Wenn du dein Kind aber noch erreichst, versuch, die Beziehungsebene zu (re)aktivieren. Unternimm etwas mit ihm, das IHM Spass macht. Geh auf dein Kind ein und zeig ihm, was es dir bedeutet. Nimm dafür auch Nachteile oder Mühen in Kauf. Es erlebt auf diese Weise nicht nur eure Bindung erneut, sondern auch, dass es ausserhalb der Handy-Welt noch eine andere Welt gibt, die auch interessant sein kann. Verteufele das Handy nicht. Das ist nur kontraproduktiv. Und zeig lieber zur Abwechslung das interessante, reale Leben, das es zum Teil möglicherweise verpasst. Das ist natürlich nur dann wirksam, wenn du selbst diesem Nicht-Handy-Leben etwas abgewinnen kannst. Wenn du bei einem gemeinsamen Ausflug selbst laufend heimlich aufs Handy schaust, kannst du eigentlich auch zu Hause bleiben. Wenn du aber mit den Worten „so, jetzt möchte ich mal eine Zeitlang nicht gestört werden“ demonstrativ dein Handy komplett ausschaltest und in die Tasche steckst („die Welt wird in der Zwischenzeit schon nicht untergehen“) macht dein Kind das vielleicht nach.
Und wenn dein Kind nicht deinem Beispiel folgt, schimpf es nicht. Auch nicht, wenn es unterwegs stehen bleibt – wegen irgendeiner Message, die gerade hereinkommt. Radle einfach weiter und halt nach 100 Metern an um etwas ganz Tolles am Wegesrand zu beobachten. Konzentriere dich voll auf die Sehenswürdigkeit, verwende keinen Blick auf dein Kind. Es wird schon hinterherkommen. Du musst natürlich auch wirklich etwas Schönes finden, sonst verpufft das. Streng dich halt etwas an. Dann findest du eben erst nach 200 Metern etwas Interessantes.
Wenn dein Kind nach dem Spaziergang eine verpasste Message auf dem Handy entdeckt, frag es doch mal, ob es anders reagiert hätte, wenn es die Nachricht früher entdeckt hätte. Was also wirklich das Problem ist.
Wenn das funktioniert hat, ist der Weg frei, das Handy mal abends oder während der Hausaufgaben oder während dem Essen auszustellen. Freiwillig. Und natürlich alle. Das würde dann auch für anwesende Freunde oder Freundinnen gelten. Lass dein Kind das durchsetzen, hilf ihm aber bei Bedarf. „Ja, wir machen alle Handys hier beim Essen aus. Darf ich deins auch haben oder möchtest du es selber aus machen?“
Wenn das mit dem Weiterradeln nach dem dritten Mal nicht funktioniert, musst du diesen Weg aufgeben. Da musst du dann auch ehrlich mit dir sein. Kein „ach beim nächsten mal wird’s schon funktionieren“. Nein, wird es nicht. Dann ist die K….. am dampfen. Viele Süchtige rutschen schneller und tiefer in die Sucht, weil das Umfeld zu nachsichtig ist. Das ist bequemer und konfliktfreier. Für das Umfeld. Und die Suchtgefährdeten nutzen das aus, weil sie so leichter an das kommen wonach sie eine Sucht entwickelt haben.
Was aber, wenn das alles nicht funktioniert. Schauen wir uns mal an, wie man mit ernsthaft Süchtigen umgeht. Dabei reden wir von Menschen, deren Sucht eine ernsthafte Gefahr für sie selbst und für ihre Umgebung darstellt. Wer Drogen oder Alkohol konsumiert und dabei auch einen sogenannten Filmriss erlebt, gehört dazu. Dein Kind ist davon sicherlich weit entfernt. Aber man kann von der Therapie Süchtiger vielleicht das eine oder andere lernen.
Eine Entziehungskur für Drogen und Alkohol wird nicht alleine und zu Hause durchgeführt, sondern unter Aufsicht und in einer Klinik. Ich glaube, das können wir deinem Kind und dir ersparen. Am Anfang steht eine sogenannte Psychoedukation. Das ist eine Aufklärung über die Schädlichkeit der Sucht. Das solltest du auch mit deinem Kind machen. Bereite dich darauf vor. Besorg dir Broschüren oder Artikel. Unterschätz das nicht. Versuch das dialogisch zu machen und vermeide ewige Vorträge.