Landkreis Rosenheim – Vor einigen Wochen berichteten einige Medien über baldige Betretungsverbote auf allen drei Chiemsee-Inseln aus Naturschutzgründen. Fakenews? Das Landratsamt Rosenheim hat nun reagiert:
„Braucht kein Mensch“ – Tierschutz Zoff um neue Betretungsverbote an Touristen-Hotspot in Bayern“ titelte die AZ am 4. Februar (Bericht hier) und bezieht sich dabei auf einen Bericht im Oberbayerischen Volksblatt, demzufolge einige Uferbereite auf allen drei Chiemsesinseln zukünftig für Besucher gesperrt werden sollen.
Diese Meldungen sorgten in den vergangenen Wochen für großen Wirbel in der Region. Dies veranlasste nun das Rosenheimer Landratsamt die Sachlage aus seiner Sicht ausführlich darzulegen (die komplette Meldung auf der Homepage des Landratsamtes zu lesen gibt es hier)
Tatsächlich ging es demnach um eine geplante Allgemeinverfügung der unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim zum Schutz der Vogelwelt. Immerhin wurden auf und rund um den Chiemsee bislang mehr als 325 Vogelarten nachgewiesen. Um die 125 davon brüten dort jedes Jahr und im Winter finden sich teilweise bis zu 20.000 Wasservögel zeitlich im und am Bayerischen Meer ein. Das Gebiet wurde deshalb bereits in den 1970er Jahren als sogenanntes RAMSAR-Gebiet (Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung) unter Schutz gestellt. Im Umfeld befinden sich mehrere Naturschutzgebiete und seit 1986 ist der Chiemsee samt seinen Inseln und Ufergebieten in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein als Landschaftsschutzgebiet geschützt. Seit Anfang der 2000er Jahre ist der Chiemsee als Vogelschutzgebiet und Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) im Rahmen des europäischen Netztes Natura 2000 gemeldet.
„Die enorme Zahl an Besuchern überfordert Landschaft und Tierwelt“
Die Schönheit des Chiemsees hat aber auch ihre Schattenseiten: Das Naturjuwell lockt seit den 1990er Jahren immer mehr Menschen an. Seit Jahren schon suchen deshalb die Chiemsee-Gemeinden, die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen als Eigentümer einer Vielzahl von Ufergrundstücken und die Behörden nach einer Lösung, wie die Freizeitnutzung, der Schutz der Natur und die Interessen der Landnutzer in Einklang gebracht werden könnten.
Die Landkreis Traunstein und Rosenheim bemühen sich darüber hinaus seit 2008 über die gemeinsame Stelle der Gebietsbetreuung eine bessere Lenkung der Besucherströme zu erreichen, beispielweise mittels angebotener Führungen und Hinweisschilder. Dann gibt es auch die Chiemsee-Ranger, die während der Sommerzeit an den Wochenenden im Auftrag des Abwasser- und Umweltverbandes Chiemsee unterwegs sind . „Es gibt einige Erfolg, und trotzdem ist die Lage am Chiemsee nicht ideal. Die enorme Zahl an Besuchern überfordert Landschaft und Tierwelt“; so das Landratsamt Rosenheim.
Zur Problemlösung wollte die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim für den „Rosenheimer Teil“ des Vogelschutzgebietes „Chiemseegebiet mit Alz“ eine Allgemeinverfügung erlassen. In Absprache mit der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen sowie den Gemeinden Bernau, Prien, Rimsting, Breitbrunn, Gstadt und Chiemsee hätte sie, nach den Angaben des Rosenheimer Landratsamtes, eine Anleinpflicht für Hunde sowie ein Wegegebot enthalten.
