelzählung findet vom 9. bis 12. Mai statt. Dann rufen der LBV und sein bundesweiter Partner NABU die Menschen auf, bei der „Stunde der Gartenvögel“ die Brutvögel in den Gärten und Parks zu erfassen. Auch Schule sind dann wieder eingeladen mitzuzählen.
(Quelle: Pressemitteilung LBV / Beitragsbild: re)