Seuche, Kriege, Inflation, Energiekrise, Lieferengpässe, Terroranschläge, Wohnungsnot, Unwetteralarm und Umweltzerstörung – um unsere Welt steht es so schlecht wie nie zuvor und in Zukunft wird alles noch schlimmer!!! Dieses Denken drängt sich leicht auf, wenn man sich aktuell durch die Medien scrollt und blättert und der Politik lauscht – und dann flattert auch noch ein offizielles Schreiben der Stadt ins Haus, das Tipps gibt, wie man sich auf einen Blackout vorbereiten soll und auf was es in Ernstfall ankommt: „Planen Sie wie für einen 14-tägigen Campingurlaub in den eigenen vier Wänden“.
Da hilft es dann auch nichts, wenn es im Begleitschreiben heißt, man wolle damit „keinesfalls Panik erzeugen“. Genau das Gegenteil ist der Fall. Viele Rosenheimer reagieren erbost, andere wiederum verunsichert. Einige gingen sogar mittels der Notfall-Liste auf dem Flyer zum Einkaufen ums sich mit Hülsenfrüchten, Nudeln, Kerzen, Kurbelradio, Campingkocher und Schlafsäcken einzudecken.
Angst ist ein effektives Mittel, um Menschen zu etwas zu bewegen. Dazu zeichnen viele wissenschaftliche Studien ein klares Bild. Als besonders effizient gilt, wenn dann die Gefahr noch in allen Details geschildert wird und dabei auch noch betont wird, welche Gegenmaßnahmen man ergreifen kann.
In diesem Fall wurden die Menschen dazu bewegt, sich mit dem Thema „Blackout“ auseinanderzusetzen – auch wenn ein längerer Blackout – nach ausführlicher Erläuterung des Rosenheimer Oberbürgermeisters bei der gestrigen Bürgerversammlung – bei uns in der Stadt höchst unwahrscheinlich ist.
Aber ganz ausschließen könne man es halt nie. Das stimmt natürlich. Also lieber zu früh als zu spät warnen, lieber einmal mehr als einmal zu wenig?
Das ist die Frage bei vielen Themen, die uns aktuell beschäftigen. Beispiel: Unwetter. Wann warnt man die Bevölkerung? Diese Frage stellt sich auch bei uns auf Innpuls.me immer wieder einmal. Wenn man warnt und nichts passiert, steht man ganz schön blöd da. Wenn man aber nicht warnt und dann tatsächlich etwas passiert, kann es verheerende Folgen haben, siehe das katastrophale Hochwasser im Ahrtal.
Also, was tun? Die Frage ist sicher nicht einfach zu klären. Aber eines ist auch klar – das ständige Leben im Krisenmodus nervt, stumpft ab und ermüdet auch. Mir kommt da die Fabel vom „Hirtenjungen und den Wolf“ in den Sinn. Ein Hirtenjunge brüllt beim Hüten der Schafe laut „Wolf“! Die ersten Male laufen die Dorfbewohner zu Hilfe. Aber irgendwann nehmen sie die Rufe nicht mehr ernst. Als dann die Wölfe wirklich kommen, gibt es für den jungen Hirten keine Hilfe mehr.
Leben im
ständigen Krisenmodus
Ständiger Krisenmodus führt eben nicht dazu, dass man besonders aktiv ist, sondern ganz im Gegenteil. Gefühle wie Angst, Unsicherheit und Hilflosigkeit lähmen. Auch das ist wissenschaftlich längst erwiesen. Gute Entscheidungen resultieren daraus kaum.
In diesem Sinne: Die Herausgabe des Blackout-Flyers für die Rosenheimer war sicher gut gemeint, aber gerade in der aktuellen Situation nicht zielführend. Ob sich im Ernstfall dann wirklich viele Rosenheimer daran erinnern und ihn sofort zur Hand haben, um darauf mit der Taschenlampe im Dunkeln die Telefonnummern der wichtigen Anlaufstellen erkennen und wählen zu können, wie Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März bei der Bürgerversammlung meinte, wage ich zu bezweifeln.
Wichtiger erscheint mir in der aktuellen Situation das, was März dann auch noch mehrmals betont hat: es braucht wieder mehr Gelassenheit.
(Quelle: Kommentar: Karin Wunsam)