Zunächst wurde ein Konzept entworfen. „Mehr als zwei Jahre nahm man sich Zeit und prüfte immer wieder verschiedene Teilaspekte. Zudem flossen langjährig vorliegende Vogelbeobachtungsdaten in den Entwurf der Allgemeinverfügung mit ein. Auch Erfahrungen aus anderen Gebieten, in denen es diese Art der Nutzungsregelungen bereits gibt, wurden berücksichtigt“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Am 12. Oktober 2023 wurde dann der erste Entwurf der Allgemeinverfügung von Vertretern der unteren Naturschutzbehörde im Sitzungssaal des Rathauses in Prien vorgestellt. Eingeladen waren die Bürgermeisterin von Bernau und ihre Kollegen aus Prien, Rimsting, Breitbrunn, Gstadt und Chiemsee, dazu die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
Dargelegt wurde unter anderem, warum ein Anleingebot für Hunde nur zusammen mit einem Wegegebot fachlich Sinn machte: „Ein brütender oder rastender Vogel fühlt sich von einem freilaufenden Hund genauso gestört wie durch einen Spaziergänger, der abseits von Wegen über eine Wiese läuft. Wird die sogenannte Störungsdistanz unterschritten, wird ein brütender bzw. rastender Vogel gezwungen, auf- oder wegzufliegen. In der Folge kann das Gelege auskühlen oder der Vogel verbraucht zum Beispiel im Winter zu viel Energie. Mögliche Folgen können die Aufgabe des Nestes oder der Tod des Vogels sein. Die sogenannte Störungsdistanz ist je nach Vogelart unterschiedlich. Beim Kiebitz zum Beispiel beträgt sie mehr als 100 Meter zu einem frequentierten Weg. Durch ein Wegegebot lassen sich die Häufigkeit sowie die Intensität von Störungen selbstverständlich reduzieren.“
„Einige wenige Abschnitte sollten wieder der Natur überlassen werden“
Der Entwurf sah nach Auskunft des Landratsamtes Rosenheim vor, dass einige wenige Abschnitte des bestehenden Wegenetzes wieder der Natur überlassen werden sollten. Dazu gehörten unter anderem Bereiche in Rimsting (nördlich des Sportplatzes, südlich Seecafe-Toni), in Bernau ein Stichweg (zwischen Bahnlinie und Uferweg) und ein Parallelweg (am Mühlbach) sowie ein Seezugang südlich des Campingplatzes in Prien.
Nur die Krautinsel hätte nicht mehr von Besuchern betreten werden dürfen
Keinerlei Einschränkungen des Betretungsrechts waren aber laut Landratsamt im Entwurf der Allgemeinverfügung für Grundstückseigentümer, Flächenbewirtschafter, Pächter, den Betrieb an bestehenden Hafenanlagen, offiziell ausgewiesenen Badestellen oder dergleichen vorgesehen. Auf der Fraueninsel hätte die Allgemeinverfügung nicht gegolten, da sie, im Unterschied zu Herren- und Krautinsel, kein Teil des Vogelschutzgebietes „Chiemseegebiet mit Alz“ ist. „Die bereits bestehenden Wegegebote auf der Herreninsel wären in die Allgemeinverfügung integriert worden. Darüber hinaus gehende Pläne, wie das mutmaßliche Betretungsverbot der Herreninsel, gab es nie. Einzig für die Krautinsel hätte die Allgemeinverfügung tatsächlich eine deutliche Veränderung mit sich gebracht. Sie hätte Besuchern nicht mehr betreten werden dürfen.“
In dem Treffen am 12. Oktober 2023 habe man unter anderem kommuniziert, dass die Allgemeinverfügung ohne ein positives Votum aller Gemeinden nicht in Kraft gesetzt werde. Bis Ende Januar 2024 sollte aus jeder Gemeinde eine schriftliche Äußerung vorliegen.
Inzwischen liegen die Beschlüsse der Gemeinderäte vor. Einhellig wurde aus den meisten Gemeinden als Antwort zurückgespiegelt, dass in der Summe die Inhalte der Allgemeinverfügung nicht unterstützt werden. Zwar wird die Anleinpflicht für Hunde begrüßt, eine „Aussperrung“ aus dem Gebiet wird jedoch als überflüssig empfunden. Einzig in der Gemeinde Bernau gab es ein differenziertes Feedback auch zu den einzelnen Vorschlägen zur Wegesperrung.
Vom zunächst verfolgten Ziel, dem Erlass einer Allgemeinverfügung im Rosenheimer Teil des Vogelschutzgebiets, wird nunmehr von der Unteren Naturschutzbehörde absehen. Lediglich mit der Gemeinde Bernau sollen weitere Gespräche geführt werden.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Pressemitteilung Landratsamt / Beitragsbild: Symbolfoto re)